Meine Geburt

     Ich denke, also bin ich hat der berühmte Philosoph Cartesius einst ebenso scharfsinnig wie überzeugend formuliert. Ich, das namenlose Philosöfchen Christoforus, wage den Satz einmal umzudrehen: Ich lebe, also denke ich.
    Für mich besteht nicht der geringste Zweifel, dass ich schon damals, als ich das künstliche Licht dieser Welt erblickte, gedacht habe. Leider habe ich mir nichts davon gemerkt oder notiert.
    Ein paar Äußerlichkeiten habe ich später erfahren: Eine Woche früher als erwartet kam ich, eine Woche zu früh, am heiligen Abend 1934 zur Welt. Mit Müh und Not erreichten mein Vater der frisch gebackene dr. phil. mit den Fächern Griechisch, Latein, Englisch und Geschichte, und seine 14 Jahre jüngere Frau die Universitätsklinik in Breslau. Mein Kopf war zu groß für den engen Geburtskanal und durch die Strapazen des Ziehens und Stoßens schräg nach oben verformt.
    Mein Vater war unbeschreiblich stolz auf den Stammhalter. Als er mich aber zum ersten Mal sah, erklärte er ebenso brutal wie diplomatisch, eine Schönheit sei ich ja nun gerade nicht. Ohne Zweifel löste diese Aussage weder bei seiner Gattin noch bei mir übermäßige Freude aus. Da ich ja noch nicht sprechen konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als mir meinen Teil dabei zu denken.
    Den teilnahmsvollen Leser wird es nicht verwundern, dass ich Zeit meines Lebens ziemlich pessimistisch angehaucht war. Damals hat das Denken in mir angefangen, ausgelöst durch eine ironische Bemerkung. Niemals habe ich aufgehört zu denken, und wenn ich nicht gestorben bin, denke ich heute noch.