Lieber Leierkastenmann
Vater und Mutter wussten in mir das Heimweh zu schüren, zu bestärken. Heimweh nach Berlin, wo wir vor fünfundsechzig Jahren in den Westen auswanderten. Ahnten sie schon damals, dass ich irgendwann zurückkehren würde, wenn …
Ich hing an meiner Geburtsstadt, ich hielt in den Erinnerungen aus den dort gewachsenen vierzehn Jahren fest – und das honorierten die Eltern mit Büchern, Bildern, Fotos und Erzählungen. So blieb es ein Traum dorthin zurück zu kehren, ein lebendiger Traum: ich sog alles, was ich finden konnte in mich auf.
Für einen Berliner ist es nicht leicht, sich als solchen zu erkennen zu geben. Ich brauchte mich nicht zu verstellen, zu Hause durfte nicht „berlinert“ werden – das war später einmal sehr nützlich, dialektfrei gutes und gepflegtes Hochdeutsch nutzen zu können. Wenn ich aber am Telefon meinen Vater, den Erzieher hörte – am Telefon kristallisiert sich das Sprechen sauber heraus – dann kam der (geborene) Rixdorfer, also der Berliner deutlich heraus. Mein Sound hat doch von überall, wo ich längere Zeit war, etwas Färbung erfahren, eigentlich nicht gewollt. Wie „erschlug“ es mich fast bei einem Besuch in Berlin: „Na, Sie kommen doch aus dem Rheinland!“ – Hat das Bönnschen und Kölsche in so kurzer Zeit so abgefärbt? Ich wollte mich dagegen wehren – warum eigentlich?!
Ich wurde gestraft, wenn ich in Aufregung in das (doch versteckt schlummernde) Berlin-Brandenburgische verfiel: „Höre das Berlinern auf!“ Von da ab wurden andere Qualitäten, so die doch vorhanden waren, herab gewürdigt, abgesprochen. Ich wollte stolz sein, dass ich doch in „Preussischer" Umgebung aufgewachsen war – die Umgebung, die nach unserem Auswandern bis vor zwanzig Jahren von einem Vorbild mit breitem, gezwitschertem, „sächsischem“ Dialekt regiert und sprachlich auch eingefärbt wurde. Ich wollte eben die Wurzeln da an Dahme, Spree und Havel wieder mit reichlich Durchblutung frisch halten.
Als es wieder möglich war, mal rüber, mal nach Hause zu fahren, wenn sich die Gelegenheit bot, ich wechselte zu Besuchen „nach Hause“. Aber familiär (der eigenen) war nicht daran zu denken, zurück zu kehren. So blieb es bei Kauf von Berliner Stadtplänen, dem Schleichen durch bekannte oder irgendwann mal zu observierende Straßen und Stadtteile mit dem Bleistift. Als ich dann nur noch für mich ganz alleine zu sorgen und zu wohnen hatte – ich war zuletzt in Oberbayern aufgeschlagen – da kam mir das Internet zu Hilfe.
Ich korrespondierte mit einem Menschen aus Berlin. Es stellte sich heraus, dass dieses weibliche Wesen so gerade um die Ecke wohnte, wo einst meine Wiege (es war ein Körbchen!) stand. Bald war ein Treffen in Berlin vereinbart. Erst wetze ich einen Tag zu früh zum Bahnhof, merke das aber noch bevor ich in den Zug klettern kann. Dann, am richtigen Reisetag, liegt mein Handy oben in der Gepäckablage, sein Plärren kann ich nicht hören, man ist eine Stunde zu früh am Zielbahnhof.
Das Handy half dann die Anleitung zur notwendigen Haltestelle durchzugeben. Das war vor zweieinhalb Jahren. Ich war in Berlin angekommen, war dann ständig zu Besuch (und Gegenbesuche folgten daraus), bis die Wohnungsgenossenschaft, als wir zusammen in Oberbayern die Welt der Bayern besuchten, um Rückruf bat, ein passendes Objekt für mich, in der Nähe der Partnerin, groß genug und preiswert feil bot.
