Sommerreise 2009 - Kleines Resümee (6) - Achtung: über 30 Bilder!


Sommerreise 2009 - Kleines Resümee (6)

Als Begleitmusik: Der dritte Satz der Beethoven’schen Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll op. 57 ( Apassionata); es spielt Wilhelm Backhaus.



KB – Das heißt: Kleine Begegnungen


Zwar habe ich diese Sommerradtour allein gemacht, aber ich war während dieser vier Wochen eben nicht immer allein.
Es gab doch etliche Zufallsbegegnungen. Kleine Gespräche, die sich nach einer Wegauskunft ergaben. Oder im Zug, auf der Fähre, auf den Zeltplätzen, in einem Café, beim Fotografieren, beim Zeitungslesen etc.

Und dann meine Frage, ob ich sie fotografieren dürfe – eben für mein fotografisches Tagebuch, für (m)einen Reisebericht im ST: „Ach, gibt’s so etwas? Finde ich toll.“ Natürlich gab es Begegnungen und Gespräche, die ich nicht fotografisch dokumentierte.


Wobei zwei Dinge oft Auslöser für solche kleinen Begegnungen und Gespräche waren. Das Bild meiner Route (Auszug aus dem Diercke-Atlas, markierte Route - hier im ST bereits gezeigt) hatte ich mir auf zwei schwarze T-Shirts drucken lassen.
Während der Reise laufend Blickfang und Anlaß für Fragen ...

Und dann Fridolin, mein Gartenzwerg, von dem vor allem Kinder begeistert waren.



Im Zug nach Berlin

Bereits auf der Zugfahrt nach Berlin im „City-Night-Liner“ saß mir dieser Schreinermeister aus München-Haidhausen, spezialisiert auf Restaurationen von Möbeln, gegenüber. Welch ein Zufall! Auch er war mit einem Fahrrad unterwegs und wollte im Berliner Raum 14 Tage radeln und dabei Freunde besuchen. Wir haben uns lange unterhalten und den frühen Morgen, Sonnenaufgang, die morgendliche vorbeisausende Landschaft bewundert. Als ich ihm von meinem neuen MP3-Player erzählte, wollte er ihn unbedingt ausprobieren: Erst mal in Bayern Zwei hineinhören, dann das zweite Brandenburgische Konzert; es gefiel ihm außerordentlich gut. In Potsdam-Hauptbahnhof trennten sich unsere Wege ...



An anderer Stelle schrieb ich bereits vom reizenden Personal in den Bäcker-Cafés. Stellvertretend für alle Damen (in Travemünde immerhin auch einmal ein Herr!) ...

Die liebenswürdigen Damen in einem Bäckerei-Café [Wilhelmshaven] (1)


Die liebenswürdigen Damen in einem Bäckerei-Café (Neukloster](2)



Eine seltsame Stimmung im Café Brinkmann in Quakenbrück. Das Café, auch mit einer Bäckerei verbunden, war bereits am acht Uhr geöffnet. Es hatte so etwas Familiäres-Nostalgisches an sich; während der ganzen Zeit dort (mein Frühstück, ausgiebige Zeitungslektüre, Reisepost) saßen nur drei Menschen, jeder an einem einzelnen Tisch, stumm dort: die Dame, der Herr und ich ... Anhand der kleinen Gespräche mit der bedienenden Besitzerin bekam ich mit, daß die beiden Herrschaften jeden Tag dort allein stundenlang sitzen und ihren Kaffee trinken würden.

Café in Quakenbrück



Etwas ganz anderes in dem Café im Schloß Harkensee ...


Ich sah das Schild „500 Meter Schloß Harkensee“, radelte dorthin, zumal ich auch eine Schwäche für die Mecklenburgischen Schlösser und Herrensitze habe, fotografierte und wanderte ums Schloß herum, bis ich dann erst mitbekam, daß hier auch ein ganz normaler Café-Betrieb existierte. ... Da ergab es sich fast von selbst, daß ich mit diesen radelnden Ehepaar ins Gespräch geriet. Später dann noch mit einem anderen Ehepaar ... siehe die beiden Bilder unten mit dem gewaltigen Baum, der als Naturschutzdenkmal in dem kleinem Schloßpark deklariert war.


