Ich male Dir das Meer ins Herz hinein - Sonettenkranz VIII
I
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Sein Echo sinkt hinab ins Meerestief,
als wärs ein unbeschwerter Abschiedsbrief,
gewebt aus Illusionen, tausendfachen
Momentnuancen, namenlose Nachen,
beladen mit Vergänglichkeit. Sie rief
Dir gestern zu: "Dein Trauerjahr entschlief
in meinen Armen. - Zeit, Dich aufzumachen,
dem Januar Dein Hoffnungsbild zu bringen."
Wir dürfen uns an Augenblicke lehnen,
wie Kinder glauben, zuversichtlich sein.
Ich will Dir altvertraute Weisen singen
zum Muschelklang der Wellenkantilenen.
Und male Dir das Meer ins Herz hinein.
II
Ich male Dir das Meer ins Herz hinein.
Gedanken wehn, von Windes Hand getragen,
nach Haus. Febrero´s Winterstürme jagen
den weißen Strand entlang. Du sitzt allein
am Fenster, eingetaucht in Kerzenschein
und grübelst über nie gestellte Fragen
als wären´s Wogen, die an Felsen schlagen.
Und plötzlich fühlst Du Dich so hilflos, klein
wie damals, als wir Drachen steigen ließen.
Aus Kieselsteinen bauten wir uns Klippen
und nannten unsre Freiheit "Querfeldein".
Die Tür zur Traumwelt mußten wir verschließen.
Ein leises Lächeln lag auf Deinen Lippen... -
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein?
III
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein,
wenn´s märzt und scherzt auf Spaniens Sonnenpfaden.
Bodegas an den Uferpromenaden
verführen uns zu Tapas, Brot und Wein.
Begreifen wir den letzten Stolperstein
als Wendepunkt. Er konnte uns nicht schaden
mit seinen blassen Endlichkeitfassaden.
Es lockt der Lenz. Ich stupse Dich hinein,
ins Blütenparadies am Meeresrand.
Wir träumen uns auf Mariposas Schwingen
ins Land der Liebe, wo die Menschen lachen,
als hielten sie Claveles in der Hand,
aprilvergnügt dem Tag ihr Lied zu singen.
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
IV
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
Ein Hauch von Heiterkeit umstrahlt den Strand.
Nur Mut, und reich mir Deine müde Hand.
Gemeinsam laß uns Purzelbäume machen!
Bevor es nebelt, schenk mir noch ein Lachen.
Ich zeichne Dir ein Zwinkern in den Sand,
denn Primavera trägt ihr Festgewand
und wird ein Farbenfeuerwerk entfachen.
Ein Unverzagtes schweigt sich durch die Weiten
der Himmelsauen, heimatlos geborgen
im Sog der Innenfremde. - Mag in schwachen
Momenten auch ein Zweifeln Dich begleiten,
bedenke stets: ´Es trägt der Herr mein Sorgen.
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen.´
V
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen,
zu Dir, mit Dir den Herbst im Sturm bestehn.
Noch dürfen wir dem Mai ins Antlitz sehn.
Noch glühen uns zum Trost die mannigfachen
Gelegenheiten, Glücke zu entfachen.
Wo Arco Irisfarben nicht vergehn,
verweilt die Hoffnung auf ein Wiedersehn.
Ein bißchen Sterben liegt im Tagerwachen.
Solang die meerumrauschten Wünsche winken,
vermag ein Windeshauchen Dich zu wiegen
ins Traumgemach, ins Zeitenlos hinein.
Aus Regenbogenkelchen sollst Du trinken,
in denen Bitterkeiten bald versiegen.
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein.
VI
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein,
wenn Wog´ um Woge Dich gen Himmel hebt,
davon zu künden: "Ja, ich hab gelebt!"
Ein Segensquell entspringt dem Felsgestein,
durchdringt in Juni-Dur das Stillesein
der Winterjahre. - Was Erinnern webt´,
beginnt zu reißen. Reifend widerstrebt
dem Innenkind, sich abermals als klein
und hilflos anzusehn. - Ein Korn aus Staub
im Hüllen-Los gefangen. - Was Dich hält,
erahnt sich Dir im Glauben. - Welche Pein
für den, der seine letzte Stunde - taub
vor Furcht - ins leere Schattendunkel stellt. -
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
VII
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
Verzweifelt läuft der Narr im Nabelkreise
und weiß: Zuende geht die Erdenreise
ins Ungewiß der Nacht, ins Aus hinein.
