Unfehlbar?
Über einen alten griechischen Philosophen ist eine Legende bekannt. Einige seiner Schüler überraschten ihn bei einer unmoralischen Tat. Dabei ist nicht bekannt, was dies für eine Tat war, der Fantasie ist da Tür und Tor geöffnet.
Seine Schüler wurden furchtbar wütend. »Ausgerechnet Du – der uns in Fragen philosophischer Ethik und Moral erziehst – wie kannst du nur?!«
Der Philosoph nahm es gelassen: »Also, ich lehre euch doch auch die Grundlagen der Trigonometrie! Sehe ich deshalb aus wie ein gleichschenkliges Dreieck?«
Warum eigentlich ist es anstößig, wenn unsere Vorbilder, unsere Eltern, unsere geistlichen oder politischen Persönlichkeiten sich in unseren Augen unmoralisch aufführen? Sie sind doch auch Menschen, wie auch wir selbst anfällig dafür, Fehler zu machen. Was hebt sie denn darüber hinaus?
Der Zwiespalt zwischen ihrer vorgeblichen Selbstverwirklichung und ihrem vielleicht lasterhaften Benehmen passt uns nun überhaupt nicht. Weil wir uns ein anderes Bild von ihnen gemacht haben - oder weil wir es uns nicht vorstellen können, dass sie auch Fehler machen können?
Spirituelle Ausrichtung kann sehr erfreulich und aufregend sein; ein persönliches Laster aber aufzugeben, ist weniger glanzvoll und überhaupt nicht erfreulich. Es ist verführerisch, unsere eigene Selbstzufriedenheit durch übertriebene Aufmerksamkeit bei unmoralischem Verhalten anderer Menschen wachsen zu lassen, anstatt es bis zum Ende zu bekämpfen. Geistiges Vorankommen wirkt nicht, wenn es nicht mit ernsthafter Impulskontrolle und Selbstdisziplin einhergeht!
Es ist so eine Art ›inneres Opfer‹, das nicht leicht ist, darüber hinaus auch für die Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Unser Geist mag ja ausgiebig von innerer Erhabenheit träumen - unsere Füße stecken immer noch im Schlamm des normalen Lebens fest!
Es gibt einfach auf der ganzen Welt auch nicht einen einzigen Menschen, der sagen könnte, dass er ›vollkommen‹ sei! Denken, dass man es gern wäre, ist immer erlaubt.
Aber die Quote der Möglichkeit jedoch liegt bei weniger als 0,01 %.
Kommentare (8)
Bei dem Wörtchen "Vorbild" muss ich ein wenig lächeln.
In meiner Kindheit/Jugend hatte ich alles nur kein Vorbild. Und wenn doch, dann waren es die 'Helden des Krieges'.
Und das wünsche ich heute keinem jungen Menschen mehr. Also bleiben wir gemeinsam bei den vorgegebenen, angesagten Vorbildern!
Meinen Sinn des Lebens sehe ich weit in der Ferne hinter Schleiern verschwinden …
Grüße von Horst
Interessantes Thema!
Wir richten uns an und nach von Menschen gemachten Normen und Kodexen. Unsere Instinkte und ererbten Veranlagungen setzen sich mitunter darüber hinweg …
b. G.
Willy
@Willy
hast ja sooo recht - aber was sollen wir da schon machen?
Was aber wären wir ohne Normen? Tiere mit Geist? Geistlose Individuen?
Lasse n wir das mal offen.
Grüße von Horst
Ja Freunde, wenn(!) wir alle Englein wären - eine fürchterliche Vorstellung.
Nee, lasst uns lieber das bleiben, was wir sind. Und mit ein wenig Rücksichtnahme gelingt das auch, wir haben es schon oft genug bewiesen, oder?
Seid alle herzlich gegrüßt,
Horst
Der Mensch und seine Bilder, die er sich macht. Er ist enttäuscht, wenn sich herausstellt, dass sie nicht zutreffen. Warum wohl wollen wir sozusagen "unbefleckte Ideale" haben. Kein Mensch ist unfehlbar. Ohne Licht kein Schatten. " "Unser Geist mag ja ausgiebig von innerer Erhabenheit träumen - unsere Füße stecken immer noch im Schlamm des normalen Lebens fest!" Genau so ist es. Du hast es mit deinem Blog auf den Punkt gebracht, beim Lesen konnte ich von Anfang bis Ende "nur" zustimmend nicken. Danke und herzlichen Gruß
Brigitte
Es ist verführerisch, unsere eigene Selbstzufriedenheit durch übertriebene Aufmerksamkeit bei unmoralischem Verhalten anderer Menschen wachsen zu lassen, anstatt es bis zum Ende zu bekämpfen.Seit Jahrzehnten kämpfe ich dagegen an, dass über andere in deren Abwesenheit hergezogen wird, mit wenig Erfolg - aber nicht ganz ohne ...
LG - Via, mit den Füßen im Schlamm, aber ohne Brett vor dem Kopf (hoffe ich) und alles andere als vollkommen!
Ich glaube kaum, dass der Mensch vollkommen (was immer das auch sein könnte) werden kann. Und das ist auch gut so.
Vollkommen wird niemand, vor allem in den Augen der Anderen nicht... Jedermann kann aber versuchen, besser zu werden, so allgemein oder nur in einem Bereich. Dies kann schon ein Sinn des Lebens sein. Und was für Vorbild für junge Generation...
Mit Grüßen
Christine