ICH HABE GERN NATÜRLICHKEIT IN ALLEM

An diesem Sommer habe ich mir ein kleines Plaid aus der 100% Schurwolle (s. Foto) gestrickt. Wenn ich mich an einem kalten und nassen Tag darauf lege, spüre ich mit dem Rücken eine Tierwärme, die der Unterstützung eines Freundes ähnlich ist, des Freundes, der dich nie verrät. Denn es ist sehr wichtig – was hast du hinter dem Rücken: eine sichere Stütze oder einen Menschen mit einem Messer entweder mit Tasse voll Gift in der Hand.
Ich habe gern Waldgerüche – der nassen Erde, Baumrinde, Moos, Pilzen. Viel mehr als die Aromas von raffinierten teuren Parfüms im Badezimmer von meiner Tochter am Morgen.
Ich liebe Glas, Stein, Metall und Holz. Auch ein großer Stein am Rande eines Felsen, der jede Minute bereit ist, nach unten auf den Kopf von einem Menschen zu fallen, ruft bei mir mehr Sicherheit hervor als Plastiktische und Plastikstühle in einem Straßencafe.
Wenn mein Kater mich von unten mit menschlichen flehenden Augen anguckt (er hat in der Tat das Gesicht von einem Intellektuellen), weiß ich sehr genau, was er braucht. Dabei schmilzt mein Herz von der Liebe und ich antworte zärtlich meinem Kater: „Mein Sußes, gleich bekommst du deine Hühnerbrust! Ich werde lieber MIR SELBST kein Stück Brot kaufen, aber für dich kaufe ich immer dein Stück Fleisch!“
Vielleicht auch darum lese ich gut nach den menschlichen Augen. Ich sehe das Glück in den Augen bei deren, die mich vom Flughafen abholen: „Na, endlich bist du zu Hause, hier, neben uns!“ Oder eine heimliche Hoffnung in den Augen meines Nachbarn, der´s sehr eilig hat, Hoffnung darauf, daß ich ihn nur mit einem Wort begrüße und kein 5-Minuten-Gespräch aus Höflichkeit anfange. Ich sehe Vorfreude in den Augen der Bekannten, die auf den mehrstündigen Meinungsaustausch mit mir gestimmt sind, der sie vor der Alltagslangeweile rettet. Oder ich sehe eine sorgfältig verborgene Feindseligkeit von meinem Kollegen, der von mir zum wievielten Mal kleine Korrekturen bei seinen Texten erwartet…