Da ging es zünftig zu, im Bäuerinnencafé in Aurich


Denn einen Tag vorher fand in Aurich eine Demonstration der Milchbauern und Milchbäuerinnen statt, bei der auch die Ministerin Ilse Aigner zugegen war. In diesem Zusammenhang veranstalteten die Bäuerinnen in der Fußgängerzone in Aurich dieses Landfrauencafé. Als ich dann Jabrina (so der Name der Bäuerin in der Mitte) die entsprechenden Berichte aus diversen regionalen ostfriesischen Blättern ausriß und gab, kamen wir über die Lage der Landwirtschaft in Ostfriesland uns Gespräch. Soviel Kuchen konnte ich gar nicht essen, wie diese Damen mir anboten ...


Ein alter Mensch mit viel Gepäck auf einem alten Fahrrad ... da schauten und staunten doch immerhin einige Herrschaften am Weg, lies: am Mittellandkanal. Für die beiden Schweißern Anlaß für eine kleine Pause und einigen freundlichen Worten über etliche Meter hinweg.



Schweißer auf einem angelegten Schiff



Auch der Mann auf einem kleinen Privatschiff im Hafen von Leer wollte schon wissen, wohin denn genau die Fahrt ginge und studierte dann eifrig den Routenverlauf auf meinem T-Shirt.




Einige bildlose Begegnungen ....

An irgendeinem Supermarkt in Sachsen Anhalt
Während ich an meinem Fahrrad Apfelsaft und Mineralsaft umfüllte, sprach mich ein Herr an, mit diesem unverwechselbaren familiär-vertrauten, direkten und distanzfremden Charme, den man in Regel offenbar besonders auf ostdeutschen Campingplätzen findet. Dieser Mann von „ringelicher“, rundlich-abgewursteter Gestalt in einem prekariatswürdigen beige-weißen Trägerhemdchen erklärte mir unge- und –befragt, daß er hier einmal der Polizeichef gewesen wäre. Damals hätte es keine Probleme mit den Jugendlichen gegeben; alle hätten gearbeitet. Und wenn’s man Schwierigkeiten gegeben hätte, dann hätte man sie eingesperrt. Auf meinen – zugegeben recht ironisch-provokativen – Hinweis, daß man diese unbotmäßigen Jugendlichen hätte auch erschießen können, meinte er nur – offenbar war ihm Ironie fremd? – , daß man doch so auch nicht gewesen wäre. Einsperren würde reichen; man solle ihm nur die Verantwortung noch einmal überlassen; er würde schon aufräumen. Ich war überzeugt, er würde das ...


Wasser 1 oder: Historische Reminiszenzen ...
Nach der Frage, ob er (Rentner, Jahrgang 1942) mir meine Flasche mit Wasser abfüllen könnte (was der nette Mensch auch sofort tat), kamen wir beide in ein „geschichtliches“ Gespräch. Gründung und erste Jahre der DDR, Juni-Aufstand 1953, Mauerbau, Wende ... dann aber auch 1. und 2. Weltkrieg ... ein interessantes Gespräch, zumal mein Gesprächspartner nicht nur über solide Kenntnisse verfügte, sondern auch über die verschiedenen Interpretationen reflektierte ... wie man bei ihnen, in der DDR, dieses oder jenes beschrieb und beurteilte, wie etwa die westlich-bürgerliche Historiographie die Dinge darstellte und deutete ...

Wasser 2
Den Bauern Robert (ebenfalls Jahrgang 1934; Holsteinische Schweiz) sprach ich ebenfalls wegen Wasser an ... er meinte, daß wohl etwas Apfelsaft auch nicht schaden könne und füllte beide Flaschen mit Apfelschorle ab. Dann sprachen wir beide über eine halbe Stunde über den Hof, die Situation der Landwirtschaft in seiner Region, Milchpreise, Milchleistungen der Kühe in den 50er Jahren und heute ... darauf seine Anmerkung, daß ich wohl von einem Hof käme ... ich klärte ihn auf, daß ich als Waise meine Kindheit auf einem niederrheinischen Bauernhof verbracht hätte.


