Heimat

    Seit wir im März 1946 aus Schlesien nach Bielefeld vertrieben worden sind. lebt in mir – nicht immer, aber immer wieder unabweisbar stark – ein Schmerz um die verlorene Heimat. Seltsam! Wozu brauche ich eigentlich eine Heimat? Wo ist Heimat? Was ist Heimat?
    Die Kindheitsheimat in der Grafschaft Glatz war seit den Ostverträgen von Willi Grand verschlossen. Aber dann geschah folgendes: Bei meiner Ausbildung zum Altphilologen und Pfarrer hat sich mir eine andersartige Heimat erschlossen: Die christliche Religion und die antike Kultur. Da fühlte ich mich zu Hause, da gefiel es mir, da fühlte ich mich wohl. Dies Heimat war eher abstrakt. Mehr verstandes- als gefühlsbetont.
    Es kamen Reisen und längere Wohnaufenthalte in verschiedenen europäischen Ländern. Mein Fühlen und Denken ganz germano- und eurozentrisch ausgerichtet. Natürlich wusste ich, dass es außerhalb andere Völker und Kontinente gab, für die ich auch ein warmes Interesse entfaltete, Aber meine Haltung sah eher so aus: Was kümmert eine deutsche Eiche all das Gemüse ringsherum?
    Erst spät, aber dann beinahe schmerzhaft, bei meinen Reisen nach Ostafrika und besonders jetzt in Dubai am Rande der arabischen Halbinsel ist mir ein anderer Blickwinkel bewusst geworden. Ich möchte ihn global nennen. Europa ist weit, und die Leute hier wissen auch nicht so viel darüber. Sicher, es gibt Mercedes, Plastikweihnachtsbäume und Stollen auch hier. Aber das alles nur in der unübersehbaren Fülle von Spitzenangeboten aus aller Welt.
    Ich stehe noch ganz am Anfang, aber Ich vermute, mein Weltbild wird sich allmählich verändern. Kann ich auch hier in einem moslemischen Land  Heimat finden?


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Kommentare (2)

silesio

   Liebe Christine,
da ist und bleibt ja immer die Frage: Was ist Heimat? Merkwürdigerweise kennt auch nur das Deutsche diesen Begriff. Und der ist ja hauptsächlich von der in Deutschland für Dichtung und Musik so wichtigen Epoche der Romantik beeinflusst.
   Heimat ist nicht mehr gefragt in dieser digitalen und globalen Welt.
   Trotzdem sehne ich mich nach ihr, so wie die Menschen damals die blaue Blume suchten.
              Christoph

Christine62laechel

Hallo Silesio,

ich habe Deinen Eintrag mit Interesse gelesen. Ich lebe zwar nach wie vor in dem Land, wo ich zur Welt gekommen bin, mein Geist wandert aber in der Welt herum. Egal, ob ich auswandern werde, oder nicht mehr - und Dein Beispiel zeigt ja deutlich, es ist nie zu spät - lasse ich mich nicht mehr in allzu viel Heimatliebe verwickeln. Die ganze Welt ist schön, alle Nationen haben welche schönen Sitten und Charakterzüge, alle Religionen bringen eine Hoffnung, dass es etwas mehr gibt, als nur der Alltag hier.

   Ob Du eine Heimat dort findest, wer weiß? Sicherlich wirst Du Dich da abfinden können. Mehr als einen ersten Schritt hast Du schon gemacht.

Mit Grüßen
Christine

 


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