Was ist nun ein Bestseller?
Früher stand es fest: das war ein Buch, das sich sehr gut verkaufen konnte. Und warum? Weil die Namen der Autoren schon vieles versprachen, selbst wenn es sich um die Unterhaltungsliteratur handelte. Und der Inhalt musste natürlich auch klare Vorteile gehabt haben.
Ich habe seit Jahren keine Neuerscheinungen mehr gelesen, sondern nur alte Bücher, die ich schon mal, oder mehrmals sogar gelesen habe, und die gefallen mir viel mehr. Oder auch solche, von denen ich längst schon wusste, dass sie lesenswert sind, trotzdem irgendwie erst jetzt.
Und neulich habe ich mir gedacht: vielleicht irre ich mich, vielleicht enthalten die neuesten Bestseller auch interessanten Inhalt, vielleicht würden ihre Autoren mit einer echt schönen – wenn auch einer modernen – Sprache so misstrauische, ältere Leser:innen wie mich nett überraschen?
Und so habe ich einen Roman gelesen. Auf dem Buchumschlag stand Lob bis geht nicht mehr; die echt Großen würden sich so etwas wohl nicht wünschen. Und drin…
Das Buch scheint den modernen Trend bestätigen zu wollen, dass nämlich Frauen ok sind, und die Männer im Gegenteil. Zum Beispiel hasst die Hauptheldin ihren Vater, einen faulen Alkoholiker und Betrüger, und das wäre noch zu verstehen. Dafür hasst sie ihre Mutter nicht, obwohl diese Mutter ihre Kinder eines schönen Tages einfach plötzlich verlassen hatte. Obwohl sie ja gut wusste, dass der Papa die Kinder nicht richtig betreuen wird. Die großen Söhne und Töchter verschwanden dann auch bald, und in der armen Hütte am Stadtrand bleibt nur die kleinste Tochter mit dem bösen Vater. Der macht sich schließlich auch aus Staub…
Und bitte schön, das allein verlassene Kind – ein Mädchen ja! - schafft alles mögliche. Nicht nur verstirbt sie nicht vor Hunger, nicht nur wird sie nie krank. Sie lernt schnell lesen und schreiben von einem Freund, den sie irgendwie mögen konnte, obwohl männlich. Und das obwohl ein jahrelang allein lebendes Kind eher schon mit dem Sprechen Probleme haben sollte, sowie mit dem Denken. Dann Zack Zack, als junge Frau schreibt sie ein Buch über die Natur, und das wird, wie sonst, sofort gerne veröffentlicht. Der jungen Autorin liebsten Stellen waren eindeutig diejenigen, wo ein Weibchen einem Männchen den Kopf abgerissen hat, und ähnliches.
In der Nähe von ihrer Hütte wurde ein junger Mann tot aufgefunden, wahrscheinlich ermordet. Man hat die junge brave Frau verdächtigt, doch die konnte sich vor Gericht wehren – mit Hilfe von einigen Personen, die sie gern hatten, und unterstützen wollten. Immer wieder wurde auch dabei betont, dass alle Frauen zueinander wie Schwestern sind…
Erst viele Jahre später, nach dem Tode der Hüttenbewohnerin (sie hat das Häuschen nie verlassen, obwohl mittlerweile mehrere weitere Bücher veröffentlicht, und vieles mehr erreicht) hatte es sich mit Sicherheit erwiesen, dass sie es doch war, die den jungen Mann umgebracht hatte; er sollte ihr seine Gefühle zu intensiv nachweisen wollen (verfehlt). Eine Mörderin also, die auch noch das Gericht und ihre Freunde belogen hatte – und die Romanautorin liess ihre Leser:innen sie die ganze Zeit bewundern, Verständnis haben. Das Ende enthält keinesfalls den Gedanken: da hat die begabte Naturwissenschaftlerin uns alle...
Vielleicht müsste ich das Buch noch einmal durchlesen, um genauer verstehen zu können, was da gemeint war: ein Lob der Frauen, oder Satire an Feminismus…?