Café in Celle ...
Samstag, früher Vormittag;
Samstag ist immer mein Zeitungstag, auch auf Reisen. D.h. Samstag werden immer zusätzliche Zeitungen gekauft. (Abgesehen von der ZEIT, die ebenfalls am Wochenende genauer studiert wird). So also dieses Stilleben: Tee, Butterkuchen und der restliche Tisch mit Zeitungen bedeckt. Ein Ehepaar, der Herr sieht mich respektive meine Zeitungen und meint, daß ich ja nicht alle gleichzeitig lesen würde, so daß er sich eine nehmen könne ... Auf einmal eilt eine der Bäckereiangestellten auf ihn zu und flüstert ihm etwas zu, worauf er, sichtlich etwas verlegen, mit der Zeitung zu mir zurückkam: „Verzeihung, ich wußte nicht, daß diese Zeitungen Ihre privaten Zeitungen sind.“ ... Nicht nur, daß ich ihm die Süddeutsche Zeitung gerne überließ, sondern er spendierte mir dann einen Cappuccino ... wir unterhielten uns angeregt über die Zeitungslandschaft in Ost- und Westdeutschland.


Schnitzel für 7,80 € ...
Kleines Gartenrestaurant. Am Nachbartisch eine Gruppe mehr oder weniger Gleichaltriger (alle um und über die siebzig). Zunächst wurde ich, so en passant, anhand zitierter Schlagzeilen aus dem Kulturblatt west- und ostdeutschen Prekariats und Kleinbürgertums über das gegenwärtige Zeitgeschehen informiert, nebenbei kommentierten und interpretierten diese senorialen Herrschaften die jetzigen und vergangenen Zeitläufte, gingen dann zu ihren diversen TV-Erlebnissen und Fernseherfahrungen über, um schließlich zusammenfassend ihr buntes Weltbild als Quintessenz aus BILD-Schlagzeilen und Fernseh-Bildern lautstark und großräumig auszubreiten, wobei sie mich, am Nachbartisch sitzend, anschauten und mir, wohl zustimmungserheischend, immer wieder zunickten.
Dann aber, gewissermaßen als Höhepunkt, unterhielten sie sich, nachdem die Kellnerin für alle jeweils diverse Schnitzelvarianten serviert hatte, geschlagene 37 Minuten über wohl sämtliche Schnitzelpreise auf diesem Globus; dies unter Einbeziehung ihrer sehr weitläufigen Verwandtschaft und unter der Berücksichtigung west- und ostdeutscher Lokalitäten.
Ich ertappte mich dabei, irgendwann – dies allerdings in bösartiger und ironischer Absicht! – mich in dieses Preis-Palaver einzuklinken, dachte aber dann: Meine Güte, welche traumatischen Erfahrungen haben sie wohl gemacht? Welcher Hunger hat sie geplagt? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Schnitzel und deren Preise in ihrem Leben, in ihrem Bewußtsein und Unterbewußtsein? Der Bauch wird halt der Nabel ihrer Welt sein; angesichts der Lage eines Bauchnabels allein naheliegend und geographisch sehr verständlich. Alles andere an diesem Tage – das wunderschöne Wetter, die ebenfalls schöne Landschaft, die kulturellen Sehenswürdigkeiten in der unmittelbaren Nähe des Gartenrestaurants – alles das war nebensächlich, aber die Schnitzelpreise in Quakenbrück, Bersenbrück, Ankum, Lingen, Magdeburg etc. ... die waren es, die alle am Nach-bartisch faszinierten.
Als ich dann meinen Matjesfilet mit Bratkartoffeln – in bzw. mit den Augen meiner Tischnachbarn sicher ein Armleute-Essen – bezahlten wollte, die Kellnerin mir dann den Preis so laut verkündete, daß auch die Herrschaften am Nachbartisch über die zu zahlende Summe genauestens informiert waren, gab ich der Kellnerin einen auch für meine Nachbarn sichtbaren Geldschein mit dem Hinweis: „Es stimmt so.“ Schlagartige Stille am Nachbartisch. Vermutlich Überschlagsrechnungen, wieviel Trinkgeld ich wohl gegeben habe ... und die sichere Annahme meinerseits, daß in der nächsten Stunde nicht mehr die Schnitzelpreise Gegenstand ihrer Auslassungen sein werden ...