Uns geht es wie der ehemaligen Bambergerin, die nun nach Fehmarn umsiedelt: man muss einen Glauben an das Gelingen eines Herzenswunsches haben – meiner ist „Ich will nach Hause!“ Und …
Ich packe! Die momentane kurze Pause bei ST sei mir gegönnt.
Das Bild, Opa und Oma in Berlin-Karlshorst, beweist, dass ich ein geborener Berliner bin.
ortwin
Ich hing an meiner Geburtsstadt, ich hielt in den Erinnerungen aus den dort gewachsenen vierzehn Jahren fest – und das honorierten die Eltern mit Büchern, Bildern, Fotos und Erzählungen. So blieb es ein Traum dorthin zurück zu kehren, ein lebendiger Traum: ich sog alles, was ich finden konnte in mich auf.
Für einen Berliner ist es nicht leicht, sich als solchen zu erkennen zu geben. Ich brauchte mich nicht zu verstellen, zu Hause durfte nicht „berlinert“ werden – das war später einmal sehr nützlich, dialektfrei gutes und gepflegtes Hochdeutsch nutzen zu können. Wenn ich aber am Telefon meinen Vater, den Erzieher hörte – am Telefon kristallisiert sich das Sprechen sauber heraus – dann kam der (geborene) Rixdorfer, also der Berliner deutlich heraus. Mein Sound hat doch von überall, wo ich längere Zeit war, etwas Färbung erfahren, eigentlich nicht gewollt. Wie „erschlug“ es mich fast bei einem Besuch in Berlin: „Na, Sie kommen doch aus dem Rheinland!“ – Hat das Bönnschen und Kölsche in so kurzer Zeit so abgefärbt? Ich wollte mich dagegen wehren – warum eigentlich?!
Ich wurde gestraft, wenn ich in Aufregung in das (doch versteckt schlummernde) Berlin-Brandenburgische verfiel: „Höre das Berlinern auf!“ Von da ab wurden andere Qualitäten, so die doch vorhanden waren, herab gewürdigt, abgesprochen. Ich wollte stolz sein, dass ich doch in „Preussischer" Umgebung aufgewachsen war – die Umgebung, die nach unserem Auswandern bis vor zwanzig Jahren von einem Vorbild mit breitem, gezwitschertem, „sächsischem“ Dialekt regiert und sprachlich auch eingefärbt wurde. Ich wollte eben die Wurzeln da an Dahme, Spree und Havel wieder mit reichlich Durchblutung frisch halten.
Als es wieder möglich war, mal rüber, mal nach Hause zu fahren, wenn sich die Gelegenheit bot, ich wechselte zu Besuchen „nach Hause“. Aber familiär (der eigenen) war nicht daran zu denken, zurück zu kehren. So blieb es bei Kauf von Berliner Stadtplänen, dem Schleichen durch bekannte oder irgendwann mal zu observierende Straßen und Stadtteile mit dem Bleistift. Als ich dann nur noch für mich ganz alleine zu sorgen und zu wohnen hatte – ich war zuletzt in Oberbayern aufgeschlagen – da kam mir das Internet zu Hilfe.
Ich korrespondierte mit einem Menschen aus Berlin. Es stellte sich heraus, dass dieses weibliche Wesen so gerade um die Ecke wohnte, wo einst meine Wiege (es war ein Körbchen!) stand. Bald war ein Treffen in Berlin vereinbart. Erst wetze ich einen Tag zu früh zum Bahnhof, merke das aber noch bevor ich in den Zug klettern kann. Dann, am richtigen Reisetag, liegt mein Handy oben in der Gepäckablage, sein Plärren kann ich nicht hören, man ist eine Stunde zu früh am Zielbahnhof.
