Vorweihnachtszeit
Wie wäre es gewesen, wenn meine Mutter in den Jahren, in denen ein Kind zur Grundschule geht und so langsam ins Teenageralter hineinwächst, noch gelebt hätte? Wie hätte sie uns die Adventszeit, die Vorbereitungen für's Weihnachtsfest nahe gebracht?
In der Schule gab es von Beginn an Handarbeitsunterricht. Und in der zweiten Jahreshälfte lief es darauf hinaus, etwas Hübsches, das man als Fleißarbeit den Eltern zu Weihnachten schenken könnte, fertigte. Es entstanden einige Sofakissenbezüge, die lange Jahre genutzt wurden. Und ich musste stets in der Adventszeit all die Weihnachtslieder, die im Klaviernotenheft standen, üben, bis ich sie wieder fehlerfrei spielen konnte. Weihnachten begleitete Vati mein Klavierspiel auf seiner Geige und die Familie sang dazu. Ich kann bis heute die Texte der Weihnachtslieder nicht wirklich. Auch noch danach zu schauen (der Text stand ja unter den Noten) hatte ich zu viel Angst, denn spielte ich eine falsche Taste, gab's einen Schlag mit seinem Geigenstock auf meine Kinderhand – aaaauuuuuuuuuu!!
Plätzchen wurden zuhause bei uns nicht gebacken. Eine Art Weihnachtsbäckerei lernte ich nicht kennen. Andererseits weiß ich, dass mein Vater sich mehrere Jahre hintereinander in den Abend- oder Nachtstunden hinsetzte und unseren Puppen (oder nur meinen?) lange Echthaarperücken knüpfte. Unsere Oma nutzte wohl ziemlich oft, wenn wir schliefen, ihre Nähmaschine, um unseren Puppen neue Kleider zu nähen.
Wir wurden erwachsen, heirateten und bekamen so die Möglichkeit, in der Vorweihnachtszeit so einiges anders zu machen. Es war so spannend, ohne dass die Kinder es merkten, Adventskalender selbst zu basteln. Aber zum Plätzchen backen lud ich sie gern ein, denn es machte Spaß, sie Modeln mit Teig füllen zu lassen, den Spritzgebäckteig durch den „Fleischwolf“ – nun mit anderen Vorsätzen – zu drehen und Kringel oder Schlangenlinien zu formen. Auch das Ausstechen von Spekulatiusplätzchen mit Weihnachtsmotiven gefiel ihnen sehr.
Dann kam der heilige Abend, eine passende Tanne wurde vom Markt geholt und zuhause ein Platz ausgesucht, wo sie bis hl. Drei Könige stehen konnte. Dann ging es ans Schmücken. Aber bei uns gab es Kugeln und Kerzen, keine Zuckersachen, denn die mochten weder mein Mann, meine Kinder, noch ich. In meiner Kindheit hatte meine ältere Schwester immer das Vorrecht auf diese Süßigkeit, ich mochte sie nicht. Aber die Krippe durfte nicht fehlen!
Ich erinnere mich so gern an das Weihnachtsfest 1968. Der Papa hatte im Spielwarenladen einen VW-Käfer entdeckt, den unser Zweijähriger mit den Füßen in Bewegung setzten konnte. Das Autochen war aber auch so leicht, dass er – mittendrin stehend – ihn am Lenkrad hochheben und damit über die Straße gehen konnte. Das Fahrzeug hat uns so manches Mal mit auf den Spielplatz begleitet. Auf den Gehwegen durfte er fahren, aber er hob ihn hoch, lernte rechts und links nach den „richtigen Autos“ zu schauen und dann gings tragender Weise über die Straße …
Gleichzeitig hatte aber auch einer meiner Onkel die über 2 m² große Spielzeug-Eisenbahn-Platte loswerden wollen, weil sein Sohn dafür kein Interesse mehr zeigte. Und mein Sohn konnte sich dann mit seinen gerade zwei Jahren so gar nicht entscheiden, womit er nun spielen wollte. Es wurde der kleine VW-Käfer.
Eigentlich war ich empört, dass auch die Spielzeug-Eisenbahn-Platte in jenem Jahr als Geschenk vorm Weihnachtsbaum aufgebaut wurde. Was, um Himmels Willen, sollte da in den Folgejahren als Geschenk kommen?? Aber es war wohl des Papas Traum. Er selbst hatte nämlich nie so etwas besessen und freute sich, mit seinem Söhnchen damit spielen zu können! Und der Zweijährige lernte sehr schnell! Als Freunde zu Besuch kamen und deren 10-Jähriger immer wieder die Zuganhänger „falsch“ belud, zeigte ihm unser Kleiner, wie er das zu machen hatte, damit der beladene Anhänger nicht jedes Mal aus den Gleisen sprang.
Die Jahre gingen dahin, die Kinder wuchsen heran und gingen aus dem Haus. Mein Mann war es überdrüssig, für die Weihnachtsfeste die nun folgten, auch für uns allein oder mir zuliebe eine kleine Tanne für ein wenig Advents- und Weihnachtsstimmung zu besorgen. Er wünschte keinerlei solchen Schmuck, nicht auch nur einen Tannenzweig mehr in oder an unserem Haus. Mein Herz weinte.
Stattdessen war eine Tanne am Hauseinfang recht hoch geworden und die lud viele Jahre an unserer Straße die Bewohner mit reichlich eingesetzten Lichtlein in der Winterzeit mit ihrem Straheln zu weihnachtlichen Gedanken ein - bis eines nachts ein betrunkener Autifahrer sich einfallen ließ, auf unserem Garagenvorplatz zu wenden. Irgendein "Haken" an seinem Auto nahm die Lichtrkette mit und zerriss sie. Auch der Baum wurde aus seinem Wurzelwerk gerissen und wir mussten ihn fällen..
Als ich 2011 nach Verden geflohen war, kaufte ich mir als erstes zu Beginn der Adventszeit ein Kerzenset und kurz vor Weihnachten ging es mit meiner Tochter und ihrem Mann zu ihrem Weihnachtsbaum-Bauern, bei dem die Zwei seit Jahren ihre Tanne kauften. Nun bekam ich auch eine. Eine große Glasvase, gefüllt mit bunten Kugeln und einer Lichterkette für die Tanne ergänzten meinen Kauf.
Dieses Jahr, das erste, in dem ich mit im Haus meiner Kinder wohne, habe ich nun auch ein außen geschmücktes Haus, weil mein Enkel sich das gewünscht hat! Und drinnen, in meiner nun nicht mehr so kleinen Wohnung leuchtet an den Wänden, auf dem Klavier und im Wohnzimmer verschiedener Lichtschmuck … Ich darf wieder genießen!
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