Mäxchens Angst vorm Nikolaus


Mäxchens Angst vorm Nikolaus

 
Jeden Monat rufe ich meine Schwester in Bayern an. So auch am 1. Adventssonntag.
Statt meiner Schwester nahm jedoch ihr beinah siebenjähriger Enkel Max den Anruf entgegen. Die Oma sei beim Plätzchenbacken, erklärte er mir nach einer kurzen Begrüßung. Sie mache Spitzbuben, seine Lieblingsplätzchen, fuhr er fort.
„Spitzbuben für den Spitzbuben, stimmt’s?“, meinte ich scherzhaft. „Warst du auch immer schön brav, Max? Denn bald kommt der Nikolaus.“
„Ich will nicht, dass der Nikolaus kommt!“, antwortete er entschieden.
Auweia, dachte ich. Kein gutes Thema, als er nach einer kurzen Pause plötzlich drauflosquasselte. „Meinetwegen kann der Nikolaus im Himmel oben bleiben, wo er hingehört. Er hat nämlich null Ahnung von Kindern, weil er bestimmt selbst nie ein kleiner Junge war.“
„Soso“ staunte ich. Ehe ich weitersprechen konnte, verfiel Max in einem Redeschwall, der keine Unterbrechung duldete: „Dazu kommt noch, dass er nicht allein ist. Er hat den Knecht Ruprecht als Verstärkung dabei und vor dem habe ich echt Angst. Der Knecht Ruprecht ist bekannt dafür, dass er böse Kinder mit seiner Rute haut. Kinder schlagen ist gesetzlich streng verboten. Aber er darf das, hat mein Onkel gesagt. Und da kommt nicht einmal die Polizei und tut ihn einsperren ins Gefängnis. Mich wollte er auch schon bestrafen. Das war im letzten Winter, als ich noch klein war. Es hat aber nicht funktioniert. Ich bin ihm vorher entwischt und hab mich unter der Eckbank in der Küche versteckt.
„Und der Nikolaus?“, fragte ich. „Was hat der gemacht?“
„Der hat keinen Finger krumm gemacht, um mir zu helfen. Er stand nur da und hat gegrinst. Dabei wird ständig behauptet, dass der Nikolaus ein heiliger Mann ist, der alle Kinder liebt. Diesen Quatsch glaube ich nicht mehr! Ich bin doch nicht deppert! Seine Bischofsklamotten sind nur eine Tarnung. Darauf falle ich nicht mehr rein.“
„Echt jetzt!“, staunte ich.
Max wusste Bescheid. „So heilig wie der Nikolaus immer tut, ist er gar nicht. Und soll ich dir verraten, warum?“
„Ja, klar! Sag schon!“
„Das ganze Jahr über langweilt er sich im Himmel oben und er hat nichts Besseres zu tun, als mit seinem Fernglas herumzuhängen und auf die Erde runterzuschauen. So spioniert er die Kinder aus. Er schreibt jedes winzige Vergehen von uns in sein dickes Buch hinein und das zieht er dann aus seinem roten Mantel heraus und fängt an Stress zu machen.“
Ich hörte den Kleinen schlucken, wollte was sagen, kam aber wieder nicht zu Wort, weil Maxilein bereits fortfuhr: „Ho Ho Ho!“ Mal ehrlich! Kennst du jemand, der heut noch so grüßt? Heute sagt man Hey. Dann will er wissen: „Wart ihr auch alle brav?“ Dabei weiß er doch genau über jeden von uns Bescheid. Warum fragt er dann?“
„Keine Ahnung! Vielleicht ist das nur ein Test, ob du die Wahrheit sagst?“
„Die Wahrheit, hm? Jedes Kind macht einmal eine Dummheit! Niemand kommt perfekt auf die Welt. Nur meine kleine Schwester glaubt, sie ist ein Engel. Dabei räumt auch sie nie ihr Zimmer auf. Und sie petzt. Lügen kann sie auch schon ganz toll und wird nicht mal rot dabei. Meine Schwester wurde jedenfalls noch nie von ihnen bestraft. Das ist total ungerecht!“
„Hm, stimmt“, erwiderte ich nachdenklich.
Daraufhin meinte er: „Also, mich fragt ja keiner, aber nur mal angenommen, wenn mich einer fragen würde: Ich könnte gut auf den Krampus und den Nikolaus verzichten. Die haben eh nur Lebkuchen und Schoko-Nikoläuse im Sack. Die richtigen Geschenke bringt das Christkind.
Außerdem habe ich von Ostern noch den Osterhasen rumstehen und der Onkel Stefan habt mir gestern schon einen Milka-Nikolaus mitgebracht. Der reicht mir. Von zu vielen Süßigkeiten bekommt man schlechte Zähne, behaupten meine Eltern und ich muss sie dann ständig putzen.“
„Was, deine Eltern?“, lachte ich.
„Nö, die Zähne! So oft Zähneputzen ist pure Zeitverschwendung“, echauffierte er sich erneut. „Meine Milchzähne wackeln eh schon und fallen sowieso bald aus und dann kommt wenigstens die Zahnfee. Außerdem mag ich viel lieber Salzstangen und Leberwurst.“
„Ich auch“, antwortete ich. „Die beiden werden dir den Kopf schon nicht abreißen.“
„Hoffentlich tut mir der Knecht Ruprecht nichts“, sagte Max schließlich kleinlaut und fuhr fort, „Denn ich bin nicht wirklich brav, aber böse bin ich auch nicht wirklich. Brav sein ist langweilig und was für kleine Mädchen. Ich bin ein Bub und Buben…“
Da kam meine Schwester aus der Küche und nahm Max den Hörer ab. „Entschuldige bitte! Na du! Hast du dich in der Zwischenzeit mit dem Mäxchen gut unterhalten?“
„Ja“, lachte ich. „Unser Gespräch war äußerst amüsant und aufschlussreich. Er ist wohl ein rechter Spitzbub, scheint mir.“
„Oh ja, das ist er!!!

