NOCHMAL MÄNNERSACHE...ODER DOCH NICHT?


NOCHMAL MÄNNERSACHE...ODER DOCH NICHT?

Nochmal Männersache...oder doch nicht?

Als junge Frau habe ich einige Jahre als Fachkraft im Fotohandel gearbeitet. Das Geschäft gehörte zu einer großen deutschen Fotokette, und die gute Teamarbeit machte mir dort großen Spaß. Damals brummte der Umsatz recht ordentlich in diesem innovativen Fotobereich. Wir alle, meine Kollegen und ich, erhielten neben dem Festgehalt noch eine akzeptable Zusatzprovision auf unsere Verkäufe. Und das spornte an! Da das Geschäft mitten in der Fußgängerzone lag, war es auch immer sehr gut besucht.

Gerade im Weihnachtsgeschäft gab es viel zu tun, denn die Kunden drängten sich vor der Verkaufstheke, so dass wir alle fast im Laufschritt ständig Nachschub aus dem Lager holen mussten. Auch den weniger liquiden Kunden konnte sofort geholfen werden, da wir selbstverständlich auch eine Finanzierung anboten. Damals war die Mehrzahl unserer Kundschaft männlich. Die weiblichen Kunden kamen selten allein, sondern wurden oft von ihren persönlichen Beratern ihres Vertrauens begleitet.
In jenem Weihnachtsgeschäft war der Ablauf aber besonders spannend, denn die Geschäftsleitung hatte einen Umsatzwettbewerb ausgeschrieben, in dem die Filialmannschaft mit der größten Umsatzsteigerung  eine Afrikareise gewinnen sollte. Was für ein aussichtsreiches Abenteuer! War ich reisetechnisch doch noch nie weiter als bis zum Nord-Ostseekanal gekommen. Jetzt waren wir alle total aufgedreht, ja fast schon im Reisefieber, und gaben unser Bestes.

Mein Verkauf lief schon ganz gut an, als ein junges Kundenpaar auf mich zusteuerte. Der Herr interessierte sich für das Spitzenmodell einer Spiegelreflexausrüstung. Es war unser "Superweihnachtsset" in diesem Jahr und stand, als Blickfang von hellen Spots angestrahlt, mitten in unserem Schaufenster. Ich hatte es sogar selber noch schön mit Weihnachtskugeln und Kunsttannenzweigen dekoriert. Es beinhaltete, neben Gehäuse und Normalobjektiv, noch zwei  zusätzliche Tele- und WW-Objektive, Blitzgerät, Universaltasche, KB-Filme, Batterien und Fotogutscheine.
Selber von der guten Qualität überzeugt, fiel es mir deshalb auch nicht schwer, den Kunden ebenfalls für diesen tollen Artikel zu begeistern. Der Blick des Mannes sagte mir schon alles...diesen Blick kannte ich nur zu gut..aaah, kleine Herzchen flammten förmlich darin auf. Gleich würde er bestimmt sagen: "Ja, die Kamera kaufe ich."  Im Geiste hörte ich sogar schon die lobenden Worte meiner Kollegen...und Afrika rückte auch schon etwas näher an uns heran.

Doch die Dame machte mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.
Hatte sie doch vorher schon recht gelangweilt neben ihrem Gatten ausgeharrt, so erinnerte sie ihn jetzt eindringlich mit mahnender Stimme daran: "Das ist zu teuer! Wir wollten doch noch meine Stiefel kaufen!" 

Na, das hatte mir gerade noch gefehlt!  Diese Frau machte mir ja alles kaputt. Jetzt drückte ich dem Mann entschlossen die Kamera in die Hand, mein letzter Verkäufertrick. Er nahm die Kamera vorsichtig an sich, schaute durch den Sucher und drehte vorsichtig an dem Teleobjektiv, um die Schärfe einzustellen, denn den Autofocus gab es damals noch nicht. Endlich war der Kunde richtig verliebt in die schöne Kamera, stellte ich wohlgefällig fest, und wollte sein Baby auch gar nicht mehr loslassen. Fast hätte es auch geklappt, doch dann...NEIN!!!
"Bitte, bitte, lieber Schatz, Du hast mir doch die Stiefel versprochen!" erklang jetzt eine verzweifelte Frauenstimme. Ich war jetzt auch verzweifelt, denn der Schatz reichte mir spontan die Kamera zurück und bedankte sich bei mir für die Beratung. Dann verließen beide Hand in Hand den Laden.
Da hatte ich doch glatt vergessen unseren Finanzierungskauf anzubieten, die letzte Trumpfkarte in meiner Rolle. Doch die Begleiterin hatte mich total aus dem Konzept gebracht mit ihrem lästigen Stiefelwunsch.

