Nähe
….9 Monate, normalerweise, lebt ein Mensch im Leibe seiner Mutter, ein geradezu idealer Aufenthaltsort für das Embryo. Satt, warm, geschützt kann es sich auf die Zukunft vorbereiten, indem es etwas hört und viel spürt von dem, was die Mutter bewegt.
….In weiten Teilen Afrikas wird diese Periode noch verlängert, indem die Mutter ihr Kleinstes in einem Tuch (meist auf dem Rücken) trägt, was für sie schwierig werden kann, wenn sie schwer und dazu gebückt arbeitet. Aber das Verhältnis von Nähe und Abstand wird dadurch gewaltig verschoben: Sie können jetzt nicht nur sehen, hören und fühlen, was die Mutter freut und ängstigt, sondern sich zwischendurch aus eigener Kraft immer mehr von der Welt erobern, indem sie herumlaufen und immer neue Experimente machen können.
….Hast du einmal besonders Nähe gebraucht? Hast du sie bekommen? Hast du dich schon einmal durch zu viel Nähe eingeengt gefühlt? Konntest du Nähe geben? Hast du jemanden im Stich gelassen, der deine Nähe brauchte? Hast du umgekehrt Nähe gesucht? Und nicht bekommen?
Kommentare (8)
Nähe und Distanz ein großes Thema und ein weites Feld. Dass ein Kind Nähe braucht, um sich gut entwickeln zu können, weiß man.
Später ist es eher ein Austarieren, wie viel Nähe kann man zulassen, wann braucht es eher Distanz, beides kann sich abwechseln. Aber auch als erwachsener Mensch braucht man Nähe, man bekommt sie nur nicht immer so, wie man es sich wünschen würde. Wirklich Nähe zulassen kann man auch nur bei einem Menschen, dem man absolut vertraut. Denn um Nähe zulassen zu können, muss man sich öffnen. Sich öffnen bedeutet aber auch, sich verletzlich zu machen. Besonders braucht man sie wohl in schweren Zeiten oder in Zeiten, in denen man eher bedürftig ist. Die gibt es ja durchaus auch in einem Erwachsenenleben.
Wie würdest du, Christoph deine Fragen beantworten? Es interessiert mich.
Das Kind auf dem Rücken der Mutter sieht so glücklich aus. Einfach wunderbar.
Lieben Gruß
Brigitte
@Roxanna, ich kann mich nicht erinnern, je einen Kuss von meiner Mutter bekommen zu haben, und ich habe mich erst ein paar Wochen vor ihrem Tod mit 97 entschlossen, sie zu küssen. Es war eine harte Erziehung, aber so war sie eben, besonders , als Vater In Krieg und Gefangenschaft war.
Das kleine Mädchen ist meine Freundin Mbone aus Nairobi
@silesio
Ich bin mir nicht so sicher, ob es nur der Krieg war, der die Menschen so hart gemacht hat. War es nicht vielleicht auch früher gar nicht so üblich, dass man zu Kindern zärtlich war und ihnen Nähe und Geborgenheit gegeben hat. Sie hatten zu spuren und zu folgen. Wer machte sich damals schon Gedanken um Kinderseelen. Ich habe von meiner Mutter auch keine Zärtlichkeit und Nähe bekommen und schon gar nicht von meinem Vater. Das prägt und man muss ein wenig aufpassen, dass man nicht später in so eine "Bedürftigkeitsfalle" gerät, wo man Nähe bei einem Menschen sucht, der sich gar nicht geben kann oder will.
Deine Freundin Mbone ist ein ganz bezauberndes Kind. Hast du noch Kontakt zu ihr?
@Roxanna
Selten, Internet im Slum gibt es kaum, und die Mutter kann sich keinen Laptop leisten
"Nähe zu anderen" habe ich frühzeitig für mich entdeckt und genossen.
In der Familie meiner Schwiegereltern wurde viel umarmt, sogar geküsst, was sogar meine bis dahin eher rigide Mutter gerne mochte.
Im Verlauf des weiteren Lebens habe ich das "Umarmen" beibehalten, man kriegt schnell mit, wer das möchte und wer nicht.
Leider ist viel davon durch "Corona" verloren gegangen, nur die Familie hat es weiterhin gemacht.
Jetzt ist in meinen Augen die Zeit gekommen, das wieder für sich zu entdecken, ich habe schon angefangen und oft erstaunte Blicke registriert...
Aber Nähe muss man zulassen können, unabhängig von Liebesgefühlen !
Dabei stören nur schlechte Gerüche oder unappetitliches Aussehen oder - kommt auch vor - ein Zurückweichen, das zeigt, dass jemand das nicht möchte !
Aber insgesamt meine ich : man muss Nähe wagen !
@Meerjungfrau43
Ja, dann geht´s ans Eingemachte: Gerüche und anappetitliches Aussehen - für manche ein unüberwindliches Hindernis. Und doch sehnen sich oft gerade diese Alten und Kranken nach Nähe.
Ganz allgemein meine ich behaupten zu können: Das Bedürfnis nach Nähe ist viel grösser, als eingestanden wird
Ja, das glaube ich auch !
Deshalb habe ich - ohne Angst vor Zurückweisung - wieder angefangen, meine Mitbewohner(innen) hier im Betreuten Wohnen beim wöchentlichen Treff zum Kaffeetrinken zu umarmen !
Es geht eben nicht nur darum, das mit Leuten zu tun, die man kennt und mag ! Es ist auch ein "Vertrauensbeweis" bei Leuten, die ich nur kurz kennen gelernt habe, z.B. wie bei Seminaren, wo man ja auch auf völlig fremde Menschen traf !
Man kann es machen wie "Händeschütteln", einfach so, weil man das Gefühl hat, dass es erwünscht ist !
Natürlich würde ich da auch schon Unterschiede sehen, es muss schon eine besondere Situation sein.
Und für mich ist das frei von sexuellen Gefühlen !
@silesio
Ich glaube, dass Nähe ebenso wie Liebe ein Grundbedürfnis aller Menschen ist.
Wie nah mir Menschen kommen dürfen und wie nah ich ihnen sein kann, resultiert aus den Erfahrungen, die ich im Leben gemacht habe.
Ich habe Menschen kennengelernt, deren Bedürfnis nach Nähe im Alter größer wurde,
weil das Streben nach materiellen Dingen, Erfolg und Anerkennung kleiner wurde und so den Gefühlen mehr Raum blieb.
Andere, gerade alte Menschen konnten Nähe nicht zulassen, aus Angst lästig zu sein, sich schwach zu zeigen und ihre Hilflosigkeit sichtbar zu machen.
Ich glaube Nähe und Liebe sind untrennbar verknüpft.
Wenn ich mich geliebt fühle, so wie ich bin, kann ich Nähe zulassen und wenn ich die Menschen lieben und annehmen kann, so wie sie sind, sind auch unangenehme Gerüche oder ein ungepflegtes Äußeres kein Hindernis für mich Nähe zu schenken.
Letzteres mag für Manche wie eine sehr gewagte These klingen, es ist eine Beobachtung, die ich an mir selbst gemacht habe in der Zeit, in der ich in der Altenpflege tätig war.
Allen eine gute Woche mit hoffentlich so viel Nähe wie euch gut tut.
Lisa
P.S. Gedanken zu teilen ist für mich auch eine Form von Nähe, danke dafür.🌹