Du tanzt derweil im Julimondenschein,
säst abendrote Rosen - dutzendweise. -
Es brennt noch Licht in Deiner Stube. Leise
ertönt mein Lied für Dich: Gedenke mein
im fernen Süden, wo die Berge raunen,
als wollten sie den Wandermüden warnen,
bezeiten aufzubrechen, Rast zu machen.
Wir dürfen noch die Farbenpracht bestaunen,
und Señor Sol mit unserm Charme umgarnen.
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen!
VIII
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen,
mit jeder Faser unsern Herrn erheben.
Es bleibt mir nur noch kurze Zeit zu leben.
Bis dahin will ich mit den Spatzen lachen.
Der Tod mag sich derweil zum Affen machen.
Ich werde ihm verschmitzt den Laufpaß geben,
aus Wolkenknäueln Sanftsonette weben.
Was auch geschieht: Der Herr wird mich bewachen.
Unwandelbar umgibt uns Seine Liebe.
Mit Schicksalsschlägen will ich nicht mehr ringen.
Uns zu vergeben liegt in Seiner Gnade.
Und wenn mir nur noch eine Silbe bliebe,
ich ließe sie dem Herrn als Lied erklingen.
Im Nachhinein verblassen Damalspfade.
IX
Im Nachhinein verblassen Damalspfade
wie Bilder, die uns mahnen oder freuen.
An manchen Tagen werden wir bereuen
wie Kinder, wenn sie Himbeermarmelade
aus Oma´s Keller klauten. (Jammerschade,
wenn Opa sie erwischte.) Ob wir neuen
Erfahrungswerten trotzen, Fehler scheuen:
am Ende bröckelt unsre Blaßfassade.
Was sinnst Du über Gesternbagatellen?
Es ist August. Der Himmel strahlt wie nie
zuvor. Gedanken gehn auf Wünschereise,
beginnen nachts die Herzen zu erhellen,
als spielte Glück die Sternenmelodie,
auf ungemein geheimnisvolle Weise.
X
Auf ungemein geheimnisvolle Weise
erkennen wir nach leidgeprüften Jahren,
wie segensreich vor allem Hürden waren.
Wer liebt, begibt sich auf Entdeckungsreise
ins Wir, verläßt die eingefahrnen Gleise
und fürchtet keine unberechenbaren
Gewalten, sondern nutzt bewußt die raren
Momente der Begegnung. Denn im Kreise
der Menschen, deren Nähe uns erquickt,
gelangen wir auf längst vergess´nen Wegen
an Orte, da geteilte Sehnsucht ruht.
Ein Krokusköpfchen hat mir zugenickt,
September grüßt mit warmem Nieselregen:
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut.
XI
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut,
nach vorn zu blicken ohne nachzutragen;
dem andern ein "Ich hab Dich lieb" zu sagen.
(Das findet auch der gröbste Griesgram gut
Ein Herzenswort beflügelt selbst den Wut-
entbrannten, sein Motiv zu hinterfragen.
Ach, laß die Wimper nur ein Lächeln wagen.
Wie rasch erlischt sogar die weiße Glut.
Oktobergold umschmiegt die Zweigenspitzen ,
betört die Sinne, flammt mir ins Gemüt,
Otoño, spiel die Abschiedsserenade!
An Deiner Seite, Madre, will ich sitzen,
solange uns ein neuer Morgen glüht.
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade.
XII
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade. -
Es darf sich noch der Blick des Jetzt erfreuen.
Ich will den Tag mit Immergrün bestreuen.
Noch weilen Hoffnungsschimmer am Gestade
der Nebelmeere. - Schmale Endlospfade
entlang den Dünen führen ins Bereuen
zu spät bekannter Schuld. Gebeugte scheuen
das Licht, verbergen hinter der Fassade,
wie tief die Sterbensangst sie niederzwingt.
Was gäben sie darum, den Tod zu fliehn.
Die größten Toren halten sich für weise.
Und während der Novemberblues erklingt,
beginnt Advent ins Glaubensherz zu ziehn.
Das Beste kommt NACH unsrer Diesseitsreise.
XIII
Das Beste kommt nach unsrer Diesseitsreise.
Wenn im Dezember Stürme Strände streifen,
entblößte Blicke in die Ferne schweifen,
bewegen sich Gedanken oft im Kreise.
Das Wort des Herrn ist Quelle mir und Speise.
