Selbstgemachtes ...
Das ist so was mit den selbst gefertigten Dingen der lieben Familienangehörigen.
Ich weiß nicht, warum mein Vater einen von unserer Mutter selbst geformten Kopf, eher das Gesicht eine Frau, stets im Flur unserer Wohnung an der Wand hängen hatte. Vermutlich war es ganz zu Anfang ihrer Ehe ein Geschenk an ihn – für seinen noch recht jungen Friseursalon? Dieses Gesicht begleitete meine Kindheit, meine Jugend, zumal unsere Mutter ja nicht mehr bei uns lebte. Erst als auch unser Vater mit 76 Jahren starb, räumte unsere Stiefmutter all die Dinge weg, die von ihrer „Vorgängerin“ an den Wänden hingen.
Als junge Frau hatte sie unseren Vater geheiratet und uns drei Mädels als Zugabe erhalten, was nicht leicht zu ertragen war. Unsere Große war schon 16, sie lehnte die Stiefmutter total ab und gab sich redlich Mühe, ihr das Leben schwer zu machen. Sie ließ die Ersatz-Mama spüren, dass sie es ablehnte, unseren Vater als „ihren Mann“ zu sehen. Sie hetzte auch unsere Jüngste auf, was dazu führte, dass es der Stiefmutter nicht gelang, die Neunjährige freundlich für sich einzustimmen. Das führte dazu, dass unsere Oma, die bislang nach dem Tod unserer Mami diese ersetzt hatte, ihr Leben einfach aufgab. Sie kämpfte nicht mehr gegen ihre Erkrankung …
Lediglich mich hatte unser Vater, als ich im Internat war, tatsächlich gefragt, wen ich lieber als meine neue Mama haben wolle, die beste Freundin unserer Mutter – Agathe – oder die Cousine 2. Grades unserer Mutter – Martha – ? Ich kannte Agathe sehr gut, war als Kleinkind mehrfach bei ihr gewesen. Diese Martha kannte ich gar nicht, bis sie mir eines Tages im Internat einen Besuch abstattete und mir einen damals gerade sehr in Mode gekommenen Rollkragen-Pulli als Geschenk mitbrachte. Ich probierte ihn an, er passte wie angegossen – was sie ziemlich entsetzte, denn ich war als knapp Zwölfjährige weiter entwickelt, als es „un-gehörig“ der Pulli zeigte. Und so bekam ich kurz darauf meinen ersten BH. Aber es war der Anfang einer langen Mutter-Tochter-Freundschaft zwischen ihr und mir.
In diesem Jahr brach ich beim Sportfest des Gymnasiums ohnmächtig zusammen und wurde daher in meiner Heimatstadt auf die Realschule umgemeldet. Ich weiß nicht mehr, ob dort der Kunstunterricht gerade das Porträtieren drauf hatte, jedenfalls war es mir wichtig, einmal eines der hübschen Models aus den Illustrierten, die in Vaters Salon für die Kundschaft auslagen, abzuzeichnen. Als ich meine Zeichnung meinem Vater präsentierte, war er so angetan, dass er das Porträt in sein Schaufenster hing! Aber: „... das ist brotlose Kunst!“, ich sollte nicht weiter zeichnen! Das bekam auch unsere Jüngste zu hören, als sie auf's Gymnasium wollte, um später Kunstlehrerin zu werden. Es wurde ihr verweigert.
Nach dem Tod unseres Vaters räumte unsere Stiefmutter all die Dinge, die ihm wichtig gewesen waren, weg, bot sie aber zuerst mir an. Meine Schwestern – inzwischen wie ich auch selbst Mütter – wurden nicht gefragt. Sie hätten mit Ablehnung reagiert.
Dazu gehörte eben auch der Gipskopf meiner Mutter, aber auch die letzten Kriegsfotos sowie die Familienalben aus der Zeit mit unserer leiblichen Mutter. Der Gipskopf hängt heute in meiner Wohnung, ich fand es nicht in Ordnung, die liebevoll zusammengestellten Fotoalben der Hochzeit meiner Eltern, Jugendfotos von beiden Elternteilen sowie die ersten Fotos aus der Kindheit meiner großen Schwester und mir, die ich nun allein besaß, für mich zu behalten. Ich scannte alle Fotos ein, stellte mit Hilfe meiner Tochter ein neues Album zusammen und brannte alle gescannten Fotos auf drei CD's. Schließlich schickte ich meinen Schwestern je eine CD, die auch das neue Album enthielt, zu.
