Klagen
….Klagen ist so alt wie die Menschheit, und besonders gern wechselseitig: Adam klagt über Eva, Eva über die Schlange. Gott klagt über die Menschen, die Menschen über Gott. Die Alten über die Jungen, besonders deren Faulheit (schon von den alten Ägyptern und Griechen bekannt), die Schüler über die Lehrer. Die Autofahrer über die Radfahrer, die Kunden über den Supermarkt, die Hausbesitzer über die Handwerker, die Deutschen über die Italiener usw. usf.
….Klagen scheint ein tiefsitzendes Bedürfnis zu sein, es tut gut, es beruhigt die Nerven, es kostet nichts, man hat einen Schuldigen gefunden, man fühlt sich hinterher besser, obwohl der praktische Nutzen meist gering ist.
….Klagst du manchmal? Worüber klagst du? Hört man dir zu? Fühlst du dich hinterher erleichtert? Wem klagst du dein Leid? Hörst du dir die Klagen anderer an? Wie reagierst du auf Klagen?
Kommentare (11)
Für diese ebenso klugen wie verständnisvollen Worte, liebe @Lisa Kestler, ein kurze, aber kräftige Umarmung!
Es gibt ein Klagen, das eher ein Anklagen ist. Damit begibt man sich in die Opferposition und schiebt die Schuld für den status quo auf andere. Diese Haltung ist wenig fruchtbringend.
Dann aber gibt es das Klagen, das eher ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht ist, wie an der Jerusalemer Klagemauer oder in den biblischen Klageliedern. Das ist dann keine Weinerlichkeit, sondern man klagt über die eigene Überforderung, angesichts der Widersprüchlichkeiten dieser Welt. Damit kann, glaube ich, jeder Mensch etwas anfangen, es sei denn, man wähnt sich besser und souveräner als alle Mitmenschen. In diese Art von Klage kann ich durchaus einstimmen und mich mit dem/der Klagenden solidarisch zeigen, nach dem Motto: Ja, das ist dumm gelaufen / das ist tragisch. Es ist ein Klagen, das zum Mitfühlen und zur Mitmenschlichkeit einlädt.
@Sandra1975
Wieder einmal trefflich klassifiziert, was ohne Zweifel eine besondere Gabe von dir ist.
Allerdings holst du oft sehr weit aus dabei
@silesio
Oh, danke.
Ich hole gerne aus, da ich finde, dass das Schreiben genau dazu da ist (ausser bei SMS, WhatsApp und Ähnlichem).
Viele Grüsse
Guten Morgen,
klagen hat in unserer Gesellschaft leider einen negativen Touch bekommen.
Das Leben soll finanziell abgesichert, bunt, erlebnisreich, unproblematisch usw. sein.
Ich mag mich irren, aber ich habe den Eindruck, dass wir zunehmend auf uns und unsere persönlichen Interessen fokussiert sind, was stört soll ausgeblendet werden. Positives Denken heißt das Schlagwort. Das mag grundsätzlich nicht verkehrt sein,
aber nicht alles lässt sich gut denken.
Ich fände es unmenschlich, den Verlust eines geliebten Menschen nicht beklagen, über persönliche Schicksalsschläge oder Schmerzen nicht wehklagen zu dürfen. Ich denke, es darf und soll geklagt werden, bei wem und wo ist entscheidend!
„Gute Freunde“, die dafür kein Verständnis haben, sind keine wirklichen Freunde.
Ein tröstliches Wort und eine Umarmung sind von großem Nutzen. Warum sollte, was bei Kindern so wichtig ist, um ihre Resilienz zu fördern, für Erwachsene nicht gelten?
Lg. Lisa 🌞