Vulkanismus auf Hawaii
Dieser Blog ist kein Reisebericht im herkömmlichen Sinn, denn ich lebe seit 30 Jahren hier in der Mitte des Pazifik auf einer Felseninsel, die soweit wie keine andere von einem Kontinent entfernt ist. Es sind etwa fünf Flugstunden von Honolulu nach Los Angeles oder San Francisco, acht Stunden nach Sydney, zehn Stunden nach Tokyo. Die nächsten Inseln sind das Palmyra Atoll ( 1000 Meilen), Samoa ( 2500 Meilen) oder das Johnston Atoll (825 Meilen). In den 90-er Jahren annoncierte Lufthansa einen 15-stuendigen non-stop Flug von Frankfurt nach Honolulu, der aber nach kurzer Zeit wegen mangelndem Interesse aufgegeben wurde.
Das ehemalig als Sandwichinseln bekannte Archipel von Hawaii bildet eine Kette von Vulkaninsen, die sich ueber etwa 2500 km vom Midway Atoll bis zur sogenannten „grossen Insel“ Hawaii erstreckt. Die pazifische Kontinentalplatte schiebt sich über einen sogenannten „hot spot“, an dem vulkanische Aktivität kontinuierlich zur Bildung neuer Inseln führt, während sich die älteren Inseln mit etwa 5 cm pro Jahr nach Westen bewegen. Diese Inseln sinken dabei unter ihrer eigenen Masse und die Korallen, die sich an ihren Küsten ansiedeln, bilden allmählich dicke Riffe und Atolle. Den älteren Koralleninseln fehlt oft Süßwasser und sie sind daher nicht bewohnbar, sind aber wohl als Sprungbrett zwischen Ostasien und dem amerikanischen Festland nach wie vor von militärischer Bedeutung. Die jüngste der Inseln ist die „große“ Insel Hawaii, deren südlicher Teil vor etwa 800,000 Jahren die Wasseroberfläche durchbrach. Die jüngste Insel des Archipels liegt zur Zeit noch einige hundert Meter unter dem Meeresspiegel, etwa 35 km südöstlich der großen Insel von Hawaii. Der unterseeische Vulkan „Lōʻihi Seamount“ ist bereits 3000 m über dem Meeresgrund aber er wird wahrscheinlich erst in einigen zehntausend Jahren das Licht der Welt erblicken.
Der Vulkanismus der Hawaiianischen Inseln ist konstant; d.h. die jüngsten Inseln weisen regelmäßige und langfristige Ausbrüche aus und nicht die katastrophalen und unerwarteten Eruptionen, wie zum Beispiel Vesuv und Krakatoa. In den vergangenen hundert Jahren hat es immer wieder Ausbrüche gegeben, die zwar lokal großen wirtschaftlichen Schaden anrichteten, aber direkt keine Menschenleben forderten. Der höchste Vulkan ist der Berg Maua Loa mit fast 4500 m; vulkanische Aktivität hat es seit der Entdeckung der Inselkette durch James Cook im Jahre 1776 nicht mehr gegeben, wohl aber auf der Nachbarinsel Maui, dessen 3000 m hoher Vulkan Haleakala auf frühen europäischen Darstellungen noch Aschenwolken produzierte.
An der südöstlichen Flanke von Kilauea öffnete sich dann in den 80-er Jahren ein weiterer Schlot, der seither kontinuierlich Lavaströme produzierte. Der Pu’u O’o Schlot erhielt seine Magma vom größeren Reservoir, das zum Kilauea System gehört.
Im Jahr 2004 begann eine der Fumarolen im Halemaumau Krater sehr plötzlich große Mengen an vulkanischen Dämpfen zu produzieren, welche die gesamte Westküste der Insel mit vulkanischem Nebel eindeckten („Vog“). Dann, vor etwa vier Jahren, begann sich der Halemaumau Krater wieder mit Lava zu füllen und bot zahllosen Besuchern nach Sonnenuntergang ein unvergessliches Spektakel, während man im Speisesaal des „Volcano Hotels“ beim Abendessen die Glut des Kraters etwa zwei Kilometer entfernt bestaunen konnte.