Er läßt mich täglich Seine Hand ergreifen.
Mir bleibt, die alten Kleider abzustreifen.
Und wenn ich einmal gehe, geh ich leise
gen Heimat, wo die Palmenherzen pochen,
ins Vaterhaus, wo Tränen Perlen gleichen.
Statt mit dem Zaunpfahl wink ich mit dem Hut.
"Ich komme wieder!" hat der Herr versprochen.
Dann will ich nicht von Seiner Seite weichen.
Was prägt uns mehr als das, was in uns ruht?
XIV
Was prägt uns mehr als das, was in uns ruht?
Nun Mutter, muß ich diesen Kranz beenden,
denn unsre Zeit, sie steht in Gottes Händen,
mit welchen Er bis heute Wunder tut.
Ein Letztes noch: Bewahre Dir den Mut,
Dich einzig Seiner Wahrheit zuzuwenden.
Des Menschen Sohn wird seine Engel senden.
Sie fürchten weder Tod noch Sonnenglut.
Und fühlst Du Dich allein in dunklen Stunden,
so sei getrost, vertraue Seiner Macht.
Gott selbst wird unsern letzten Gang bewachen.
An Seine Liebe sind wir frei gebunden.
Noch manchmal flüstert mir der Wind bei Nacht:
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Meistersonett
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Ich male Dir das Meer ins Herz hinein.
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein?
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen.
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein.
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen!
Im Nachhinein verblassen Damalspfade
auf ungemein geheimnisvolle Weise.
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut.
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade.
Das Beste kommt NACH unsrer Diesseitsreise.
Was prägt uns mehr, als das, was in uns ruht?
© V F
Dedicado a mi Madre, Conchita
Für Mutter
Damiel, La Mancha - 2011
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Sein Echo sinkt hinab ins Meerestief,
als wärs ein unbeschwerter Abschiedsbrief,
gewebt aus Illusionen, tausendfachen
Momentnuancen, namenlose Nachen,
beladen mit Vergänglichkeit. Sie rief
Dir gestern zu: "Dein Trauerjahr entschlief
in meinen Armen. - Zeit, Dich aufzumachen,
dem Januar Dein Hoffnungsbild zu bringen."
Wir dürfen uns an Augenblicke lehnen,
wie Kinder glauben, zuversichtlich sein.
Ich will Dir altvertraute Weisen singen
zum Muschelklang der Wellenkantilenen.
Und male Dir das Meer ins Herz hinein.
II
Ich male Dir das Meer ins Herz hinein.
Gedanken wehn, von Windes Hand getragen,
nach Haus. Febrero´s Winterstürme jagen
den weißen Strand entlang. Du sitzt allein
am Fenster, eingetaucht in Kerzenschein
und grübelst über nie gestellte Fragen
als wären´s Wogen, die an Felsen schlagen.
Und plötzlich fühlst Du Dich so hilflos, klein
wie damals, als wir Drachen steigen ließen.
Aus Kieselsteinen bauten wir uns Klippen
und nannten unsre Freiheit "Querfeldein".
Die Tür zur Traumwelt mußten wir verschließen.
Ein leises Lächeln lag auf Deinen Lippen... -
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein?
III
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein,
wenn´s märzt und scherzt auf Spaniens Sonnenpfaden.
Bodegas an den Uferpromenaden
verführen uns zu Tapas, Brot und Wein.
Begreifen wir den letzten Stolperstein
als Wendepunkt. Er konnte uns nicht schaden
mit seinen blassen Endlichkeitfassaden.
Es lockt der Lenz. Ich stupse Dich hinein,
ins Blütenparadies am Meeresrand.
Wir träumen uns auf Mariposas Schwingen
ins Land der Liebe, wo die Menschen lachen,
als hielten sie Claveles in der Hand,
aprilvergnügt dem Tag ihr Lied zu singen.
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
IV
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
Ein Hauch von Heiterkeit umstrahlt den Strand.
Nur Mut, und reich mir Deine müde Hand.
Gemeinsam laß uns Purzelbäume machen!
Bevor es nebelt, schenk mir noch ein Lachen.
Ich zeichne Dir ein Zwinkern in den Sand,
denn Primavera trägt ihr Festgewand
und wird ein Farbenfeuerwerk entfachen.
