„Kannst Du nischt thun?“



„Kannst Du nischt thun?“

Als es noch üblich war keinen Geburtstag zu feiern

Mit der Annonce „Kannst Du nischt thun?“ riefen am 7. Juni 1890 „Sämmtliche Fiskusbrüder“ in der „Radeberger Zeitung“ ihren Freund und Nachbar E… K… zu seinem Wiegenfeste die besten Glückwünsche zu. Die heute geheimnisvoll klingende Annonce war Emil Krause gewidmet, der an jenem Junitag 42 Jahre alt wurde. Und die Fiskusbrüder waren Mitglieder des im „Deutschen Haus“ beheimateten Sparklubs „Fortunas Freunde“.
Der Grund zu dieser kuriosen Anzeige lag in der vor 125 Jahren noch typischen Gewohnheit in unserer Gegend, seinen Geburtstag nicht zu feiern. Dabei hatten „Fortunas Freunde“ extra im Vereinsstatut aufgenommen, dass jeder wichtige Tag im Leben zu einer Zusammenkunft führen sollte. In der Vorstandssitzung wenige Wochen vor dem Ereignis hatte Krause jedoch erklärt, dass für ihn der Geburtstag mit dem Alter von 42 Jahren ohne Bedeutung sei. Üblich war seit 1887 in diesem Verein die Anzahl der Freibiere nach dem „Zehner“ im Geburtstag zu definieren und die Anzahl der Schnäpse nach dem „Einer“. Dabei bedeutet aber nicht, dass eine Null bedeutete „keinen Schnaps“. Nein, die Null symbolisierte die Zahl Zehn. Und es gab einen Strafkatalog. Wer die Zahlen nicht einhielt, bezahlte pro Gast mindestens 10 Pfennige.
Der Stundenlohn für einen Maurer war in jenem Jahr in Radeberg zwischen 32 und 38 Pfennig angesiedelt. Wer also für den Festtag zu wenig Geld hatte, durfte beim Wirt anschreiben lassen und dann den Betrag abstottern. „Stotterbier“ und „leere Zugabe“ hießen in solchen Fällen die Getränke. Anschreiben war keine Schande, Nichtfeiern war das Übel. Hartnäckige Verweigerer konnten auch aus dem Verein ausgeschlossen werden. Dann stand vielleicht in der Zeitung „Ein 999 donnerndes Hurra auf jenen E….K…, der uns trocken sitzen ließ“. Eine solche Annonce tauchte nicht auf, vermutlich hatte Emil Krause die Erinnerung geholfen.
Sollte es am Vereinsabend zur Feier kommen, war die Gratulation jedes Einzelnen wichtig. Die oftmals gereimten Sätze wurden in das Protokollbuch geschrieben. Geschenke waren unüblich, die gab es nur zu runden Zahlen ab 40.
Solch ein lustiger Spruch könnte vielleicht gelautet haben:
Du bist dreimal dreißig, minus
die Hälfte von Hundert, genau!
Dazu kommen zwei Jahre plus,
eigentlich kein Alter für Dich arme Sau!
Diese frühere Feierkultur eines Geburtstages wurde mit zunehmenden Gelderwerb und dem Anwachsen von Freizeit, durch Familien- und Vereinsfeiern abgelöst. Dann gab es auch Geschenke, die im Sinne des bürgerlichen Rechts nicht zurück gefordert werden konnten. Schon als Kinder lernten wir „Geschenkt ist geschenkt; wiederholen ist gestohlen!“ Nur wussten wir damals nicht, dass der Spruch mit den Geburtstagsgeschenken nach 1900 aufkam.

haweger

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Kommentare (1)

finchen am Wochenende schickte mich mein Opa immer zur Kneipe mit einem Krug, um für 10 Pfennig Braunbier zu kaufen.
Der Krug war nie voll, doch einmal dran naschen war auch mit drin.
Immer ein großes Ereignis !!!!! ich liebte es und Omi zog ein langes Gesicht.
Gruß Finchen

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