Ich
Im Spiegel seh ich mein Gesicht,
doch wer und was dahinter steckt,
bleibt unergründlich tief verdeckt.
HART bin ich, doch am Ende LIEB,
ein intellektueller Typ,
der vorwärts, aufwärts, rückwärts denkt,
den Blick in andre Sphären lenkt.
Mag sein, dies ist nur Wunsch und Wahn,
denn innen brodelt ein Vulkan,
der unvermutet jeder Zeit
verheerend heiße Lava speit,
die alles, was mich hält und trägt,
im Nu verändert und zerschlägt.
Ein ernster Mensch, der gerne lacht,
mein Wort ist klar, mein Tun durchdacht.
Nicht viel besitzend, aber reich,
verfolgt von Zweifeln, fromm zugleich.
Von Gegensätzen angelockt,
von kleinlichem Gezänk geschockt.
Mein Wunsch, das Ungereimte reimen,
Zerbrochenes zusammenleimen,
den Sprung ins Ungewisse wagen,
um dem Geheimnis nachzujagen
und irgendwann, entspannt und froh
auch anzukommen – irgendwo.
Kommentare (22)
@Tulpenbluete13
Deine positiven Eindrücke von meinen Gedankenpurzelbäumen haben mich erfreut.
Gleich werde ich abgeholt zum Gottesdienst in der hiesigen anglikanischen Kirche.
Auch dir einen erholsamen Sonntag
Christoph
@silesio
danke, für dein wunderbares Gedicht. Ich habe mal eine Geschichte über den Satz: "Wer bin ich? "Ich bin ich." geschrieben. Die schicke ich dir mal zu, darüber gibt es von mir auch ein Textlein.
Liebe Grüße
Heidi
@silesio
Hier kommt meine sein-Geschichte zu dir.
Ich hoffe, sie gefällt dir und du verstehst sie auch. Ich habe sie als 16 jähriges Mädchen geschrieben an dem Tag bevor ich in die Jugendpsychiatrie musste nach Tübingen. Die Frau in der Geschichte ist meine damalige Englischlehrerin, in die ich damals verliebt war. Das ist eine sehr berührende und psychotische Geschichte, oder?
Liebe Grüße
Heidi
Das Sein 5.12.1988
Sie saß ihm gegenüber. Ihre braunen Augen starrten ihn unverwandt an. Sie lieben sich platonisch. Er erwiderte ihren Blick. Er beherrschte sie mit seinen stahlblauen Augen. Trotzdem übte er keine Gewalt aus. Sie belauerten sich wie zwei Wildkatzen, die auf den Zeitpunkt warten, an dem sie zu dem Sprung auf ihre Beute ansetzen könnten. Der Zeitpunkt ist da.
Er sagt zu ihr: „Steh` auf.“ Laute, aggressive Musik tönt aus den Lautsprechern im Raum. Grell schießt die Neonlampe ihre Blitze durch das Zimmer. Der Boden ist bedeckt mit einem weißen, flauschigen Teppich. Er steht vor ihr. Ihre Blicke baden ineinander. Seine Hand öffnet die Knöpfe ihres Kleides. Er streift es von ihren Schultern. Sie lächelt. Das Kleid raschelt, es fällt zu Boden. Sie steht nackt vor ihm. Jetzt schließt er die Augen. Auch er zieht sich aus. Dann: seine Hände berühren sie zärtlich und sie genießen das weiche, lebendige Fleisch. Sein Atem von seinem Mund streift ihr Gesicht. Warm und fest ruhen ihre Lippen aufeinander. Sie stehen eng umschlungen. Dann ein Ruck, eine Bewegung. Der Bann ist gebrochen. Er führt sie sanft. Ihre Hände umschließen sich. Im Bett. Dunkelheit. Sie liegen nebeneinander. Tränenströme rinnen aus ihren Augen. Er streichelt sie und küsst ihre Tränen von den Augen.
Dann: ihre beiden Körper sind fest aneinandergepreßt. Jetzt. Erschöpftes Atmen. Gelöste Vergangenheit. Taumelnde Gegenwart. Feste Zukunft. Licht bricht herein. Er steht auf. Er zieht sich an. Der Morgen ist frisch und klar. Das Meer draußen brandet an die Klippen. Möwen kreischen laut. Er sieht den Horizont. Sein Blick weitet sich. Er sagt zu ihr: „Ich bin ich. Wer bin ich?“
(Heidi Grünwedl)
@Heidi Grünwedl
Es klingt ja beinahe, als erzähltest du eine wahre Geschichte. Wie auch immer, berührend durch die vielen Beobachtungen nebenbei.
