Man darf doch wohl noch träumen, oder?
Natürlich hatten wir gebucht. Lange vorher schon, im letzten Herbst hörten wir von dieser Gegend! Wald und Feld und Fluss und Berge und Seen - Herz was willst du mehr? Und vor allem: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, heisst es nicht so in dem alten Sprichwort? Wir wollten eben zuerst »mahlen«, das heisst zuschlagen. Wobei »zuschlagen« nicht unbedingt wörlich zu nehmen ist, da wir gegen jede Gewalt sind!
Also ran ans Smartphone, den Vermieter kontaktiert und schon war das Ferienhaus für uns reserviert. Fotos hatten wir noch nicht gesehen von diesem Schmuckstück, aber wir waren so von der textlichen Ausarbeitung des Angebots fasziniert, dass wir unbesehen JA sagen mussten, es war wie ein geheimer Zwang!
Natürlich waren 30% des Preises vorab fällig, aber wirklich, ein Schnäppchen für uns Naturliebhaber. So etwas Wundervolles lässt man sich doch nicht entgehen, oder? So warteten wir voller Ungeduld und Spannung auf den Sommer. Jedem unserer Freunde, ob sie es nun hören wollten oder nicht, erzählten wir von diesem Feriendomizil, wir schwärmten regelrecht davon und nachts liefen unsere Träume schon parallel zueinander!
Und dann war es endlich soweit. Nach einer achtstündigen Autofahrt, kreuz-und lendenlahm, trafen wir am Ziel unserer monatelangen Träume ein. Gut, es war zwei Uhr nachts, stockdunkel, der Mond hatte sich vornehm hinter einigen dunklen Wolken verborgen und lugte nur gelegentlich dahinter hervor. Den Hausschlüssel fanden wir genau dort, wo der Vermieter, der inzwischen nach Gran Canaria geflogen war, ihn uns deklariert hatte: Im Regenfass hinter dem Haus. Sicher ein passables Versteck; leider hatte der gute Mann nicht bedacht, dass es inzwischen unvorhergesehen kräftig geregnet hatte und dieses Fass bis an den Rand gefüllt war.
Meine kleine Taschenlampe beleuchtete gerade einen Umkreis von 20 cm, es war schwierig, sich auf diesem Grundstück damit zurecht zufinden. Irgendwann, nach einer dreiviertel Stunde hatten wir es geschafft und konnten daran gehen, unser Gepäck auszuladen. Die Haustür war wohl ein wenig verzogen, es gelang uns dann aber doch mit vereinter Kraft, Zugang zu erzwingen. Gut, die Tür hatte ein wenig gelitten, sie war aus den Angeln geraten. Wir stellten die Tür einfach vor den Eingang. Ein Tisch als Stütze dahinter - und fertig war die Konstruktion! Ein bischen unbequem war es schon, jedes Mal den Tisch wegzuschieben, um die Tür zu öffnen - aber man gewöhnt sich an alles!
Wir suchten in der Dunkelheit einen Lichtschalter. Tasteten uns an den Wänden entlang - nichts. Die Taschenlampe hatte inzwischen ihren Geist aufgegeben und als Nichtraucher besaß ich auch kein Feuerzeug. Nach endlos langer Suche hörte ich einen Aufschrei: »Jaaa!«
Meine liebe Frau hatte etwas gefunden, Streichhölzer und einen Kerzenstummel! Welch eine Entdeckung. So musste sich Columbus gefühlt haben, als ihm die Eingeborenen entgegen kamen, denke ich. Ein Rundblick im Kerzenschein, uns beschlich ein tolles romantisches Gefühl, wir wurden ganz still und ließen uns auf die Sessel fallen, die hübsch mit weißen Tüchern abgedeckt, im großen Salon standen.
Um allerdings sofort wieder aufzuspringen, da die Sprungfedern der Sessel anscheinend noch vom Interieur des 18.Jahrhunderts stammten und mit wütenden Abwehraktionen auf unsere rückwärtigen Körperteile reagierten.
Erst einmal schlafen, die Anreise hatte uns ganz schön fertig gemacht. Wo sind die Schlafräume?
Oben, im Obergeschoss? Weit gefehlt. Nirgendwo ein Bett zu finden. Da lag ein Zettel auf dem Tisch, die Kerze geschnappt, was stand darauf?
»Die Betten stehen im Keller, Sie müssen sie nur aufstellen. Sie haben doch hoffentlich Bettzeug mitgebracht? Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit.«
Hatten wir nicht mitgebracht. Warum auch?
Also machten wir uns wieder auf den Weg nach unten.
»Autsch!« Verflixt, früher waren die Stufen auch fester, nehme ich an. Dafür hatte ich ein Stück vom Treppengeländer in der Hand.
