Ich war der Mutter Vertrauter.
Als der Vater in den Krieg zog, verloren wir unseren Lehrmeister, konnte er doch bei aller Strenge uns die Augen öffnen, die Welt zu erleben, zu begreifen. Ein harter Schnitt für uns Kinder, aber auch für Mutter. Sechs bittere Jahre und dann noch einmal vier dazu, bis die Familie wieder eine Einheit war.
Als der Vater in den Krieg zog, ernannte Mutter mich zum Stellvertreter, mich, einen noch minderjährigen Kronprinzen. Ich nahm manches an, ohne es wirklich zu begreifen, zu verinnerlichen, aber wenigstens der Mutter eine (seelische) Stütze zu sein. Daher wohl auch die Anhänglichkeit noch heute.
Eines hatte ich mir sehr gemerkt: als der Vater wieder im Haushalt für immer präsent war, zwischen ihm und seinem "Ältesten", der ich nun war, es auch zu Reibereien kam, ich also meinen Posten kampflos räumen sollte, da nahm mich Mutter beiseite: "Auch ich muss meine Elenbogen wieder abgeben". Sie war so klug, sie ordnete sich unter. Sie war in allem die Diplomatin, die ihm die Federn am Hut ließ. eben mit viel Geschick den Alltag lenkte. Und so nach und nach gestand der Vater ein, wo er doch auch seine Pfeile entgiften musste.
Kürzlich schrieb mir mein Vetter, ein paar Jährchen älter als ich, dass der Vater in einem Gespräch mit seiner Mutter, meiner Großmutter, das er so nebenher mitbekam, ich doch unbedingt härter angefasst werden müssten. Das höre ich heute, und war das wirklich notwendig, ich stand doch der Mutter bei. Beim Lesen der Eltern Briefe aus dieser Zeit sind seine "Erzieherischen Anleitungen" zu lesen - und Mutter? Sie hat sich nicht beirren lassen, führte uns in liebevoller Weise, gab das eine und andere auf ihre Art und Weise weiter - kein Befehl, sondern einfache Anfragen und mögliche Bitten. Wer spurte da nicht von ganz alleine?! Wir waren Kinder.
Ich würde mich zu gerne zu meinem Vater setzen, mit ihm diskutieren über Gott und die Welt - viel zu selten war es dazu gekommen. Ich würde Mutter gerne das eine und andere erzählen - dreizehn Jahre nach Vaters Tod folgte sie ihm, schaffte mit ihrer Kraft nicht mehr das Jubiläum der Hundert, es fehlte doch nicht mehr viel - sie war müde geworden.
Man verpasst zu vieles, merkt es erst, wenn etwas unabänderlich geworden ist. Wie schön, dass wir glauben dürfen, dass es ein Leben danach gibt, dann sehe ich die Beiden wieder.
Sie haben sich zum Abgang Zeit gelassen, nun nehme ich mir dazu auch soviel Zeit, Zeit für einen lieben Menschen, der mit mir so gerne steinalt werden möchte.
ortwin
Als der Vater in den Krieg zog, ernannte Mutter mich zum Stellvertreter, mich, einen noch minderjährigen Kronprinzen. Ich nahm manches an, ohne es wirklich zu begreifen, zu verinnerlichen, aber wenigstens der Mutter eine (seelische) Stütze zu sein. Daher wohl auch die Anhänglichkeit noch heute.
Eines hatte ich mir sehr gemerkt: als der Vater wieder im Haushalt für immer präsent war, zwischen ihm und seinem "Ältesten", der ich nun war, es auch zu Reibereien kam, ich also meinen Posten kampflos räumen sollte, da nahm mich Mutter beiseite: "Auch ich muss meine Elenbogen wieder abgeben". Sie war so klug, sie ordnete sich unter. Sie war in allem die Diplomatin, die ihm die Federn am Hut ließ. eben mit viel Geschick den Alltag lenkte. Und so nach und nach gestand der Vater ein, wo er doch auch seine Pfeile entgiften musste.
Kürzlich schrieb mir mein Vetter, ein paar Jährchen älter als ich, dass der Vater in einem Gespräch mit seiner Mutter, meiner Großmutter, das er so nebenher mitbekam, ich doch unbedingt härter angefasst werden müssten. Das höre ich heute, und war das wirklich notwendig, ich stand doch der Mutter bei. Beim Lesen der Eltern Briefe aus dieser Zeit sind seine "Erzieherischen Anleitungen" zu lesen - und Mutter? Sie hat sich nicht beirren lassen, führte uns in liebevoller Weise, gab das eine und andere auf ihre Art und Weise weiter - kein Befehl, sondern einfache Anfragen und mögliche Bitten. Wer spurte da nicht von ganz alleine?! Wir waren Kinder.
