Schildkröten

    Der Mensch als Homo sapiens
veranlagt mit Intelligenz,
trägt unter der behaarten Glatze,
das heißt, an sehr markantem Platze,
verborgen nur durch seine Stirn,
verhältnismäßig viel Gehirn,
zumindest wenn man es vergleicht,
mit dem, was einem Nilpferd reicht.
Auch Suppen-, Sumpf- und Schmuckschildkröten
ist weniger Gehirn vonnöten
in ihrem instinktiven Streben,
zu leben und zu überleben.
Obwohl sie manchmal Zentner wiegen
und über Riesenkraft verfügen,
genügen ihnen eine paar Gramm
Gehirn im See- und Urwaldschlamm,
wo, von den Menschen unbeachtet,
kein Feind nach ihrem Leben trachtet.
    Trotzdem, vielleicht sogar deswegen,
sind sie dem Menschen überlegen:
Ihr Fleisch wird überaus gemocht,
sobald man es in Suppe kocht,
was weder Menschenfrau noch –mann
so leicht von sich behaupten kann.
Auch bringt sie Mangel an Verpflegung
in keinerlei Gemütsbewegung.
Auch wenn sie wochenlang nichts kriegen,
kann sie der Hunger nicht besiegen,
und trotz der miserablen Lage
verzichten sie auf jede Klage.
    Noch größer ist der Unterschied
jedoch auf folgendem Gebiet:
Obwohl sie einen Panzer tragen,
gerüstet also bis zum Kragen,
sind sie zu Land und in den Wellen
die denkbar friedlichsten Gesellen,
treuherzig, harmlos und naiv,
abwehrbereit und defensiv.
    Hier lässt sich wie in vielen Fällen
voll Schmerz und Wut die Frage stellen:
Wie kann der Mensch sich so oft irrn
mit seinem Maximalgehirn,
womit er Fluch und Tod anrichtet
und Streit beginnt, statt dass er schlichtet?
    Muss er denn nicht beschämt erröten
verglichen mit so dummen Kröten?