...oder das Alternativprogramm: Denkste!

Die Erfahrung, dass das Leben in anderer Art und Weise letztlich doch Regie führt, als wir es als konstruktiv denkende Menschen planen, ist ja nicht gerade eine umwerfende Weisheit. Die einzelnen Facetten sind jedoch sehr bunt.

Abiturzeugnisse. 23.10.1966. Da standen wir aufgereiht in unseren Tanzunterrichtsanzügen, oder gar vom Vater ausgeliehenen Jacketts, versehen mit der seinerzeit dominierenden Haarmähne und mussten uns salbungsvolle und wichtige Wichtigkeiten von der Schule des Lebens anhören. Wenn Mathematiklehrer philosophieren! Nichts war jedoch größer als der Wunsch: weg hier – Schule ade. Und kaum vom Schulhof, entflammte der innere Wunsch: Nie mehr werde ich diese Schule betreten – nie mehr.

Denkste – sagte das gelebte Leben im Einklang mit dem zwischenzeitlich an dieser Lehranstalt angemeldeten Sohn. Es war soweit – Elternabend. Ich begann, meinen Schwur zu brechen, fühlte mich aber durch Notwehr und eine gewisse Portion Neugier gerechtfertigt. Eingangstür: fast alles verändert, umgebaut, neu. Und da waren sie aber wieder, alle auf einamal: die Erinnerungen, die Bilder, das Treppenhaus, vor allen Dingen der Geruch – der Kleiderhaken, das Klassenzimmer. Hallo – zwanzig Jahre – zurück gebeamt? Fehlte nur noch: Hefte raus!

Was ich auf Grund meiner nicht gerade freundlichen Haltung zur Schule zunächst übersehen hatte, fiel mir aber beim Hinausgehen auf: Das gibt es doch nicht! An einer großen Wand im Treppenhaus war ein riesiges Mosaik eingelassen. Das Mosaik! Unser Mosaik! Mein Mosaik! Ich wurde ganz aufgeregt, nahm meinen Sohn am Arm und wurde wohl auch etwas laut: Da, guck mal, da unten links, das ist von mir, wirklich! Ungläubige Blicke – Papa? Geht`s dir gut?

Vor dem Mosaikbild stehend erklärte ich ihm, dass meine Klasse seinerzeit im Kunstunterricht mit “Rädchenmesser” und sonstigem Schneidewerkzeug ein Unterwassermosaik, also Wasser, Fische, Pflanzen, etc. hergestellt hatte. Und unten links – mein Bild, meine Farne, meine Fische.

Die einzelnen Bilder wurden offensichtlich später zusammen gefügt und sodann in die Wand eingelassen. Ich hatte so ein seltsames Gefühl – eine nicht zu beschreibende Mischung zwischen Stolz, Ablehnung, und Zeigen-Wollen. Aber: es war schön.

Interessant ist auch, dass der Sohn letztlich nach Abschluss der Schule, diese zwar nicht fluchtartig, womöglich aber mit ähnlichen Gefühlen verlassen hat.

Ob ich das wohl einem Enkel auch mal zeigen kann?


*Koperni-kuss*


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Kommentare (4)

ehemaliges Mitglied Eine schöne Geschichte, die du da erzählst Koperni-kuss. Kann ich nachempfinden,
denn das habe ich fast identisch auch erlebt. Von mir und meinen damaligen
Mitschülern standen da ein paar, vor Lichtjahren gefertigte Drechslerarbeiten,
hübsch anzusehen in einer Vitrine. Auch ich war damals voller zwiespältiger Gefühle.
Meine Tochter hat das zu dem Zeitpunkt wohl nicht verstanden. Wenn wir uns heute
darüber unterhalten sieht sie das mit ganz anderen Augen.

Einen schönen Abend wünscht Martin
tranquilla deine geschichte und bestärkte mich in meinem wunsch, für das nächste klassentreffen einen ""Schulbesuch" zu planen. einmal wieder die alte schule betreten und sehen, was sich alles verändert hat. sicher werden keine nachlässe von mir zu finden sein, aber erinnerungen - und das ist doch auch schon etwas.

danke für's bestärken
tranquilla
stefanie Ach,war das schön zu lesen! ich fühlte mich zurückversetzt bei einem ähnlichen Erlebnis als mein Enkel Abiturabschluß hatte.Ich hatte zwar kein Mosaikbild,um es ihm zu zeigen aber ich konnte mich nicht zurückhalten ihm zu erklären was sich geändert und was noch genau wie früher war. Danke für den schönen Bericht stefanie
ehemaliges Mitglied Du wirst es schneller erleben als du glaubst
und mir erst nach dem Tod meines Mannes klar geworden.
Wenn man in der Art wie du als Vorbild dienen kann,
ist mir um die Zukunft unsrer Enkel nicht bange.
"Jedes Kind hat ein Recht darauf, einen Vater zum Helden zu haben."
(Ist in keinster Weise ironisch gemeint und nicht von mir)
Was einer Ehe auch immer mpassiert,
wenn beide Eltern das hinbekommen,
werden Kinder ihren eigenen Wert dankbar zur Kenntnis nehmen.

Alwite





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