Weißbrot wiegt als zulässiges Gebäck 75 Gramm


Weißbrot wiegt als zulässiges Gebäck 75 Gramm
Anmerkungen zum Pfingstfest vor 100 Jahren
Im Grunde genommen lässt sich das Pfingstfest des Kriegsjahres 1915 auf zwei Schwerpunkte reduzieren, zum Einen feierte Sachsens König Friedrich August III. am Dienstag , dem 25. Mai seinen 50. Geburtstag. Wodurch diese Konstellation dazu beitrug, dass das Pfingstfest um einen Feiertag verlängert wurde. Denn traditionell war seit Begründung des sächsischen Königtums im Jahre 1806 der Geburtstag des Königs Staatsfeiertag. Und der zweite Schwerpunkt lag in allem, was sich mit dem Begriff „Krieg“ verbindet. Es war das erste Kriegspfingsten des 20. Jahrhunderts und dabei war man noch zu Kriegsbeginn im August 1914 voller Hoffnung, dass das unselige Völkermorden schon zu Weihnachten 1914 zu Ende sein könnte. Es kam alles anders.
Zunächst wurde dem König gehuldigt. Da ab Sonntag, dem 23. Mai, für die Schulen die Pfingstferien begannen, legte man die feierlichen Schulveranstaltungen auf den Freitag. In jeder Schule war für die älteren Schüler ein Festakt organisiert. Die Jüngeren hatten zwei Schulstunden, in denen die Lehrer über die Person des Königs und über die sächsische Geschichte sprachen. Noch am Vortag hatten die jeweiligen örtlichen Schulausschüsse für den Pfingstsonnabend schulfrei angesetzt. Was durchaus von den Kindern positiv aufgenommen wurde. Ganz anders die Erwachsenen. Große Feierlichkeiten mit dem klassischen geselligen Beisammensein fielen wegen des Krieges aus. Dafür wurden Vaterländische Abende, Vortragsabende und die Königsehrung im Gottesdienst samt Kirchenparade in Radeberg initiiert. In allen Orten um Radeberg und in der Stadt selbst wurde dazu am Pfingstsonnabend die „Königs-Geburtstagsspende“ des Landesausschusses der Vereine vom Roten Kreuz organisiert. Das Geld sollte den verwundeten Sachsen für ihre Genesung zu Gute kommen. Es kamen über 17000 Mark zusammen. Radeberg spendete 9706,15 Mark, Langebrück 1200 Mark und Wallroda mit 833 Einwohnern 306.45 Mark. Weitere Spenden die zu den Pfingstveranstaltungen eingingen, wurden an die örtlichen Kassen der Kriegsversorgung überwiesen. Pfingstmontag und Pfingstdienstag waren in den Orten die Häuser geschmückt. Sächsische Fahnen und Maigrün dominierten das Bild.
Ansonsten bot das Kriegspfingsten im Alltag bei bestem Wetter nur die Möglichkeit des Ausflugs. Über 60 Familiennachmittage an den drei Feiertagen bei Kaffee und Plinsen, dazu „vaterländische Gesänge“ wurden in den Gaststätten Radebergs und seiner Umgebung organisiert. Tanz und Lustbarkeiten, das traditionelle Pfingstsingen und die großen Vereinsausflüge fielen aus. Wegen des Wetters meldeten die Freibäder starke „Besucherfrequenz“, so das Prinz-Hermann-Bad in Weixdorf fast 4500 Besucher am Sonntag. Auch Radeberg, bei 20C Wassertemperatur, hatte 804 Badegäste registriert.
Neu waren erste Pfingstcamps für die heranwachsende Jugend im Karswald und der Laußnitzer Heide. Unter Schirmherrschaft der Pfadfinderbewegung sollten die Jugendlichen für den militärischen Hilfsdienst in den Lazaretten und Bahnhöfen vorbereitet werden. Immerhin beteiligten sich über 700 männliche Jugendliche ab 14 Jahre an diesen Unternehmungen. Gebildet hatte sich aus den vormaligen Jugendausschüssen nun ein Verein für Geselligkeit und Wandern. Diesen gab es zumindest auf dem Papier in allen Orten.
Zwei Maßnahmen der Versorgung versuchten die Stimmung in der Bevölkerung zu heben. So gab es ab dem 18. Mai „freie Weizensemmeln“ zum doppelten Preis, ohne dass man die Brotmarken abgeben musste. „Solange der Vorrat reicht“ führte zu mancher Schlange vor den Bäckerläden. Andererseits wurde das Gewicht eines abzugebenden Weißbrotes auf 75 Gramm reduziert. Zum ausreichenden Backen von Plinsen stellte der Kommunalverband je 20 Zentner Bananenmehl für Radeberg und Ottendorf zur Verfügung. Dieses Sonderkontingent war aus den deutschen Kolonien in Afrika rechtzeitig vor Pfingsten eingetroffen.
Und man erinnerte sich wahrscheinlich an frühere Pfingstfeste. Allein das Radeberger Postamt musste 6800 Postkarten bewältigen. Die meisten hatten Bildmotive von Kindern, Tieren und der erwachenden Natur. Ein deutliches Zeichen für die beginnende Friedenssehnsucht. Es wäre auch noch von kuriosen Alltagsbegebenheiten zu berichten. So hielt eine 21 jährige Frau einen Personenzug zwischen Langebrück und Radeberg per Ziehen der Notbremse an. Der Grund: Durch das offene Fenster war ihr Hut davon geflogen. Zwei Anzeigen gab es wegen der Ausübung des Tanzens, das ja verboten war. In Radebergs „Harmonie“ tanzten vier junge Männer und drei Frauen nach Melodien einer Spieluhr. Und in Schönborn hatte man im Schmiedtgenschen Gasthof miteinander tanzende Frauen ausgemacht. Was ja ein doppelter Verstoß war: gegen das Tanzverbot und gegen die Sitte.

haweger

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