Ein Wiener in Brandenburg ...
Brandenburg. Es war schon nach sieben Uhr abends. Der Zeltplatz lag außerhalb Brandenburgs, aber wo ... bzw. wie komme ich auf dem schnellsten Wege dorthin? Drei Menschen fragte ich ... der Sprache nach aus dieser Stadt und Region. Niemand wußte Bescheid. Dann die vierte Person, auf einer Havelbrücke. Ich dachte ich höre nicht richtig: Ein Wiener (aus dem 7. Bezirk), der hier für seine Firma arbeitete und sich offenbar perfekt auskannte. Er erklärte mir anhand der Karte genau den Weg, den ich nehmen mußte.

*.*


Tischnachbarn. Also die FAZ wollten sich diese beiden reizenden Paare nicht ausleihen, aber angesichts der diversen Zeitungen auf meinem Tisch fühlten sie sich gemüßigt, doch etliche Kommentare zu Zeitungen, Medien und der politischen Situation im allgemeinen und im besonderen (Hartz-IV war offenbar ihr Thema!) mir und sich gegenseitig mitzuteilen. Auf meine Sprachlosigkeit hin – meine Güte, was sollte ich da sagen! – , von ihnen als magenverstimmende Reaktion auf die sehr leckere Backkartoffeln gedeutet, empfahlen sie mir, doch einen Schnaps zu trinken ...




Wie das Bildchen zeigt, war Judith, eine Sozialpädagogin in Sanssouci, von Fridolin sehr begeistert. Wir tranken dann noch einen Cappuccino zusammen und unterhielten uns über die Situation von Kindern und Jugendlichen in Berlin.





Noch einmal eine Begegnung in Schloß Harkensee; Christine und Thomas machten mich auf den wunderschönen alten Baum im kleinen Schloßpark aufmerksam. (Wir haben den Umfang ausgemessen - was schätzen Sie?)









Kinder bestaunten immer wieder den Zwerg Fridolin; entweder dabei, wenn ich ihn für eine fotografische Aufnahme arrangierte, oder eben auf meinem Gepäckträger unter einem Spannriemen: „Schau mal, Mama, wer da auf dem Fahrrad sitzt!“
Kinder 1


Kinder 2



Diese junge Dame in Güstrow erstaunte ob des diversen Gepäcks auf dem Fahrrad, bot mir aber dann nur die blanke Schulter ... auf einer Seniorenseite wollte sie nicht so direkt erscheinen. Vielleicht verständlich ...



Diese jungen Leute in Haldensleben hatte ich vorher nach bestimmten Örtlichkeiten in Haldensleben gefragt, die sie – zu meinen Erstaunen und zu meiner Freude – sehr gut kannten. Radfahren und dann noch so ... „Nein, das ist nichts für uns.“ Aber fotografieren ließen sich gerne ... als sie das Bild auf dem kleinen Kameramonitor sahen: „Echt cool!“


Als der junge Mann in Wismar sah, daß ich mein Fahrrad abschließen wollte, rief er mir aus dem ersten Stock zu, daß er aufs Rad und Gepäck aufpassen wolle; ich könne in Ruhe die Kirche anschauen. Was er dann auch brav tat. Als ich dann wieder wegfahren wollte und ihm ein Dankeschön hinauf rief, wollte er wissen, wohin denn die Tour ginge ...




Beim Hin- und Herschieben des Fahrrads auf dem Berliner Hauptbahnhof, rutschten mir etliche Zeitungen heraus und auf den Boden ... diese beiden jungen Frauen hoben sie mir spontan auf. Auf meinen Dank hin fragten sie dann, woher ich käme, wo ich denn geradelt hätte ... „Nee, det ist nischt für mir.“ Muß ja auch nicht ...




Diese beiden Mädchen (in Minden) kommentierten meinen Auftritt mit einem „Wirklich kraß, wohl ganz schön schwer?“ ...




Diese beiden Buben am Mittellandkanal erlaubten mir nicht nur, daß ich sie fotografierte, sondern sie fingen dann ein Gespräch mit mir an, bei dem sie mich laufend über alles befragten und mich über ihr ganzes Leben, über ihre Interessen, über ihre Familie und Geschwister informierten. Als sie mitbekamen, daß ich aus dem „Westen“ komme, stellten sie mir auch noch ihre Ost-West-Ansichten dar ... Über eine Stunde unterhielten wir uns; es war einfach
köstlich!