Bild aus dem Internet

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Kommentare (13)

Jutta

Liebe Irmina,

Eine wunderbare Geschichte - sie hätte gerne noch weitergehen können und ich denke, Mäxchen hätte auch noch einiges zu erzählen gehabt.

Ich erinnere mich, dass ich grossen Respekt vor dem Nikolaus hatte und dachte, wenn ich den Vers noch auswendig sagen kann, dann ist hoffentlich alles in Ordnung. 

Danke und liebe Grüsse
Jutta

Claudine

@Jutta

Kindermund tut Wahrheit kund, heißt es. Und Mäxchen ist wahrlich nicht auf den Mund gefallen. Es ist immer total lustig, wenn wir uns unterhalten. Zu Weihnachten wünscht er sich ein Handy. Viel zu früh, finde ich. Hoffentlich denkt das Christkind genausso, wie ich.

Danke, liebe Jutta für's Lesen und kommentieren. Ich wünsche Dir eine friedvolle Adventszeit.
Irmina
 

protes

irgendwie erinnert mich das an meine kindheit
 ich konnte den knecht ruprecht auch nicht leiden
allerdings kannte ich den nur aus der schule
da warf er getrocknete früchte aus dem sack auf ein ausgebreitetes tuch und jede der sich was davon holen wollte bekam die rute zu spüren .
meine mutti hat immer für nette nikoläuse gesorgt
und da ich schon klein ganz leicht gedichte behalten konnte (im gegensatz zu jetzt) konnte ich auch immer eines aufsagen .
lange her liebe Irmina
mir gefällt deine geschichte mit max sehr
liebe grüße
und schöne vorweihnachtszeithade

Claudine

@protes 

Lieber hade,
das ist ja schrecklich, was der Knecht Ruprecht damals mit Euch gemacht hat! Kein Wunder, wenn sich Kinder vor ihm fürchten. In Bayern haben wir schon gezittert, wenn wir sein Kettenrasseln in unserer Straße vernahmen, daran erinnere ich mich noch so gut, als sei es gestern gewesen.
Ich erinnere mich aber auch, dass ich vom Nikolaus damals die erste Orange meines Lebens geschenkt bekommen habe. Was für eine fremdartige Köstlichkeit!!!

Danke vielmals für Deinen Kommentar. Ich wünsche Dir eine schöne Adventszeit
Irmina

Claudine

Vielen Dank für die dagelassenen Herzli an Syrdal, ladybird, nnammtor44 und Ernest.
Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Ich wünsche Euch eine besinnliche Adventzeit und alles Gute
Irmina

ladybird

Liebe Claudine,
ich hätte gerne Mäxchen noch länger zugehört..
.er redete schon richtig klug,
wie schön, dass Du uns an diesem Vergnügen teilnehmen läßt....
besonders den Omas geht bei solchen Beiträgen das Herz immer auf.....
mit Dank und fröhlichem Gruß
ho-ho ho von ladybird
Advent 023.jpg

Claudine

@ladybird

Leider bin ich keine Oma. Deshalb freue ich mich immer, mit Mäxchen in Bayern zu plaudern. Er ist ein kluger, aufgeweckter kleiner Mann und es ist oft sooo lustig, wenn er mir aus seinen alltäglichen Kindernöten und Erfahrungen erzählt.

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass Dir meine Geschichte zum heutigen Nikolaustag gefallen hat.

Ho-ho-ho und eine wunderschöne Adventszeit nach Köln
Irmina
 

werderanerin

Wie herzerfrischend ehrlich Mäxchen doch war. Der Knabe gefällt mir.
Eine liebenswerte Erzählung, liebe Claudine

Kristine

Claudine

@werderanerin  

Danke für Deine Nachricht. Ich freue mich so, dass Dir meine kleine Nikolausgeschichte gefallen hat, liebe Kristine.

Mit Deinen Enkelkindern in der Weihnachtszeit erlebst Du solche Erlebnisse sicher häufiger. Geniese die Zeit mit ihnen in vollen Zügen. 

Eine frohe und stressfreie Adventszeit wünscht Dir und Deine Lieben
Irmina

Syrdal


Eine richtig hübsche Geschichte… Mäxchen könnte ich gewesen sein vor, naja vor ungefähr 77 Jahren…

...meint echt reumütig
Syrdal

Claudine

@Syrdal  

Mit Verlaub, lieber Syrdal, ich denke, Du warst ein wohlerzogener kleiner Junge, auf den seine Mama sehr stolz sein konnte.

Einen schönen Tag noch und herzliche Grüße
Irmina

Syrdal

@Claudine

Nun ja, das darf ich wohl bestätigen. Dennoch aber war ich mitunter auch ein kleiner verschmitzter Schalk, freilich ohne Frechheiten, was sich bis heute erhalten hat...

...gesteht
Syrdal  

Claudine

@Syrdal  

Kinder dürfen ja auch Kinder sein und dazu gehört nun mal auch der eine oder andere Schalk...
 


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