Ich versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen, auch nicht, als mich mein Filialleiter mit hochgezogenen Augenbrauen fragend anschaute. Ein kurzes Schulterzucken war meine Antwort.

Doch das kleine Wunder geschah, denn die Kunden kamen nach einer Weile zu mir zurück. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, denn der Herr kaufte tatsächlich das Kameraset. Und seine Frau trug jetzt, richtig stolz, eine riesige Einkaufstüte mit der Aufschrift  BEICHMANN-SCHUHE  in der Hand. Offensichtlich hatte man hier einen guten Kompromiss gefunden. Und auf einmal fand ich die Dame dann doch noch recht sympathisch.
Ach ja, die schöne Keniareise hatte leider ein anderes Team gewonnen.

Rosi65


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Kommentare (7)

Rosi65

Vielen Dank an die 💗chen-Spender
Maultasche, Juttchen, ahle-koelsche-jung, nnamtor44 und Tulpenblüte13!
Das ist doch immer wieder richtig schön...

Herzlichen Gruß
    Rosi65

Tulpenbluete13

Liebe Rosi,

es ist immer schön, wenn man jemanden inspiriert oder inspiriert wird.....

durch Zufall habe ich heute deine hübsche Geschichte entdeckt.
Du hast sie ganz flüssig und spannend niedergeschrieben. Respekt!!!

Ja Du hast recht damals waren die Männer die Kamerakäufer. Ich hatte auch einen solchen..... Aber ich brauchte keine Stiefel und selbst wenn ich sie nötig gehabt hätte, hätte ich meiner Bitte unter 4 Augen vorgebracht..nämlich unter unseren eigenen...lach..

Schöner Beitrag hat mir gut gefallen.....

Lieben Gruß
Angelika

Rosi65

@Tulpenbluete13

Und ich habe mich über Deinen Beitrag sehr gefreut, liebe Angelika.
Gerne erinnere ich mich an diese Zeit, mit den vielen netten Stammkunden, die uns oft besuchten, nur um ein wenig zu plaudern. Manche von ihnen spendierten uns im Sommer sogar Eis. Aber das ist leider schon lange her.

Herzliche Grüße
     Rosi65

ahle-koelsche-jung

Ein Happy-End ohne Happy-End.

Prunkstück verkauft, aber nix mit Afrika. Schadem das wäre noch der Hammer gewesen.

Na vielleicht der Mann seine Beigleiterin extra zu Beichmann manövriert damit es nicht zu teuer wird und noch für die Kamera reicht. 😅

VG a-k-J

Rosi65

Das hast Du ganz wunderbar und treffend geschrieben, lieber ahle-koelsche-jung!
Ja, man sollte doch nie die Klugheit eines Mannes unterschätzen, besonders dann nicht, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat.😉

Herzlichen Gruß
     Rosi65

Christine62laechel


Liebe Rosi, wie gerne mag ich Geschichten, die gut enden! Ich dachte schon, die böse Dame lässt seinen Partner nicht mal einen Blick noch der schönen Kamera zuwerfen. Da war er also doch einigermassen selbständig, und er hatte einfach Geld genug, um auch noch seinen eigenen Traum zu erfüllen. Tja, seinerzeit sagte ich manchmal: Ein Mann hat schon immer Geld für Zigaretten, Alkohol, und Kraftstoff...
Da es hier aber, lange vor dem Valentinstag noch, die Rede über Liebe, Mögen, usw. ist - vielleicht fühlte er sich von dir so schön und nett bedient, dass er - um jeden Preis! - noch einmal deinen Stand besuchen wollte...? :)

Mit lieben Grüßen
Christine

 

Rosi65

Liebe Christine,

in diesem erwähnten Schuhladen habe ich natürlich auch schon eingekauft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Du diese Ladenkette kennst, denn sie ist für ihre preiswerten Schuhe sehr bekannt.

Vielleicht war es ja nur reiner Zufall, dass mein Kundenpaar dort die Damenstiefel gekauft hat. Doch damals hatte ich eine ganz andere Vermutung. Schließlich gab es schon immer ganz schlaue Männer.😂

Herzlichen Gruß
      Rosi
 


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