(Delia Owens; Der Gesang der Flusskrebse. Die Buchatorin ist ebenso eine Naturforscherin))
Kommentare (10)
@Globetrotter
Ich habe auch nichts dagegen, liebe Gisela, dass mir ein kompetentes Gremium etwas gebieten würde. Früher konnte man fast hundertprozentig sicher sein, dass man dann kaum einen Fehler begehen kann. Und heutzutage entscheiden leider die sogenannten Massengebraucher über vieles. Zum Beispiel habe ich mal gehört - kein treffendstes Beispiel vielleicht, aber merkwürdig - dass sich die Musikgruppe Spice Girls einer viel größeren Popularität erfreute, als The Beatles. Tja, man isst auch viel mehr Kartoffeln, als Spargeln. :)
Mit Grüßen
Christine
Liebe Christine,
leider kann ich mir kein Urteil über dieses Buch erlauben, denn ich habe es nicht gelesen.
Allerdings fand ich darüber eine Rezension von Denis Scheck. Dieser populäre Literaturkritiker ist dafür bekannt, dass er nicht gerade zimperlich mit seiner Buchkritik umgeht.
Immerhin hat er wohlwollend über das Buch „Der Gesang der Flusskrebse“ geurteilt:
„Ein Schmöker, aber einer mit einer interessanten literarischen DNA. Zu einem Drittel Krimi, zu einem Drittel Entwicklungsroman und zu einem Drittel Nature Writing. Ein Debüt, das durch unvergessliche Naturschilderungen besticht.
Doch allein von Deiner Rahmenerzählung her, liebe Christine, scheint mir die Abhandlung nicht fiktiv zu sein, sondern erinnert mich eher an ein modernes Märchen.
Dabei musste ich zuerst an die bezaubernde Geschichte des kleinen Moglis denken, der allein mit den wilden Tieren im Dschungel aufwächst und überlebt (Dschungelbuch).
Und direkt danach leider an ein modernes Hexenbuch, indem die Hauptdarstellerin, allein durch die Kraft des Tanzes, plötzlich ungeahnte Fähigkeiten erlangte. Dieser Schwachsinn stammte übrigens aus der Feder eines bekannten spanischen Schriftstellers. Dieser Fehlkauf wurde auch sofort entsorgt, weil ich mich als Leserin richtig veräppelt fühlte.😡
Auch "Bestseller" garantieren nicht immer den absoluten Lesegenuss.
Viele Grüße
Rosi65
@Rosi65
Ja, liebe Rosi, es muss wahrscheinlich auch Schmöker geben für deren Anhänger, die keine anderen Bücher in die Hand nehmen würden. Gut dann, wenn man an denen doch noch etwas finden kann, das man eventuell in einer Rezension noch loben könnte.
Sonst muss man schon an ein Wort denken, dass die heutige Welt scheint ganz vergessen zu haben: Qualität. Ob es sich um internationale Verhältnisse hier und da handelt, ob um Edukation, Kultur, bis auf die Industrie - alles wird wörtlich oder in übertragener Bedeutung "billig", und somit... Und zu den Literaturkritikern: ohne sie nun persönlich anzugreifen, muss man schon auch da über das Wörtchen denken. Oder an irgendwelche Verhältnisse mit den Verlagen. Alles Marketing, leider.
Mit Grüßen
Christine
Heute hat man das Gefühl, dass jeder und jede Bücher schreiben oder besser schreiben lassen..., der Markt geradezu überflutet wird, liebe Chrsitine.
Da "Bestseller" heraus zu finden, ist schon schwer, zumal ja die Geschmäcker der Leser sehr unterschiedlich, aber vor allem die Empfindungen beim Lesen kaum zu vergleichen sind.
Das , was du schilderts jedenfalls , wirkt auf mich sehr konfus.
Kristine
@werderanerin
Nicht anders, liebe Kristine. Ich wäre schon damit einverstanden, dass jedermann sein "Buch" für eigenes Geld veröffentlichen kann - so ein Autor lebt zum Beispiel in meinem ehemaligen Heimatort. Er lässt immer wieder seine furchtbar schlechten, zu langen Gedichte veröffentlichen - und die ganze Auflage schenkt er bei all möglichen Gelegenheiten an Bekannte und so. Ob das jemand überhaupt liest, keine Ahnung, der Mann kann es sich aber leisten, und gilt als Dichter, bitte schön. Wenn man aber schlimme Bücher in vielen Exemplaren veröffentlicht, in mehrere Sprachen übersetzen läst, weil das "Target" eben solche gerne mag - da muss man schon traurig werden...
