Wenn Rache stinkt
Natürlich konnte Lena seine Eigenheiten noch nicht kennen und war als Neuling ein wenig ängstlich.
An einem Vormittag rief der Abteilungsleiter Lena zu sich. Durch die nur angelehnte Tür drang seine Stimme laut und ungehalten. Erschrocken ließ Lena ihren Stift fallen und erhob sich zitternd. Mit einem Kloß im Hals wankte sie ins Nebenzimmer.
„Setzen Sie sich!“, befahl der Chef mit todernstem Gesicht und wies auf den Stuhl an seinem Schreibtisch. Lena fürchtete, sie müsse aus irgendwelchen Gründen die Abteilung wieder verlassen.
Der Chef richtete sich wichtigtuerisch auf und holte tief Luft:
„Die Personalabteilung hat mich informiert“, sagte er gedehnt, kramte dabei umständlich in seiner Schreibtischschublade und holte eine Schachtel hervor,
„dass Sie Karamellbonbons mögen. Wenn Sie eines genommen haben, dürfen Sie wieder gehen.“
Dabei grinste er breit und genüsslich.
Verwirrt stand Lena auf, griff in die Schachtel und stolperte leichenblass wieder hinaus.
Unverschämtheit.
Jetzt aber wurde sie von Anne und Regine aufgeklärt, und gemeinsam sannen die drei auf Rache.
Am nächsten Morgen sollte im Büro des Chefs die wöchentliche Abteilungsleiter-Besprechung stattfinden. Deshalb wollten die drei Kolleginnen früher als üblich an ihrem Arbeitsplatz sein. Wie am Vortag verabredet, hatte Regine einen Franzosen im fortgeschrittenen Alter mitgebracht, dessen intensiver Charakter nichts zu wünschen übrig ließ.
Lena war überrascht, nun einen Franzosen mit Charakter kennenzulernen, hatte sie doch immer nur von „charaktervollen Limburgern und Harzer Rollern“ gehört.
Vorsichtig befreite Regine den stark duftenden Franzosen aus seiner Verpackung, wickelte ihn nur leicht in ein Stück dünnes Seidenpapier und klemmte ihn hinter den Heizkörper des Chefbüros.
Hier in der Wärme konnte der Franzose nun seinen Charakter voll und ganz entfalten.
Kichernd und in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, huschten die drei in ihr Büro zurück.
Gegen neun Uhr trafen die Kollegen des Chefs ein, und die Tür wurde geschlossen. Anne, Regine und Lena waren aufs Äußerste gespannt auf das, was nun wohl geschehen würde.
Während der Besprechung wurde das Fenster mehrfach geöffnet und wieder geschlossen. Dann ein wiederholtes Hüsteln.
Aber nach einer Weile hörten sie den Chef verkünden:
„Meine Herren, irgendetwas stimmt hier nicht. Es ist ja nicht zum aushalten. Ich schlage vor, wir gehen in die Teeküche und setzen dort unsere Besprechung fort. Bitte nehmen Sie ihren Stuhl mit.“
Kommentare (5)
Hilfe, Andrea, was muss das für ein aufdringlicher Gestank gewesen sein!!!😫
Ein Meeting mit peinlichem Potential für den Gastgeber. Sicher munkelten die Geschäftsfreunde noch Monate später über diese rätselhafte Geruchsbelästigung.😅
Allerdings war es nur ein harmloser Schabernack, der keinem weh tat.
Viele Grüße
Rosi65
@Rosi65
Danke Dir, liebe Rosi, dass Du Dich nicht vom "Gestank" hast abhalten lassen, mir einen Kommentar zu schreiben.
Denn ich hatte länger überlegt, ob ich nicht ein etwas schwächeres Wort im Titel nutzen sollte. Gerade hier im ST. ...
😉
Immerhin ist es eine wahre Geschichte aus alter Zeit, die mich immer wieder schmunzeln lässt.
Mit Dank und herzlichem Gruß von
Lena Andrea
😄
Liebe Andrea....
ich denke, die "Rache" war längst überfällig?Sie ist Euch doch gut gelungen Diese Idee war sehr ausgefallen und ich denke, der Chef hat den
Schabernack ganz sicherlich begriffen....
Deine köstlich-harmlose Geschichte hat mich amüsiert,
mit Dank und lieben Gruß
aus der alten Römerstadt......Renate
@ladybird
Danke Dir herzlich, liebe Renate,
dass auch Du der Meinung bist, dass der Chef diese Rache verdient hatte.
Doch ist er nie hinter die Ursache gekommen, auch weil Regine den duftenden Franzosen sofort wieder entfernt hatte. Noch heute kann ich kaum begreifen, was er sich als Chef manchmal alles leistete ...
Jedenfalls mag Lena heute am liebsten würzigen Käse (Le Rustique) und ist bemüht, ihn sorgfältig zu verpacken, damit sich sein Aroma nicht im Kühlschrank ausbreitet....
😄 👍
Mit liebem Gruß nach Kölle
von Lena Andrea
Heute möchte ich mich bedanken für die freundlichen Herzen von
@IndianSummer52 @Songeur @Monalie @Indeed @ladybird
@ U.Petri
und freue mich, dass ich Euch mit dem "charaktervollen Franzosen" nicht vertrieben habe.
😂
Andrea