Eine Art weiblicher Toilettefehler



Seinerzeit, als sich der Herbst oft stürmisch kalt und ungemütlich zeigte, einen in schlecht oder noch nicht  geheizten Zügen gelegentlich zum Zähneklappern brachte, und auch die saisonlosen Jeans bei Mädchen  nicht üblich waren, beginnt meine Geschichte.  

Ich wohnte noch bei den Eltern, hatte mich daher mehr oder weniger begeistert dem Diktat meiner Mutter zu fügen. Da sie auf meine Gesundheit bedacht war, fand ich eines Tages in meinem Kasten ein hässliches, oranges Ding, ähnlich den heutigen, über dem Knie endenden Leggings, allerdings mit einem neckischen Abschluß durch eine schmale Spitze am Bein.

Ein kühler Herbsttag - ich fand mich maßlos schön in meiner neuen mittelblauen Jacke mit Bindegürtel und einem taubengrauen engen Rock. Schon am Sprung nach draußen, winkte mir meine Mutter mit diesem orangen Unding und meinte, heute wäre der ideale Tag, es anzulegen und auszuführen. Diskussionen nützten nichts und außerdem blieb wenig Zeit, wenn ich meinen Zug noch erreichen wollte.

Alles ging gut, nur hatte ich ein wenig Zeit mit einem Fahrkollegen verplaudert, die mir nun am Weg in Wiens Innere Stadt fehlte. Ich verfiel in sanften Trab und erklomm fast pünktlich den Gehsteig vor meiner Arbeitsstelle. Irgendwie verfing sich der Schuh und ich stürzte, direkt vor den Fenstern eines gut besuchten Cafes halb auf die Straße und halb auf den Gehweg. D. h. der "Allerwerteste" lag auf der Straße und die orangen Beinchen zappelten vor den Augen der Frühstücker, die sich sehr interessiert zeigten.

Meine Wangen färbten sich in tiefes Tomatenrot, ich raffte mich und meine Habseligkeiten zusammen und flüchtete panisch in das Haustor. Kaum angekommen, ersuchte mich mein Chef, sofort in das vorgenannte Cafehaus namens "Arabia" (mit der wunderschönen, großen Auslage) zu gehen, da der Kaffee ausgegangen war. Ich nehme an, dass sich mein Tomatenrot nun in die Farbe unreifer Tomaten veränderte. Natürlich wollte ich nicht erklären, was passiert war, also gab es auch kein Pardon.

Mit gesenktem Blick betrat ich die Arabia und schlich zum Verkauspult. Plötzlich spürte ich einen kameradschaftlichen Schlag auf den Rücken, der Ober strahlte mich an und meinte, er hätte nicht gedacht, mich so schnell wiederzusehen, aber er freue sich darüber, wo wir ja jetzt fast intim wären.

Nie um eine Antwort verlegen, blieb dieser Moment wohl einer der wenigen Ausnahmen. Ich nickte verschämt, packte den frisch gemahlenen Kaffe und entfloh.
Meinem Arbeitsplatzt näherte ich mich die nächsten Wochen von einer anderen Seite.
 

Anzeige

Kommentare (2)

Rosi65

Frau Mutter kommt mir doch irgendwie bekannt vor..., liebe Keyly.😊
Doch ich hatte damals mehr Glück als Du, denn in meiner ersten Ausbildungszeit (handwerklicher Beruf) durften wir nur in langer Hose auf dem Arbeitsplatz erscheinen.
So sind mir ähnliche Peinlichkeiten wohl erspart geblieben.
Danke für den humorvollen Rückblick in Deine Jugendzeit.

Viele Grüße
  Rosi65

keyly

@Rosi65
Liebe Rosi!

Für Situationen, die eigentlich nicht passieren sollten, habe ich bis heute viel Talent. Glücklicherweise kann ich aber auch über mich selbst lachen, manche solcher Erinnerungen möchte ich keinesfalls missen.

Auch mein völlig verkümmerter Orientierungssinn hat mir schon sehr aufregende Stunden beschert.
Navis sollte man übrigens auch nicht immer trauen, zumindest nicht, wenn man die Einstellung des kürzesten Weges wählt. Aber wie wäre ich sonst mit dem sehr nieder gelegten Auto in ein so schönes, dicht bewaldetes Gebiet gekommen.  

Vielen Dank für deine netten Zeilen, die mich natürlich sehr freuen.
Herzliche Grüße   Lydia mit Amica (meine 13jährige Eurasierhündin)
 


Anzeige