Meine erste Fahrstunde
Der größte Wunsch meiner Jugend war die Erlangung des Führerscheins zum schnellstmöglichen Zeitpunkt, damals also sofort nach meinem 18. Geburtstag. Ein in der damaligen Zeit für Mädchen nicht nur ungehöriger Wunsch, man fand eine solche Idee direkt anmaßend!
Zum Unterschied von heutigen jungen Leuten saß ich vorher nie am Steuer, was sich bereits nach den ersten Metern eigenen Fahrens stark auswirkte. Die Fahrschule logierte an einer Straßenecke und die zu ihr gehörenden Autos standen auf einem rechts, weiter unten befindlichen kleinen Parkplatz. Das heißt, man mußte nach Verlassen des Parkplatzes sofort rechts einbiegen. Horror!
Enorm aufgeregt, nahm ich in dem Opel Kadett Platz, ließ mir alles Wichtige zeigen und erklären, und machte meinen ersten Fahrversuch. In einer rasch aufeinander folgenden Mischung aus Starten und Absterben des Motors brachte ich den Wagen endlich zum Hoppeln.
Plötzlich bemerkte ich, daß die Theorie-Schüler sich gerade in diesem Moment aus der Fahrschule ins Freie ergossen, um die kurze Pause mit ein wenig Schwatzen und interessiertem Zusehen zu verbringen.
Mir wurde kalt und heiß; ich wäre doch so gerne gut gewesen. Die lehrreichen und beruhigenden Tipps meines Fahrlehrers nahm ich nur als weiteres Geräusch beim Schalten wahr. So passierte es, daß seine Füße fast auf den Hilfspedalen wohnten und ich völlig verwirrt wegen der plötzlichen, oft ruckartigen Bremsungen hinter dem Lenkrad saß. Ich verging fast vor Scham unter den amüsierten Blicken meiner Mitschüler.
Aber mein großer Moment sollte erst in der Kurve kommen. Ich hatte eingeschlagen und gab Gas. Plötzlich agierte mein durchaus belastbarer Fahrlehrer wie ein wild gewordener Oktopus. Seine Fänge tauchten auf einmal zwischen meinen Händen auf, zogen heftig am Lenkrad und stießen meine verkrampften und nicht loslassen wollenden einfach weg. Aber es war zu spät. Dank meiner Kombination aus zu engem Einschlag und zu viel Gas landeten wir neben der Straße auf einem erhöhten Straßenstreifen, der eigentlich nur den Bäumen zugedacht war. Zumindest schaffte es der Lehrer, das Auto etwa 5 cm vor dem sicher völlig geschockten Schattenspender zum Stehen zu bringen.
Mein Gesicht lief knallrot an, die Knie zitterten, Transpiration breitete sich aus und so schlug ich, ganz gegen meine Art, demütig die Augen nieder. Ich wollte auf keinen Fall auch nur mit einem der sich wahrscheinlich köstlich unterhaltenden Zuschauer, vielleicht auch Schenkelklopfer, Blickkontakt aufnehmen. Beim Sitzwechsel huschte ich schnell wie ein Eichhörnchen um das Auto herum und nahm stumm und ergeben neben meinem Retter Platz. Als er den Wagen im Retourgang wieder auf die Straße brachte und uns der Sichtweite der "bösen Buben" entzog (ich war, glaube ich mich zu erinnern, das einzige Mädchen im Kurs), durchflutete mich tiefe Dankbarkeit.
Von den Mitschülern wurde ich wegen dieses Vorfalles nie gehänselt, offensichtlich war ich nicht die Erste mit diesem Trick. Aber zu Anfang meiner Autofahrzeit kamen des Öfteren von völlig fremden Herren so Bemerkungen wie: "Des glaub i jetzt net, jetzt fahrn die Weiber a schon Auto", oder "Fraun ghörn in die Kuchl, net hinter´s Steuer".....
Als ich das erste Mal auf der Autobahn fahren mußte und von mir höhere Geschwindigkeit verlangt wurde, bekam ich ernsthaft Angst. In meinem leicht panischen Inneren war ich ganz sicher, freiwillig nie 100 Stundenkilometer zu fahren. Man muß allerdings berücksichtigen, welchen Lärm und welche Unruhe Autos früher bei höherem Tempo entwickelten; für einen Anfänger ein Höllenritt!
Aber "Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt"!
Tatsächlich bestand ich die Fahrprüfung 5 Tage nach meinem 18 Geburtstag und wurde eine leidenschaftliche und äußerst flotte Fahrerin - Letzteres bis heute.
Lydia
Kommentare (3)
Das kleine Malheur war vorhersehbar. Wieso beginnt die erste Fahrstunde eines völlig unerfahrenen Fahrschülers auch mitten in der Stadt? Warum nicht erstmal auf einem Übungsgelände, wo man in Ruhe alles erklärt bekommt und erste Versuche mit den Pedalen usw. machen kann?
Mir ging es ähnlich wie dir. Das nur zu deiner Information.
Liebe Grüße von Claudine
Meinen ersten (Motorrad-)Führerschein machte ich 1951 mit 15/16 Jahren. Als der Fahrlehrer die Fahrprüfung ankündigte, fragte er mich "Kannst du auch fahren?" Das war der praktiische Teil. Wir fuhren im Konvoy mit dem eigenen Gefährt.
Da gibt es sicher recht viele ganz drollige Geschichten, aber… mit dem Führerschein ist es wie bei den Wahlen: Mehrheit ist Mehrheit, demgemäß also „bestanden ist bestanden“!
Allzeit weiterhin gute Fahrt wünscht
Syrdal