Ebenso plötzlich begann sich der Lavaspiegel Anfang 2018 wieder zu senken. Nur zwei Wochen später, Anfang Mai, öffneten sich 20 km entfernt an der Südostspitze der Insel in der Ansiedlung Leilani Estates entlang eines Grabenbruchs mehrere Schlote, aus denen zunächst kleinere Mengen Lava austraten. In den folgenden Tagen und Wochen entpuppte sich „Schlot 8“ als Hauptproduzent eines immer größer werdenden Magmastroms, der zwei Wochen später seinen Weg in einem breiten Strom zum Meer fand – ausgerechnet in eine Bucht, an der man in den vergangenen Jahren zahlreiche Luxusvillen direkt am Meer gebaut hatte. Die gesamte Bucht füllte sich innerhalb von Tagen mit Lava und produzierte dabei eine toxische Mischung von feinen Silikatpartikeln (= Glasfasern!), Wasserdampf und Salzsäure. Es wurde offensichtlich, dass die gesamte Ansiedlung evakuiert werden musste, bevor Zugangsstraßen unpassierbar wurden. Bis Anfang Juli 2018 waren mehr als 600 Gebäude abgebrannt, einer der sieben Süßwasser Seen Hawaii‘s war durch Lavaeinbruch regelrecht eingekocht, und eine Anlage zur Produktion von Strom aus Geothermalenergie musste wegen der Gefahr von Explosionen geräumt werden. Der Luftraum über Leilani Estates wurde im Umkreis von 8 km bis zu einer Höhe von 1000 m gesperrt – einmal, um den Bergungsoperationen des Militärs, Polizei und Feuerwehr Bewegungsraum zu verschaffen, aber auch, um den versehentlichen oder bewussten Kontakt ziviler Luftfahrzeuge mit gefährlichen Aschenwolken zu minimieren. Natürlich stellten sich sehr schnell auch Neugierige ein, die einen Blick auf den Lavastrom werfen wollten und dabei der Arbeit der Rettungsmannschaften im Wege standen. Die Polizei musste Straßensperren errichten und Neugierige gesetzlich am Zutritt des Katastrophengebietes hindern. Trotzdem gab es über 100 Übertretungen.
Bis Dezember 2018 war ein kommerzieller Hubschrauberflug vom nahe gelegenen Flughafen in Hilo die einzige praktikable und legale Möglichkeit, den Ausbruch und den Lavastrom zu sehen. Der Bürgermeister der Insel erwägte die Errichtung einer Besucherplattform, von der aus Touristen den Lavastrom aus sicherer Entfernung sehen konnten, aber diese Idee wurde nicht in Taten umgesetzt. Der Lavastrom änderte fast täglich seine Richtung und man musste damit rechnen, dass auch andere Schlote aktiv werden könnten, nachdem es inzwischen 22 davon gab. Die Gefahr, die von Kilauea ausging, war nicht zu unterschätzen. Zwar hatte es keine Todesopfer gegeben, aber der Besitzer eines nahegelegenen Hauses erlitt Verbrennungen und einen Beinbruch, als er von einem Brocken Lava getroffen wurde, der von einem der Schlote ausgeworfen wurde. Eine sogenannte Lavabombe traf ein Boot mit Schaulustigen und resultierte in schwere Verletzungen. Das Bundesumweltamt und die Gesundheitsbehörden hatten Messgeräte zur Messung der Luftqualität aufgestellt und gaben Atemschutzmasken an Anwohner aus, die immer noch ausharrten und auf ein Ende der Aktivität hoffen. Pferde, Haustiere und Menschen, die noch bis zuletzt auf ein Wunder gehofft hatten, wurden schließlich mit Hubschraubern des Militärs evakuiert. Die Straßen rund um den Volcano National Park wurden aufgrund von Rissen als Resultat von ständigen Erdbeben zum Teil unpassierbar. Der Park selbst war kurz nach Eruption von Schlot Nr. 8 gesperrt worden. The Halemaumau Krater enthielt inzwischen zwar keine Magma mehr, spuckte aber immer wieder massive Aschewolken bis mehrere tausend Meter Höhe aus, die sich aufgrund der Nordost Passatwinde zum Glück überwiegend auf unbewohnten Gebieten und dem offenen Meer niederschlugen. Der Boden des Kraters senkte sich täglich tiefer ab, während sich wahrscheinlich die darunterliegende Magmakammer entleerte und der Kraterrand begann einzubrechen. Das etwa 1 km entfernte Jaeger Museum, von dem aus Touristen den Halemaumau Krater vor der Eruption beobachten konnten, musste wegen Baufälligkeit geschlossen werden.