Bedankt hat sich damals keine der Beiden. Aber die Große bestellte sich umgehend das Album und versteckte es vor ihrer jüngeren Tochter, damit diese das nicht zu sehen bekäme. Daraufhin erzählte mir mein Patenkind vom Verhalten ihrer Mutter (sie ertappte sie dann beim Verstecken) und sie bekam von mir eine CD mit den Fotos und dem Album selber.
Traurig gemacht hat mich sehr, dass unser Adoptivbruder das geliebte Klavier unseres Vaters, auf dem wir alle vier spielen gelernt hatten und das unseren Vater fast bis zu seinem Tod begleitete, geerbt hat. Meine jüngere Schwester hat sich ihr Klavierspiel wie unser Vater bis zur Konzertreife angeeignet und hätte dieses Instrument gern in Ehren gehalten. Sie gibt noch heute gelegentlich mit ihrem damaligen Klavierlehrer Konzerte! Aber es war eine Entscheidung, die unsere Stiefmutter und ihr Sohn getroffen hatten, weil er so ab und zu auch mal darauf klimperte.
Bei meinem Mann waren es die Märklin-Bausätze, die er heiß geliebt hat, gebaute Teile sogar mit ins Bett nahm, damit Eltern und Geschwister ihm nichts zerstörten. Später zeigte er unseren Kindern zwar, wie sie mit seinem Werkzeug umzugehen hatten, aber an seiner Werkbank, in seinem Hobbykeller durften nur „ausgewählte“ Modellbau-Klubmitglieder vielleicht mal arbeiten, unsere Kinder nicht. Er akzeptierte auch nicht, dass unser Sohn seinen Kfz-Mechatroniker-Meister gemacht hatte, für ihn war der nur ein „Grobmotoriker“!
Unsere Tochter wählte den Beruf des Elektrikers, ergänzte das in der Ausbildungszeit zur Kommunikationselektronikerin mit Ausbildungsbefähigung. Doch für ihren Vater hatte sie kein Können in diesem Beruf: Frauen können DAS nicht!! Fass mir bloß keine in Arbeit befindliche Platine an!!
Nebenbei hatte sie als Neunjährige gesehen, wie ich am Küchentisch frei Hand sie zeichnete – und ab diesem Zeitpunkt war das ihr Hobby! Schon während ihrer Ausbildung waren ihre Internats-Mitbewohner so von ihren Airbrush-Bildern angetan, dass sie nebenbei dafür Kurse gab. Aus dieser Zeit hat sie ein DIN-A3-Bild von einem Schauspieler so perfekt abgezeichnet, dass es seinen Platz in einem Kino fand, als der dazugehörige Film lief. Natürlich steckt dieses Bild in ihrer Sammelmappe. Nach der Ausbildung und während ihrer Arbeit im heimischen Katasteramt machte sie noch einen Fernkurs als Designerin mit sehr guten Zensuren. Ich denke, sie hätte – genau wie meine jüngere Schwester – vermutlich ein Stipendium für Kunst erhalten. Doch sie zog es vor, eine eigene Werbefirma zu gründen.
Heute kann ich so gerade die kleinen Bildchen, die ich selber gezeichnet habe, noch zählen. Die Fotos, die meine Tochter in ihrem Leben als Mama von ihrem Sohn oder auch Anderen gemacht hat, kann ich nicht mehr zählen. Vieles davon ist Deko in meiner Wohnung.
Nebenbei – auch backen ist bzw, war mein Hobby! Das Rezept für meine Biskuitrolle wanderte in meiner vorvorherigen Wohngegend durch den ganzen Ort. Es war – leicht von mir nach eigener Art abgewandelt – ein Rezept unserer Lehrerin für den Kochunterricht in der Realschule. Und mit der oben gezeigten Weintraubentorte begeisterte ich vor 12 Jahren unsere Nachbarin, Bäuerin und Hauswirtschaftsmeisterin.
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