Ein Unverzagtes schweigt sich durch die Weiten
der Himmelsauen, heimatlos geborgen
im Sog der Innenfremde. - Mag in schwachen
Momenten auch ein Zweifeln Dich begleiten,
bedenke stets: ´Es trägt der Herr mein Sorgen.
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen.´
V
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen,
zu Dir, mit Dir den Herbst im Sturm bestehn.
Noch dürfen wir dem Mai ins Antlitz sehn.
Noch glühen uns zum Trost die mannigfachen
Gelegenheiten, Glücke zu entfachen.
Wo Arco Irisfarben nicht vergehn,
verweilt die Hoffnung auf ein Wiedersehn.
Ein bißchen Sterben liegt im Tagerwachen.
Solang die meerumrauschten Wünsche winken,
vermag ein Windeshauchen Dich zu wiegen
ins Traumgemach, ins Zeitenlos hinein.
Aus Regenbogenkelchen sollst Du trinken,
in denen Bitterkeiten bald versiegen.
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein.
VI
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein,
wenn Wog´ um Woge Dich gen Himmel hebt,
davon zu künden: "Ja, ich hab gelebt!"
Ein Segensquell entspringt dem Felsgestein,
durchdringt in Juni-Dur das Stillesein
der Winterjahre. - Was Erinnern webt´,
beginnt zu reißen. Reifend widerstrebt
dem Innenkind, sich abermals als klein
und hilflos anzusehn. - Ein Korn aus Staub
im Hüllen-Los gefangen. - Was Dich hält,
erahnt sich Dir im Glauben. - Welche Pein
für den, der seine letzte Stunde - taub
vor Furcht - ins leere Schattendunkel stellt. -
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
VII
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
Verzweifelt läuft der Narr im Nabelkreise
und weiß: Zuende geht die Erdenreise
ins Ungewiß der Nacht, ins Aus hinein.
Du tanzt derweil im Julimondenschein,
säst abendrote Rosen - dutzendweise. -
Es brennt noch Licht in Deiner Stube. Leise
ertönt mein Lied für Dich: Gedenke mein
im fernen Süden, wo die Berge raunen,
als wollten sie den Wandermüden warnen,
bezeiten aufzubrechen, Rast zu machen.
Wir dürfen noch die Farbenpracht bestaunen,
und Señor Sol mit unserm Charme umgarnen.
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen!
VIII
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen,
mit jeder Faser unsern Herrn erheben.
Es bleibt mir nur noch kurze Zeit zu leben.
Bis dahin will ich mit den Spatzen lachen.
Der Tod mag sich derweil zum Affen machen.
Ich werde ihm verschmitzt den Laufpaß geben,
aus Wolkenknäueln Sanftsonette weben.
Was auch geschieht: Der Herr wird mich bewachen.
Unwandelbar umgibt uns Seine Liebe.
Mit Schicksalsschlägen will ich nicht mehr ringen.
Uns zu vergeben liegt in Seiner Gnade.
Und wenn mir nur noch eine Silbe bliebe,
ich ließe sie dem Herrn als Lied erklingen.
Im Nachhinein verblassen Damalspfade.
IX
Im Nachhinein verblassen Damalspfade
wie Bilder, die uns mahnen oder freuen.
An manchen Tagen werden wir bereuen
wie Kinder, wenn sie Himbeermarmelade
aus Oma´s Keller klauten. (Jammerschade,
wenn Opa sie erwischte.) Ob wir neuen
Erfahrungswerten trotzen, Fehler scheuen:
am Ende bröckelt unsre Blaßfassade.
Was sinnst Du über Gesternbagatellen?
Es ist August. Der Himmel strahlt wie nie
zuvor. Gedanken gehn auf Wünschereise,
beginnen nachts die Herzen zu erhellen,
als spielte Glück die Sternenmelodie,
auf ungemein geheimnisvolle Weise.
X
Auf ungemein geheimnisvolle Weise
erkennen wir nach leidgeprüften Jahren,
wie segensreich vor allem Hürden waren.
Wer liebt, begibt sich auf Entdeckungsreise
ins Wir, verläßt die eingefahrnen Gleise
und fürchtet keine unberechenbaren
Gewalten, sondern nutzt bewußt die raren
Momente der Begegnung. Denn im Kreise
der Menschen, deren Nähe uns erquickt,
gelangen wir auf längst vergess´nen Wegen
an Orte, da geteilte Sehnsucht ruht.
Ein Krokusköpfchen hat mir zugenickt,
September grüßt mit warmem Nieselregen:
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut.