Danke für dein Vertrauen
Christoph
@silesio ja, ich schreibe als verliebte Seele. Damals war ich schwer in diese Lehrerin verliebt und ich habe stahlharte blaue Augen, wie der Mann in der Geschichte, er soll mein männlicher Part darstellen.
Liebe Grüße
Heidi
@Heidi Grünwedl
Du scheinst ja auch - wie ich - immer und viel zu schreiben.
Denn du hast offensichtlich auch festgestellt: Das ist ein wunderbarer Zeitvertreib.
Einen ungestörten Sonntag
Christoph
@silesio
ja schreiben ist für mich auch ein wunderbarer Zeitvertreib gegen die Langeweile. Und die habe ich ziemlich oft. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Auf gutes Schreiben, ich wünsche dir viele Einfälle.
Liebe Grüße
Heidi
So viel Wesentliches über dich selbst,
selbstbewusst und selbstkritisch zugleich,
in kompakter Kürze zum Ausdruck gebracht,
und das auch noch gereimt!
Respekt! Gefällt mir sehr.
...mein Wunsch, das Ungereimte reimen…
Das ist immer noch ein Spannungsfeld für mich.
Wieviel kann und will ich im Leben in Harmonie bringen, und was darf, kann und soll ungereimt bleiben?
liebe Grüße
WurzelFluegel
@WurzelFluegel
Es scheint Gebiete zu geben, auf denen wir zuähnlichen Schlussfolgerungen kommen und
das freut mich,
silesio
💥 Der Mensch ist nicht auf der Welt alles zu wissen.
Auf gehts zur ewigen Suche.
Ich meine der Spiegel zeigt Dir Dein wahres Gesicht.
Steckt in jeder Falten nicht ein Stückchen Wahrheit,
ein Stückchen Erkenntnis.
Dann geh ich mal suchen......
Mal sehen , was ich heute finde.
Gruß
Distel1fink7
@Distel1fink7
Viel Erfolg bei deiner Suche.
Berichte mir und uns auf jeden Fall, wenn du das große Glück gefunden hast! Wo? Wie?
@silesio
Guten Abend silesio,
ach großes Glück, ich bin schon mit etwas zufrieden.
Ein bisschen ist doch schon jeder neuer Tag.
Ich sag Dank.
Distel1fink7
@Distel1fink7
Ein bisschen zufrieden, bemerkst du bescheiden.
Und es ist doch so viel, jedenfalls eine feste Grundlage gegen viele Angriffe, die von außen kommen
Wer bin ich? Ach, ich weiß es nicht.
Im Spiegel seh ich mein Gesicht,
doch wer und was dahinter steckt,
bleibt unergründlich tief verdeckt.
Besser könnte ich es nicht ausdrücken. Man bleibt sich selbst auch immer ein Geheimnis, kennt auch von sich selbst nur Facetten. Ist es überhaupt möglich bis auf den eigenen "Urgrund" zu kommen, wenn es ihn denn überhaupt gibt. Schon ein gutes Stück vorangekommen in der Selbsterkenntnis im Laufe des Lebens, bin ich aber noch lange nicht angekommen und viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Schade eigentlich.
Lieben Gruß
Brigitte
@Roxanna
Für mich das Spannendste im Leben zweierlei: 1) die schöne, schreckliche, spannende Außenwelt zu entdecken, 2) die schöne, schreckliche, spannende Innenwelt zu entdecken
Soweit ich dich kenne, bist du es auch wirklich du, Christoph. Vielleicht nicht alle Nachteile aufgezählt... 👹 Wenn aber immer von einem Vorteil begleitet, na ja.
@Christine62laechel, du sprichst wieder einmal wie die Pythia in Delphi, wo je erst immer ein Priesterkollegium herausfinden musste, was sie eigentlich meinte.
Aber danke für deinen kurzen, aber tiefsinnigen Beitrag
@silesio
Oh, bitte... Meine eigene Meinung kann ich mir doch noch leisten. Ein Priesterkollegium! 😁
@Christine62laechel
Wirklich, in deinem Alter kannst du dir alles leisten und - es wird dir verziehen!
@silesio
Wird mir wirklich alles verziehen?
Das Wissen könnte mich zu einem wahren Unhold werden lassen
@silesio
Erst jetzt habe ich deinen Kommentar entdeckt, Christoph. :) Nicht dir, sondern mir wird alles verziehen. Das sind deinen eigenen Worte, siehe oben.
Na ja, dir auch. 😊
Hallo Christoph
Wer nicht wie du in Frage stellt
der ist verkehrt auf dieser Welt
manchmal gibt es die Antwort vor der Frage
ist das das Ende aller Tage????
Dein Gedicht hat mich sehr beindruckt....Deine Gedanken purzeln nur so in Reinem in das Gedicht???!!
Mit sonntäglichen Grüßen
Angelika