Verlust der Mitte
….Sorgen habe ich viele. Eine wächst ganz besonders: Die Mitte wird immer schwächer im menschlichen Zusammenleben, die Flügel wachsen mehr und mehr. Rechts und Links spielen sich mit allen Tricks in den Vordergrund, sie johlen, toben, drohen, sie belagern, zündeln, schießen.
….Es muss nicht alles Mitte sein. Jede Mitte hat auch Außenseiten, und nur daraus können sich Flügeln entwickeln. Daraus kann auch ein Wettstreit entstehen: Wer hat die überzeugendsten Ideen, wer die besten Lösungen? Aber mit Worten und Waffen aufeinander einzudreschen, kann doch nur zu Leid und Zerstörung führen.
….Es wird höchste Zeit, sich wieder auf die altertümlichen Tugenden einzulassen: Zuhören, Nachdenken, Kompromissbereitschaft.
…. Oder ist jemand anderer Meinung?
Kommentare (8)
Lieber @silesio,
Mit Extremisten und Fundamentalisten diskutieren oder sogar argumentieren zu wollen, ist vergebene Liebesmühe. Dieses " Johlen, Toben, Drohen, Belagern, Zündeln, Schießen" sehe ich als Ausdruck einer Hilflosigkeit und Überforderung, vor allem mangels synaptischer Verknüpfungen, verbunden mit angeborener oder anerzogener oder durch schwierige Lebensumstände angeeigneter Gewaltbereitschaft.
Die "milderen" Auswüchse, die aus der weitreichenden Unzufriedenheit entstanden sind, kann man an den Tisch bitten und ihre Lösungsvorschläge anhören. Vielleicht ist auch etwas Sinnvolles dabei, dass zu überdenken lohnt. Wie du ganz richtig schreibst: "Zuhören, Nachdenken, Kompromissbereitschaft" sind angesagt.
Womit ich allerdings nie gerechnet hätte, dass ausgerechnet wir hier in Deutschland uns diese Leute nicht nur an den Tisch, sondern sogar in den Bundestag holen. Wieviel unterschwelliger Korpsgeist aus unserer fatalen Vergangenheit da noch mitten unter uns lebt und u. a. bei der Polizei, Bundeswehr, im Rechtswesen aktiv ist, lässt mich schaudern. "Nie wieder" hatten wir uns geschworen …
Nachdenkliche Grüße
Via
@Via
Nie wieder, wie oft haben sich das Einzelne und Staaten sich das geschworen. Bis in die Antike hinein haben die Schreier oft die Richtung bestimmt.
Aber warum kann nicht jeder Einzelne in der "Mitte" sich mehr zu Gehör bringen?
Silesio
NEIN!
Keiner deiner Leser wird da eine andere Meinung haben, aber 1. befinden sie sich nicht in der Mehrheit und 2. sind sie auch nicht so laut wie die Schreihälse links und rechts.
Hinzu kommt, dass diese (ich hoffe nicht) Mehrheit nur das hört, was sie hören will.
Einfach muss es sein, da haben komplizierte Lösungen keine Chance.
Leider sind inzwischen auch viele Medien auf diesen Zug gesprungen.
Gruß Pippa
@pippa, da habe ich mich doch sehr gefreut, von dir zu lesen. Wie lange ist es eigentlich her?
Alles wohlauf bei dir? Jedenfalls das Meiste?
Grüsse aus GB, wo heute wirklich ein ganz besonderer Tag ist
Christoph
@silesio
Und ich freue mich seit gestern - da habe ich dich hier entdeckt - dass du offensichtlich wieder der Silesio bist, den ich vor langer Zeit kennenlernte.
Mein Bewegungsapparat will momentan nicht so wie ich es möchte, so dass ich ein wenig länger am PC verbringe und deswegen gestern in den Blogs stöberte.
Gruß aus dem Harz von Pippa
So, und nun hat der rechte schmuddelige Rand auch Schweden in die Zange genommen, was mich persönlich besonders erschreckt.
Italien wird folgen und ich bin ratlos...................Pippa
@pippa
Ja, die Entwicklung in Schweden bekümmert mich auch tief.
Aber nimm als positives Zeichen unsere Queen, die heute mit unglaublichem Pomp zur letzten Ruhe bestattet wird. Sie war eine weit ausstrahlende Person der Mitte.
Ja, das wäre wirklich gut. Aber um es hinzukriegen, bräuchte es wieder einen Blick fürs Ganze. In diesen Zeiten, wo man ständig unterbrochen wird und sich kaum noch einen Nachmittag Zeit nehmen kann, um einen Text gründlich zu studieren, wird Information nur noch bruchstückhaft aufgenommen. Eilmeldungen und Schlagzeilen - und schon hat man das Gefühl, man sei informiert. Dabei fehlt der Zusammenhang. Dinge werden aus dem Kontext gerissen.
Und so laufen auch politische Debatten ab. Man argumentiert nicht mehr, sondern polarisiert, um Aufmerksamkeit für die eigene Sache zu erregen.
Aber das ist ein Problem der Eliten, die nur noch an den nächsten Wahlkampf denken. Der Mann und die Frau "von der Strasse" denkt aber nicht über vier Jahre, sondern an die Zukunft von Kindern und Enkelkindern.
Schon Nietzsche, der grosse Umwälzer, schrieb um 1880 herum: "Durch das Schätzen erst giebt es Werth: und ohne das Schätzen wäre die Nuss des Daseins hohl. Hört es, ihr Schaffenden! Wandel der Werthe, das ist Wandel der Schaffenden. Immer vernichtet, wer ein Schöpfer sein muss." Das ist wohl das Missverständnis unserer Zeit: Dass man Neues nur Schaffen kann, indem man das Alte vernichtet. Dass das so nicht geht, sondern Neues erst durch Wertschätzung des Gewesenen entsteht - dieses Bewusstsein müssten wir wiedererlangen.