Inzwischen war es Vier Uhr. Frauchen holte aus dem Verbandskasten ein Pflaster für meine Hand, um mich zu verarzten. Solch ein Splitter schmerzte doch ganz schön, besonders, wenn er mitten in die Hand eingedrungen ist.
Gab es hier denn kein Licht? Ich machte mich auf die Suche nach dem Schaltkasten. Weder Oben noch unten noch im Keller. Ratlos stand ich da und fluchte leise vor mich hin. Da fiel mein Blick auf die Kellertreppe. Und - welch ein Mirakel - da hing der Sicherungskasten unter dieser Treppe.
Es werde Licht! Woher kannte ich diesen Spruch? Egal, jedenfalls sahen wir hell und klar, wohin wir gelangt waren.
Ich erinnerte mich an einen Film, in dem eine alte Seefahrerspelunke vorkam. Dahin fühlten wir uns nun versetzt, jeden Moment konnte der alte einäugige Pirat hereinkommen, um uns sein Holzbein als Stoppschild vor die Nase zu halten. Nun gut, Piraten waren hier nicht zu sehen. Aber auch keinerlei Möglichkeiten, uns auszuruhen.
Wir schlichen nochmals vorsichtig die Treppe hinauf, dort musste doch etwas zu finden sein. Da - ein Türchen führte auf eine Veranda, sie klebte sozusagen wie ein Schwalbennest an der Mauer.
»Nein-Nie-mals!« Meine Frau weigerte sich, dieses baufällige Anhängsel zu betreten. Ich konnte sie verstehen, und so hatte ich jetzt auch einen Grund, es ebenfalls zu unterlassen! Also wieder den Rückweg antreten. Und dann, auf der Treppe, hatte ich eine glorreiche Idee: »Komm, mein Schatz«, sagte ich, »wir übernachten im Auto!«
Als wir so gegen zehn Uhr erwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel, wir fühlten uns wie durch den Fleischwolf gedreht. Mein Magen knurrte wie ein hungriger Bär. Danach gab es nur noch eines: Unsere Sachen eiligst wieder verstauen und diesen gastlichen Ort schnell und weit hinter uns zu lassen.
Aber früher war das Haus exclusiv ...
©by H.C.G.Lux
Kommentare (6)
Tulpenbluete13
Lieber Pan,
Du hast es geschafft.. Ich bin auf Deine Geschichte hereingefallen... weil ich so naiv bin und immer alles glaube...(was man mir erzählt-oder was geschrieben steht....??!!)
Aber die Geschichte hat mir gefallen, das Häuschen eher nicht.
Übrigens: Den Anbau hatte ich für ein Plumpsklo gehalten...nein doch nicht... fehlt ja das "Fall"-rohr..
Egal Du hast alles sehr glaubhaft geschildert und es hat mich sogar ein wenig gegruselt...
dankeschön für diese amüsanten Beitrag hier
lieben Gruß
Angelika
Pan
Danke, lieber Syrdal, manchmal gehen halt die Gäule mit mir durch!
Aber es hätte ja sein können, nicht? Dieses "Häuschen" in Riedenburg
verleitete mich dazu, "ihm" eine Erwähnung zu gönnen!
Der Eigentümer möge es mir verzeihen …
Ich grüße Dich,
Horst
Syrdal
So kanns gehen, wenn man auf wohlgeformte Worte hereinfällt,
aber hübsch ist diese Geschichte allemal
und dazu auch sehr fein erzählt...
Wilhelm Busch lässt seinen Tobias Knopp in solch einemFalle sagen:
„Mit Graus verließ er diesen Ort und begab sich weiter fort.“
Vorsichtig geworden grüßt mit einem abendlichen Schmunzler
Syrdal
So kanns gehen, wenn man auf wohlgeformte Worte hereinfällt,
aber hübsch ist diese Geschichte allemal
und dazu auch sehr fein erzählt...
Wilhelm Busch lässt seinen Tobias Knopp in solch einemFalle sagen:
„Mit Graus verließ er diesen Ort und begab sich weiter fort.“
Vorsichtig geworden grüßt mit einem abendlichen Schmunzler
Syrdal
Liebe Angelika - Ich bedanke mich für Deinen "Reinfall"!
Woraus man wieder lernen kann, dass nicht alles, was geschrieben steht, auf Wahrheit beruhen muss, nicht wahr?
Ich habe das Problem sehr, sehr oft: Wenn meine Fantasie mitspielt, glaubt ein jeder, ich hätte das erlebt. (kann manchmal sein, muss aber generell nicht!)
Solange diese fantasievollen Texte auf "meinem Mist wachsen", ist alles kein Problem.
Manch einer aber "schreibt nur ab" und täuscht damit alle Leser - das finde ich hässlich. (zumal man heute alles herausfinden kann!)
Jedenfalls sage ich erst mal Tschüss - bis zum nächsten Fall von "Rein",
Horst