Das Handy half dann die Anleitung zur notwendigen Haltestelle durchzugeben. Das war vor zweieinhalb Jahren. Ich war in Berlin angekommen, war dann ständig zu Besuch (und Gegenbesuche folgten daraus), bis die Wohnungsgenossenschaft, als wir zusammen in Oberbayern die Welt der Bayern besuchten, um Rückruf bat, ein passendes Objekt für mich, in der Nähe der Partnerin, groß genug und preiswert feil bot.
Uns geht es wie der ehemaligen Bambergerin, die nun nach Fehmarn umsiedelt: man muss einen Glauben an das Gelingen eines Herzenswunsches haben – meiner ist „Ich will nach Hause!“ Und …
Ich packe! Die momentane kurze Pause bei ST sei mir gegönnt.
Das Bild, Opa und Oma in Berlin-Karlshorst, beweist, dass ich ein geborener Berliner bin.
ortwin
Kommentare (4)
ortwin
da ist - ganz nebenbei bemerkt - ein Menschlein mit einer so schönen Heimat-Aussprache heimgegangen: Frau Hannelore Schmidt; ihr so brilliant ausgessssprochenes Hamburgisch, das sich nicht hinter den Hannöverschen SSSpitzen verstecken musste. Ich habe sie in ihrer Art verehrt.
Und als wir im Juni in Hamburch woaren, konnten wir uns erneut begeistern, waren nur eben traurig, dass die Zeit zu knapp war.
Aber eigentlich sollte man immer des Anderen Sprache und Dialekt achten und ehren, zeigen sie uns ein Stück Landschaft, ihre Kultur und Lebenseigentümlichkeit an, die sich in den Jahrtausenden geformt, gebildet haben.
ortwin
Und als wir im Juni in Hamburch woaren, konnten wir uns erneut begeistern, waren nur eben traurig, dass die Zeit zu knapp war.
Aber eigentlich sollte man immer des Anderen Sprache und Dialekt achten und ehren, zeigen sie uns ein Stück Landschaft, ihre Kultur und Lebenseigentümlichkeit an, die sich in den Jahrtausenden geformt, gebildet haben.
ortwin
paddel
...... als gebürtiger Hamburger sehr.
Freche Schnautze, aber auch ein bischen mürrisch...
Der Leierkastenmann war hier ebenso verbreitet wie in Berlin.
Auch ich bin in meiner heimatlichen Sprache aufgewachsen
und kann mir keine schönere Stadt als Hamburg vorstellen.
So ist es... die Heimat ruft mich immer wieder zurück.
Gruß paddel.
Freche Schnautze, aber auch ein bischen mürrisch...
Der Leierkastenmann war hier ebenso verbreitet wie in Berlin.
Auch ich bin in meiner heimatlichen Sprache aufgewachsen
und kann mir keine schönere Stadt als Hamburg vorstellen.
So ist es... die Heimat ruft mich immer wieder zurück.
Gruß paddel.
Sasskia
Ich kann dich sehr gut verstehen. Ich selber weiß wie sich Heimweh anfühlt.
Auch ich kenne die Sache mit dem Dialekt. Als Schwäbin in NRW muss man sich schon bemühen Hochdeutsch zu reden, sonst verhungerst du hier. Man wird einfach nicht verstanden.
Du hast so lange auf deinen Herzenswunsch, nach Berlin zurückzukehren, hin gearbeitet, das ich dir von ganzem Herzen wünsche, das du nun zur Ruhe kommst und glücklich wirst.
Liebe Grüße Sasskia
Auch ich kenne die Sache mit dem Dialekt. Als Schwäbin in NRW muss man sich schon bemühen Hochdeutsch zu reden, sonst verhungerst du hier. Man wird einfach nicht verstanden.
Du hast so lange auf deinen Herzenswunsch, nach Berlin zurückzukehren, hin gearbeitet, das ich dir von ganzem Herzen wünsche, das du nun zur Ruhe kommst und glücklich wirst.
Liebe Grüße Sasskia
Viele Gruesse Padi