Diese junge Marinesoldaten aus Lettland am Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven staunten zunächst, als ich sie – ungefragt! – fotografierte. Dann trat einer auf mich zu und fragte mich auf Deutsch, was ich denn mit dem Bild machen würde. (In den baltischen Staaten hat das Deutsch als Fremdsprache einen hohen Stellenwert.)




Diese Herren aus Genthin – alle im Ruhestand – musterten mich und Rad sehr intensiv, kommentierten alles und machten sich dann daran, das Umfeld der Kirche (Rasen etc.) zu säubern ...




Auf der Fähre von Blexen nach Glückstadt traf ich dann diese avantgardistische weibliche Wesen, die mir dann, nach ausführlicher Musterung von Rad und meinem Aufzug, ihre Sicht der Welt etc. darlegte. Diese Mischung aus Bohèmeleben und Esoterikexistenz hatte durchaus etwas Faszinierendes an sich. Mitfahrende amüsierten sich offenbar prächtig über ihre Erläuterungen, zumal diese Philosophin ihre Konstatierungen so lautstark vortrug, daß man auch in mehreren Meter Entfernungen auf der brummenden Fähre problemlos den Ausführungen folgen konnte.





Auf dem Oderdeich überholte mich diese flotte und vor allem sehr charmante Frau, Ines, eine Krankenschwester aus Schwedt, auf Rollerskates ... „Na, Sie dürfen schon flotter fahren, sonst überhole ich Sie laufend.“ Es bleib nicht bei diesen paar Worten. Gut informiert, skizzierte sie die Arbeitsmarkt- und Einwohnersituation in Schwedt, das ich bereits 2004 kennengelernt hatte.





Köstlich, dieser Universal-Eisenladen in Bützow, denn hier bekam man wirklich alles. Seit 1890 in Familienbesitz (auch DDR-Verhältnisse änderten nichts daran!), kämpft der Laden heute um seine wirtschaftliche Existenz. Die beiden Herrschaften erklärten mir das Sortiment, luden mich ein, alles anzuschauen und zu fotografieren ... und meine Anmerkung, daß hier gleichsam die Zeit stehengeblieben sein, faßten sie - übrigens zutreffend! – als Kompliment auf.





Einer dieser wunderschönen Dorfkirchen (später darüber noch ein eigenes Reisekapitel!). Leider war die Tür verschlossen. Ich studierte den Aushang und Hinweis, daß diese Kirche ab 14 Uhr geöffnet werde. Blick auf die Uhr: Viertel vor zwei. Ich könnte also warten, etwas fotografieren, als plötzlich, ein klein wenig schneller atmend, die rechte der beiden Damen auftauchte. Sie hätte mich hier stehen gesehen; und bevor ich so einfach weiterfahren würde, ohne die Kirche zu besichtigen, sei sie schon einmal hergeeilt ... War das nicht reizend! Später kam dann noch ihre Kollegin (die uns vor der Kirche bei unserer angeregten Unterhaltung gesehen hatte) ... beide zeigten mir ihre Kirche, erklärten mir alles ...




