Verwandlung

 Nun sieh einmal die schöne Wiese,
Den kunterbunten Blumenflor!
Bald jene gelb, bald rötlich diese –
Es kommt uns alles lieblich vor.

Man wird die Blumen morgen mähen;
Dann sind sie Heu – daß Gott erbarm!
Und können bloß das Rindvieh blähen
Auf ihrem Wege durch den Darm.

Wenn sie – verzeiht! – am Schlusse werden
Zum breiig weichen Kühedreck,
So frag' ich mich: Ist das auf Erden
Das Los des Schönen und sein Zweck?

Und sehen wir nicht auch das Gleiche
Bei vielem, was ein Dichter schuf?
Man reißt's aus dem Ideenreiche
Und gibt es Leuten von Beruf.

Dann frißt's der Lit'raturprofesser,
Gibt's wieder her mit Kommentar,
Und glaubt dabei, es sei noch besser
Und sei noch schöner, wie es war.


Ludwig Thoma (*1867  †1921)
Es wäre zu schade, wenn er in Vergessenheit geräte!


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Kommentare (3)

Manfred36

Auch ich arbeite im ST mit Malwiesen und Zettelwiesen. Ich mähe sie zwar immer rechtzeitig, aber manchmal wird auch Kuhdreck draus.

B.G. Manfred

Syrdal


Ludwig Thoma wusste nur zu gut, dass sich Humor und Satire zu enormer Größe erheben, wenn sie auf belächelter Wahrheit beruhen. Sein „Kuh-Gedicht“ ist dazu ein schönes Beispiel…
Köstlich sind vor allem auch seine „Lausbubengeschichten“ und die satirisch gefärbten Betrachtungen der Bayerischen Grantler.
So kann ich nur beipflichten, diesen unvergesslichen „Geist der deutschen Literatur“ immer mal wieder zu ehren.

Mit heiterem Gruß zum Abend
Syrdal
 

Pan

Danke, lieber Syrdal, für diesen heiteren Applaus!
Falls es interessiert:
Hier noch ein Link zu Thoma in meinem "Klassik-Park":
Poetikons Klassik-Park

Einen guten Tag -
Horst


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