Heiratsschwindel heißt heute Vorauszahlungsbetrug


Heiratsschwindel heißt heute Vorauszahlungsbetrug
Bei meinen Recherchen zur Alltagsgeschichte des Radeberger Landes konnte ich in der Kategorie der Betrügereien bereits über zwanzig zum Themenkreis des Heiratsschwindels finden. Auch heute ist er noch zu finden, wobei das Heiratsversprechen nicht mehr unbedingt strafbar ist, übrigens ist die Verlobung ebenfalls kein Grund mehr zur Rechtsprechung. Der Heiratsschwindel wird in der Gegenwart juristisch als „Vorauszahlungsbetrug“ verfolgt, geht es doch im Normalfall zu allen Zeiten um das Geld der zukünftigen Ehefrau. Nur das es eben nach der Zahlung des Geldes nicht zur Heirat kommt.
Zwei Fälle aus Radeberg bzw. Wachau seien hier benannt. So hatte die damals 34 jährige Witwe Amalie Theodora Künzel im Radeberger „Cafe zur Post“ den 18 jährigen Schuhmacherlehrling Alfred Mehrmann kennen gelernt. Der großgewachsene und durchaus hübsch aussehende junge Mann hatte es nicht schwer, das Herz der älteren Frau zu erwärmen. Und nach einigen Treffen durfte er auch mit in ihre Wohnung. Ob er von Anfang an einen Plan dieser Art hatte oder warum er dann im eigentlichen Betrugssinn handelte, ist nicht bekannt. Er bekam jedenfalls mit, dass Frau Künzel genügend Geld für eine pompöse Hochzeit hatte. Das lästige Aufgebot umgehend, wollte man in Berlin heiraten, dort wurde bei entsprechender Bezahlung auf solche Gesetzlichkeit verzichtet. Man nahm das gesamte Sparbuch von über 3000 Mark mit und erlebte Berlin des Jahres 1907. Die Radebergerin, bisher solche Dinge nie gesehen, gab ihrem „Bräutigam“ das Geld und beide verlebten in nur einer Woche den damals bedeutenden Betrag. Alfred Mehrmann auf die Frage angesprochen, wann denn nun die Hochzeit sei, zuckte mit den Schultern und offenbarte ihr, dass er eine nunmehr „arme Witwe“ nicht mehr zur Frau nehmen könne. Frau Künzel musste sogar zum sächsischen Konsulat in Berlin gehen, denn sie hatte nicht mal mehr das Geld für die Heimfahrt. Sie schämte sich so sehr über ihren Reinfall, dass sie sogar auf eine Anzeige verzichtete. Erst als Alfred Mehrmann sich in Radeberg ein neues Opfer suchte, wurde sie munter.
Im Oktober 1911 sollte im Wachauer Erbgericht eine Hochzeit gefeiert werden. „Eine großartige muss es sein, mit phantastischem Menü und fünfzig Hochzeitsgästen!“, so der in der Umgebung Wachaus beschäftigte Schweizer Rudolf Weiß. Er hatte vor vier Monaten die auf dem Rittergut beschäftigte Magd Sophie Schmalfuß kennen gelernt. Beide hielten sich dann bei ihren Eltern auf und diese waren froh, dass das Fräulein Tochter unter die berühmte Haube kam. Und Weiß besorgte alles, Wohnung inklusive. Für die notwendigen Vorbereitungen gaben ihm die Eltern 700 Mark zum Möbelkauf und seiner vermeintlichen Braut schwatzte er ohne Wissen der Eltern 430 Mark Erspartes ab.
Als Weiß nun auf dem Wachauer Standesamt erschien und die notwendigen Papiere nicht erbringen konnte, schöpfte man einen Verdacht und zog Erkundigungen ein. Es stellte sich heraus, dass Weiß bereits einiges auf dem Kerbholz hatte. Er war verheiratet, Vater mehrerer ehelicher und unehelicher Kinder. Als Weiß am Abend des 5. Oktober 1911 von einer angeblichen Besorgung in Dresden zurück kam, verhaftete ihn die Polizei.
Die bestellten Möbel hatte er bereits alle versilbert, von dem Geld der angehenden Braut war praktisch nichts mehr da. Weiß erhielt wegen ungesetzlichem Eheversprechen im Wiederholungsfall 2 Jahre, 4 Monate Zuchthaus. Die Familie Schmalfuß verzichtete auf eine Privatklage, da bei Weiß sowieso nichts zu holen war.

haweger

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