Drei Monate nach der ersten Eruption begann sich die Masse der austretenden Magma deutlich zu verringern; Mitte August 2018 stellte sich die Aktivität ganz ein. Schlot Nr 8 hatte inzwischen die Form eines Miniatur-Vulkans von etwa 50 m Höhe angenommen. Geologisch ist Kilauea der eigentliche Vulkan, und die neu entstandenen Spalten sind lediglich Nebenschlote, die mit dessen Magmakammer kommunizieren. Wie in der Vergangenheit, als Ausbrüche von Kilauea zwischen wenigen Tagen und drei Wochen dauerten, stellte Schlot Nr. 8 nach wenigen Wochen die Aktivität ebenso schnell ein, wie sie begonnen hatte. Für die lokale Bevölkerung und die Wirtschaft ist der Ausbruch in jeder Hinsicht eine Katastrophe. Über 1000 Menschen sind durch die Eruption obdachlos geworden, Papaya Plantagen und Bauernhöfe wurden zerstört, und die gesamte Region ist sicher über Jahrzehnte unbewohnbar geworden. Es ist ganz sicher eine große Frage, warum man überhaupt Baugenehmigungen in einem Gebiet erteilt hat, das an der Flanke eines aktiven Vulkans liegt und immer wieder von Lavaströmen heimgesucht wurde.
Der Lavasee von Kilauea selbst ist inzwischen ganz verebbt. An dessen Stelle ist jetzt ein mehrere hundert Meter tiefer Krater entstanden, in den Grundwasser einsickert und einen allmählich größer werdenden See bildet. Der Volcano Nationalpark und das Volcano Hotel sind inzwischen wieder für Besucher geöffnet.
Vulkanismus und der Volcano Nationalpark gehören zu den meistbesuchten Attraktionen der Hawaiianischen Inseln und auch nach dem letzten Ausbruch hat sich das nicht geändert. Glücklicherweise melden sich die gefährlichen Aktivitäten des Vulkans generell rechtzeitig an, um menschliche Opfer zu vermeiden. Der vulkanische Nebel, der die Westseite der Insel für fast 15 Jahre bedeckte hat sich verflüchtigt und sowohl Tourismus als auch der Immobilienmarkt haben sich seitdem wieder erholt.
Fotos: Susan & H. Gert de Couet
Kommentare (7)
Danke sehr,für diesen interessanten,ausführlichen Begriff!
Wie winzig ist der sich so wichtignehmende Mensch
gegen derartige Naturgewalten!
...sehr nachdenklich...
Gudrun
@Gert
Lieber Gert,
herzlichen Dank für diesen tollen, sachlichen Bericht vom Vulkanismus auf Hawaii! Wäre schön, wir würden uns hier öfters lesen.
Karl
hallo Gert dein Bericht super und die Bilder dazu rundet alles ab. Man fühlt sich mitgenommen und erlebt eine neue Welt. hat mir sehr gefallen lieben Gruß Mona
Lieber Gert,
mit großem Interesse habe ich deinen ausführlichen Blog gelesen. Du hast sehr ausführlich und verständlich über den Vulkanismus auf Hawai geschrieben und super Fotos dazu eingestellt. Ich frage mich, ob du ein Vulkanologe bist, denn die vielen genannten spezifischen Details lassen es mich vermuten. Auf jeden Fall ist dieser Blog sehr aufschlussreich, sachlich und enthält trotzdem viel Spannung.
Ich danke dir und hoffe, dass noch viele User hier von dir lesen werden.
Liebe Grüße von
indeed
@indeed
Hallo Indeed,
Nein, ich bin zwar (pensionierter) Naturwissenschaftler, aber kein Vulkanologe - beschäftige mich überwiegend mit lebenden Dingen. Danke für Dein Interesse! Ich habe jetzt mehr Zeit für Fotografie und zum Schreiben.
Aloha aus Hawaii,
Gert
Hallo Gert,
was für ein interessanter Beitrag. Und die Luftaufnahmen sind einfach Klasse.
Sie sind faszinierend, diese Feuerspeier, aber leider gefährlich. So ist es mit vielen Naturgewalten.
Danke für die Informationen, leider ist Hawaii so weit weg.
Brigitte