XI
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut,
nach vorn zu blicken ohne nachzutragen;
dem andern ein "Ich hab Dich lieb" zu sagen.
(Das findet auch der gröbste Griesgram gut
Ein Herzenswort beflügelt selbst den Wut-
entbrannten, sein Motiv zu hinterfragen.
Ach, laß die Wimper nur ein Lächeln wagen.
Wie rasch erlischt sogar die weiße Glut.
Oktobergold umschmiegt die Zweigenspitzen ,
betört die Sinne, flammt mir ins Gemüt,
Otoño, spiel die Abschiedsserenade!
An Deiner Seite, Madre, will ich sitzen,
solange uns ein neuer Morgen glüht.
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade.
XII
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade. -
Es darf sich noch der Blick des Jetzt erfreuen.
Ich will den Tag mit Immergrün bestreuen.
Noch weilen Hoffnungsschimmer am Gestade
der Nebelmeere. - Schmale Endlospfade
entlang den Dünen führen ins Bereuen
zu spät bekannter Schuld. Gebeugte scheuen
das Licht, verbergen hinter der Fassade,
wie tief die Sterbensangst sie niederzwingt.
Was gäben sie darum, den Tod zu fliehn.
Die größten Toren halten sich für weise.
Und während der Novemberblues erklingt,
beginnt Advent ins Glaubensherz zu ziehn.
Das Beste kommt NACH unsrer Diesseitsreise.
XIII
Das Beste kommt nach unsrer Diesseitsreise.
Wenn im Dezember Stürme Strände streifen,
entblößte Blicke in die Ferne schweifen,
bewegen sich Gedanken oft im Kreise.
Das Wort des Herrn ist Quelle mir und Speise.
Er läßt mich täglich Seine Hand ergreifen.
Mir bleibt, die alten Kleider abzustreifen.
Und wenn ich einmal gehe, geh ich leise
gen Heimat, wo die Palmenherzen pochen,
ins Vaterhaus, wo Tränen Perlen gleichen.
Statt mit dem Zaunpfahl wink ich mit dem Hut.
"Ich komme wieder!" hat der Herr versprochen.
Dann will ich nicht von Seiner Seite weichen.
Was prägt uns mehr als das, was in uns ruht?
XIV
Was prägt uns mehr als das, was in uns ruht?
Nun Mutter, muß ich diesen Kranz beenden,
denn unsre Zeit, sie steht in Gottes Händen,
mit welchen Er bis heute Wunder tut.
Ein Letztes noch: Bewahre Dir den Mut,
Dich einzig Seiner Wahrheit zuzuwenden.
Des Menschen Sohn wird seine Engel senden.
Sie fürchten weder Tod noch Sonnenglut.
Und fühlst Du Dich allein in dunklen Stunden,
so sei getrost, vertraue Seiner Macht.
Gott selbst wird unsern letzten Gang bewachen.
An Seine Liebe sind wir frei gebunden.
Noch manchmal flüstert mir der Wind bei Nacht:
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Meistersonett
Ein Atmen stirbt. Im Sand verläuft ein Lachen.
Ich male Dir das Meer ins Herz hinein.
Das Jahr ist jung. Wie kannst Du traurig sein?
Es wohnt der Wunsch nach Frühling im Erwachen.
Ich will mich auf den Weg ins Morgen machen.
Begleite mich! Wir stelln dem Tod ein Bein.
An Gräbern bleibt die Einsamkeit allein.
Gemeinsam laß uns Lebenslust entfachen!
Im Nachhinein verblassen Damalspfade
auf ungemein geheimnisvolle Weise.
Wir schöpfen aus Erinnerungen Mut.
Geschenkte Lebenszeit ist Gottes Gnade.
Das Beste kommt NACH unsrer Diesseitsreise.
Was prägt uns mehr, als das, was in uns ruht?
© V F
Dedicado a mi Madre, Conchita
Für Mutter
Damiel, La Mancha - 2011
Kommentare (8)
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ich habe alles langsam in mich aufgenommen -
finde diesen sonettenkranz, der wie all deine anderen werke dir einfach treffend gelungen ist.
herzlichst marlenchen.
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Viele liebe Grüße und ein dickes Dankeschön von
Ingrid
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Ich male Dir das Meer ins Herz hinein
- Ich wünsche Dir und den Deinen segensreiche Pfingsten.
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Mit freundlichen Grüßen Traute
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Lieben Gruß Uschi
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