Ich würde mich zu gerne zu meinem Vater setzen, mit ihm diskutieren über Gott und die Welt - viel zu selten war es dazu gekommen. Ich würde Mutter gerne das eine und andere erzählen - dreizehn Jahre nach Vaters Tod folgte sie ihm, schaffte mit ihrer Kraft nicht mehr das Jubiläum der Hundert, es fehlte doch nicht mehr viel - sie war müde geworden.
Man verpasst zu vieles, merkt es erst, wenn etwas unabänderlich geworden ist. Wie schön, dass wir glauben dürfen, dass es ein Leben danach gibt, dann sehe ich die Beiden wieder.
Sie haben sich zum Abgang Zeit gelassen, nun nehme ich mir dazu auch soviel Zeit, Zeit für einen lieben Menschen, der mit mir so gerne steinalt werden möchte.
ortwin
Kommentare (3)
hijona
Du musstest sehr früh die Verantwortung übernehmen und deiner Mutter zur Seite stehen. Sie war sicher sehr stolz auf dich. Mit Recht, wie mir scheint.
Sehr schöne Geschichte, liebevoll geschrieben.
Danke dafür.
Sehr schöne Geschichte, liebevoll geschrieben.
Danke dafür.
christl1953
Du hast das wunderbar beschrieben,wie es war,als dein Vater im Krieg war.
wie selbstverständlich war das,daß du als Ältester den Platz als Beschützer deiner
Mutter und Geschwister eingenommen hast.bestimmt nehmen deine Geschwister dich auch noch heute als ihren Großen Bruder wahr,stimmts ?
bei uns war das so ähnlich aber halt anders.Als unsere Mutter so jung starb,es waren noch 7 kleiner Geschwister da,haben wir beiden Ältesten die Mutterrolle für die Geschwister übernommen,bis Vater wieder eine neue Frau fand-die leider die kleinen
Geschwister nicht mochte. Trotzdem ist es so geblieben,daß die Geschwister heute noch zu uns kommen,wie zur Mutter.Wir haben auch untereinander sehr guten Kontakt,obwohl wir weit auseinander wohnen.Aber auch ein großes Glück,daß wir all noch am Leben sind!Dafür muß man dankbar sein!Ich hoffe du genießt dein Leben in vollen Zügen was das geben und Nehmen der Liebe angeht! christl1953
wie selbstverständlich war das,daß du als Ältester den Platz als Beschützer deiner
Mutter und Geschwister eingenommen hast.bestimmt nehmen deine Geschwister dich auch noch heute als ihren Großen Bruder wahr,stimmts ?
bei uns war das so ähnlich aber halt anders.Als unsere Mutter so jung starb,es waren noch 7 kleiner Geschwister da,haben wir beiden Ältesten die Mutterrolle für die Geschwister übernommen,bis Vater wieder eine neue Frau fand-die leider die kleinen
Geschwister nicht mochte. Trotzdem ist es so geblieben,daß die Geschwister heute noch zu uns kommen,wie zur Mutter.Wir haben auch untereinander sehr guten Kontakt,obwohl wir weit auseinander wohnen.Aber auch ein großes Glück,daß wir all noch am Leben sind!Dafür muß man dankbar sein!Ich hoffe du genießt dein Leben in vollen Zügen was das geben und Nehmen der Liebe angeht! christl1953
wenn ich dann (so alle Monate) zu ihr fuhr und sie dann zum Schluss da im Sessel schlummernd antraf:
wenn ich dann behutsam die heruntergerutschte Patschwork-Decke ihr wieder auflegte:
sie öffnete ihre Augen, säufzte:
»Ach mein Junge!«
oder ein anderes Mal »Ach mein Großer!«
Ich weiß nicht, wie sie meine anderen Geschwister so begrüßte - will es eigentlich garnicht wissen. Sie hat nie eines ihrer sieben Kinder bevorzugt!
Ich glaube, dass sie auf die 44 direkten Nachkommen mit einen liebevollen Stolz blickte, die alle gesund und fröhlich in das Leben zogen. Ich war einer von der Mannschaft, nichts Besonderes.
ortwin