Mit Grüßen
Christine
Liebe Christine, alleine schon die ersten Worte deiner Schilderung des Inhaltes dieses Buches (Zitat: „Das Buch scheint den modernen Trend bestätigen zu wollen, dass nämlich Frauen ok sind und Männer im Gegenteil… usw.) würden mich veranlassen, nicht eine Sekunde länger darüber nachzudenken und mich sogleich wieder den „alten Büchern“ meiner in vielen Jahren angesammelten „Privatbibliothek“ zuzuwenden. Dort finde ich, was ich gerne und mit großem Gewinn lese, auch ein zweites oder drittes Mal. Das jedoch ist kein Wunder, denn es handelt sich ausschließlich um von mir sorgsam ausgesuchte Werke, also um Bücher, die ich mitunter lange gesucht habe und für die ich einst auch gerne Geld ausgegeben habe. Diese literarischen Werke sprechen mich immer wieder in erhebender Weise an, während es mir nicht leicht fällt, im gegenwärtigen Angebot der Neuerscheinungen ein mich inhaltlich berührendes Buch zu finden. Das liegt aber wohl ganz alleine an meiner mangelhaften Bildung…
...bekennt freimütig
Syrdal
@Syrdal
Lieber Syrdal, du und mangelhafte Bildung... :) Also, genauer gesagt habe ich mich dazu gezwungen, auch noch ein anderes Buch zu lesen, und nämlich "Sie war wie du. Und jetzt ist sie tot" von J.P. Delaney. Es könnte ein gar nicht schlechter Kriminalroman sein, sollte man die gerne mal lesen. Da gibt es aber immer wieder zwischen den Helden etwas, was man früher als Flirten oder eine Affäre bezeichnen würde; heutzutage gehen die Dinge sofort ganz weit, und werden mit einer so groben, vulgären Sprache beschrieben, dass es in dieses Milieu einfach nicht passt. Meine ich, der Autor sieht es anders.
Zurück zu den alten, guten Büchern dann, die so viele Vorteile haben: interessanten Inhalt, schöne Sprache, und vieles, vieles mehr. Selbst der Geruch vom alten Papier macht das Lesen noch mehr angenehm.
Mit Grüßen
Christine
Ich habe mal die Pressestimmen zu diesem Buch bei Amazon gelesen, Christine.
Demnach hast du da ein tolles Buch erwischt :
"Eine Verbeugung vor der Schönheit dieser Sumpflandschaft, eine grandios erzählte Liebesgeschichte und ein packender Kriminalroman. Insgesamt ein Lektüreerlebnis, wie man es selten findet." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 30.07.19
Frau Stoltenberg ist eine Autorin und Literaturkritikerin, sollte also kennen, was sie da bewertet.
Von Lob der Frauen usw schreibt sie allerdings nichts. 😉
@Songeur
Ach ja, Hubert, ich bin ja keine Sachkennerin. Auf dem Briefumschlag meines Exemplars gibt es übrigens auch vieles zu lesen, unter anderem: "Ich wollte, dass diese Erzählung nie endet" (Reese Witherspoon). Und ich konnte kaum das Buch zu Ende lesen. Das habe ich nur geschafft, denn ich war neugierig, welchen verhassten Mann die Buchautorin zum Täter machen wird, und ich setzte auf den bösen Vater, der irgendwann mal wieder da ist. Aber nein, eine moderne Dame war es doch, und die entscheidet selber, dass ein übergriffiger Mann mit seinem Leben zahlen muss. Eine Anzeige, Gericht? Nichts für sie.
Und ich habe mir auch noch vorgestellt, dass diese Geschichte genau so wie sie ist verfasst wäre - nur da wäre der Hauptheld ein Junge... Ich kann mir die Empörung weltweit vorstellen. 😂
Mit Grüßen
Christine
Liebe Christine,
ein Bestseller hat mit guter Literatur nicht immer etwas zu tun, Sondern ist das, was schon im Namen steckt. Ein "Bester Verkauf" zu deutsch Verkaufsschlager. Hier findet sich alles was wohl dem mainstream angehört.
Ich verlasse mich da immer auf meine pesönlichen "musst read" Leselisten. Zu denen gehören die jährlichen Gewinner des
Literatur Nobelpreises, IMPAC, Pulitzerpreises und des deutschen Buchpreises. Und selbst hier gibt es oft Bücher oder Schriftsteller, bei denen ich mich frage: Wofür hat / gab es jetzt diesen Preis?
Manchmal haben mich diese Preise aber auch auf einen, mir bis dahin, unbekannte/-n Autoren/in aufmerksam gemacht. Dann freue ich mich um so mehr auf das nächste Buch. Ein Bestseller? Vielleicht?
LG
Gisela