Eine gewisser Höhepunkt war Gisela. Aber alles schön der Reihe nach. Also zwischen Bremerhaven und Glückstadt, in einem winzigen Bauerndorf, ich studierte meine Karte, als plötzlich Gisela vor stand. Wohin ich denn wolle, ob sie mir helfen könne. Dabei fiel ihr Blick auf mein T-Shirt mit der Route. Ob ich das alles befahren wolle und ob ich denn überhaupt schon gefrühstückt hätte. Kurz: Sie lud mich zum Kaffee ein. In ihrer Küche dann erzählte sie mir ihre Lebensgeschichte. Seit sechs Jahren Witwe, Hof, Land ... alles verpachtet. Sie selbst (Jahrgang 1939) sei mit ihren Großeltern aus Ostpreußen geflüchtet. Hier im Dorf diese „spontane Begeisterung“ der Bevölkerung ob der Flüchtlinge, die einfach einquartiert wurden. (Fairerweise muß man jenen Menschen konstatieren und konzedieren, daß diese Flüchtlingseinquartierungen für die einheimische Bevölkerung, sei es im Norden oder Süden Deutschlands, auch nicht einfach und problemlos waren.) Auf meine Frage nach einer möglichen Ausgrenzung auf der Volksschule als Flüchtlingskind erklärte sie, daß der Lehrer selbst ein Ostpreuße gewesen sei. Und sie selbst habe intuitiv erkannt, daß die Sprache, das Plattdeutsche der Weg zur Integration gewesen sei. (Wir sprachen übrigens jetzt beide nur noch Platt.) Wie’s Leben so verläuft ... ein Bauernsohn, selbst einziges Kind seiner Eltern, hielt um ihre Hand an – nicht gerade zur Begeisterung seiner Eltern. Sie heirateten ... die Ehe ... nun ja, Gisela erzählte mir in ihrer lakonischen Darstellungsweise die Situation sehr genau. Nur soviel sei angedeutet: Es handelte sich nur um eine „Arbeitsehe“, bei bzw. in der Arbeit und wirtschaftliche Zwänge der eigentliche Ehekitt waren. Ihre Rolle beschränkte sich auf die bloße Arbeit in Familie (zwei Kinder) und Hof, knappes Taschengeld; von der wirtschaftlichen Situation des Hofes hatte sie nie eine Ahnung und wurde auch von ihrem Mann diesbezüglich nicht informiert. Als nun, nach dem Tode ihres Mannes, Steuerberater und Notar in ihrer Küche saßen und sich der erstere danach erkundigte, was sie denn meine, wie sie ihre (wirtschaftliche) Situation denn beurteile ... „Jo, dat weet ik man nich.“ ... erklärte ihr der Steuerberater, daß sie reich sei, sehr reich. Gisela dann zu mir in der Küche: „So gaut geit et mi noch nie.“ Dann zeigte mir noch Gisela Haus und Hof, alle Räume, ihr Kaffee- und Teegeschirr, entschuldigte sich, weil sie zum Kaffee keine Kekse im Hause hätte ...

Gisela 1


Giselas Küche




Was ist mir vertrauter als die Gespräche mit Studenten ... hier zwei Medizinstudentinnen, die mir (und indirekt meinem niederländischen Sitznachbarn) während der Fahrt von Celle nach Hannover – zugegeben auf meine neugierigen Fragen hin – fast alles über die Schulzeit, Kollegstufe, dann aber ihr Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover erzählten. Beide hatten gerade eine Famulatur in einem Krankenhaus hinter sich (fast ausschließlich alte Patienten) und wollten jetzt in die Niederlande radeln ... zwei kluge junge Frauen; eine Freude, ihnen zuhören zu dürfen und zukönnen!





Normalerweise zum Schweigen „verurteilt“ (Niemand darf mit dem Zugführer sprechen!), sorgte dieser Zugführer nicht nur dafür, daß ich mit meinem Fahrrad in einen Zug konnte, der normalerweise keine Räder mitnahm, sondern half mir, das vollbepackte Fahrrad in den Waggon zu heben. (Ich mußte ja in Angermünde meine Fahrt abbrechen und wollte schnellsten an Berlin bzw. von dort nach Hause ...





(Fortsetzung folgt)

Die olle Bertha
vom Niederrhein




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Kommentare (3)

mo.zart die du da gerade gemacht hast. Und die Hintergrundberichte über deine Begegnungen auf deiner so tollen Reise, runden die Berichte wunderbar ab. Kann nicht besser sein.
Summa cum laude!
immergruen an denen Du uns teilhaben lässt! Auf die Länge der Strecke, die Du zurück gelegt hast, bleiben Kontakte ja nicht aus und da Du ein kommunikativer Mensch bist, sind die Leute auch freundlich zu Dir. Die Lebensalter der Porträtierten sind so bunt gemischt wie die Stationen Deiner Reise. Ich lese gern, was Du zu berichten hast.
immergruen
pelagia und wie lange muss ich jetzt warten??? Sehr gern habe ich gelesen / zugehört - bunt, interessant - fast wie ein Ruppiner Bilderbogen und nun lass mich bitte nicht so lange auf die Fortsetung warten. Danke.

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