Sankt Bürokratius und die Lohnsteuerkarte
Ein junger Mann aus Frankenland
hier in Karlsruhe Arbeit fand,
beschloß, in Blankenloch zu wohnen.
Doch da er voller Illusionen
noch Pläne für die Zukunft stellt,
er hier nur Zweitwohnsitz anmeld´t.
Die Zeit vergeht, der Mensch sich wandelt,
der Papst ihm zu dogmatisch handelt,
dem Mann ist Gängelei ein Graus,
drum tritt er aus der Kirche aus.
Der Austritt, der geht ziemlich schnell,
am Hauptwohnsitz die richtig´ Stell´
benachrichtigt gleich die Behörden,
daß die Kartei´n geändert werden.
Gar bald ist das erledigt schon, –
doch Blankenloch weiß nichts davon.
Nach Jahren unser junger Mann
lacht sich ein goldig Mädchen an,
beschließt, nun seßhaft hier zu werden,
und geht auch gleich zu den Behörden.
Zum Hauptwohnsitz wird Blankenloch;
nun ist es gut – so glaubt er noch.
Doch nun kommt Bürokratius, –
und Ärger folgt ihm auf dem Fuß.
Als erstes fehlt die Steuerkart´.
Der Mann bis Mitt´ November wart´,
dann einen Brief ans Rathaus schreibt,
wo denn die Steuerkarte bleibt.
Nun dauert es zwei Tage, dann
kommt schon die Steuerkarte an,
doch eins erscheint dem Mann jetzt kömisch:
er ist nun wieder kirchlich-römisch.
Na gut, denkt er, es war´n zwei Tage,
da ist es sicher keine Frage,
daß dieses Amt genauso leicht
den Fehler von der Karte streicht.
Die Karte wird zurückgeschickt,
und da der Mann scheint´s durchgeblickt,
legt er ein Briefchen bei sodann,
wo man sich vergewissern kann,
daß er den Anspruch stellt zu Recht,
daß man die Karte andern möcht´.
Das geht ja telefonisch schnell,
die Korrektur folgt auf der Stell!.
So denkt er – doch nach sieben Tagen
schlägt ihm ein Briefchen auf den Magen.
Drin liegt die Karte – unverwandelt!
Man will, daß er noch einmal handelt;
Er soll ein Scheinchen bringen bei,
daß er auch ausgetreten sei.
Das heißt, er muß zum alten Wohnort,
muß laufen durch die Ämter dort,
bis man ihm ausstellt seinen Schein.
Soll das denn wirklich nötig sein?
Er glaubt es nicht, ruft noch mal an,
auf daß Vernunft sich breche Bahn.
Doch (m)ekert unser Bürokrat 1)
und gibt dem armen Mann den Rat,
den Schein zu holen; - und sagt frei,
daß es nicht seine Aufgab´ sei,
dem Bürger helfen schnell und gut.
(Das Opfer nun schon kocht vor Wut)
Der Mann ruft an im Heimatort,
er hat ja noch die Eltern dort,
die sollen ihm den Schrieb besorgen.
Doch bleibt ihm dabei nicht verborgen,
daß sie mit Ämtern nicht vertraut,
und ihm ist nicht wohl in der Haut.
Die Mutter geht aufs Amt sodann,
wo man erst gar nicht glauben kann,
daß man hier solchen Blödsinn macht.
Doch dann wird herzlich drob gelacht,
und die Behörden dort sind willig:
sie handeln schnell und sogar billig.
Das zeigt, daß es auch anders geht.
(In Franken andrer Wind wohl weht´?)
Der Mann – sein Schicksal scheint zu wenden
hält nächsten Tag den Schein in Händen,
geht gleichen Tags zum Amt sodann,
kommt auch nach kurzer Zeit schon dran;
wozu er Tage mußt´ sich sputen,
das dauert jetzt nur fünf Minuten:
Zwei Zeilen nur, ein Federstreich.
Da fragt man sich: "Warum nicht gleich?
War dieser Blödsinn echt vonnöten?"
Der Mann fühlt sich vom Pferd getreten.
Der Amtsschimmel der wiehert fröhlich,
Sankt Bürokratius ist selig,
der Bürger, wieder mal besiegt,
vom Staat die Nase voll so kriegt.
Geschehen in Stutensee-Blankenloch
im November 1979
1) Der Name des Beamten war Ekert.
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