Selbst Kinder kennen so etwas, obwohl sie es gewiss nicht ganz verstehen, und auch nicht erläutern könnten. Ein Beispiel, etwa aus dem Jahr 1962. Ein Mädchen, so um 6, kommt zusammen mit ihrer Mutter zur Schneiderin. Während die Frau Mutter welche Klammotten anprobiert und dabei plaudert, steht die Kleine draussen, und schaut drei andere Personen im ähnlichen Alter an. Die drei Mädchen spielen mit ihren Puppen, Töpfchen, usw. Es wäre schön, sich ihre Puppen genauer ansehen zu können, das fremde Mädchen macht aber keine Bewegung, sie gibt sich friedlich, und wartet. Schliesslich sagt die Wichtigste von den dreien (vorher wurde natürlich eifrig geflüstert): Du wirst mit uns nicht spielen.

   Warum nicht? Kam sie ihnen nicht gut genug vor? Oder im Gegenteil: Sie war ja die Tochter einer Kundin, und sie drei - der Schneiderin und deren Nachbarin. 1962, der Sozialismus sollte zwar alle Menschen gleich gemacht haben, doch... Eine Kundin...


   Was lohnt sich eigentlich: Gut, besser, oder am besten zu sein? Man könnte denken, am besten ist es, gar weniger als gut zu sein, egal im welchen Bereich. Denn da fühlt sich die Umgebung eben - besser... Eine "nicht genug gute" Person kann man - wenn auch mit echter Sympathie - herablassend behandeln.
Ist man dann (oder wird man mal) gut, da gibt es sofort ein mehr oder weniger heimliches Vergleichen, Nachdenken, Besprechen... Oft auch welche Versuche, einfach zu beweisen, da sei sie/er doch gar nicht sooo gut...

  Und the best zu sein, so etwas können sich natürlich nur ganz wenige leisten. Und nicht nur, weil es einfach schwierig ist, dieses Niveau zu erreichen. Es zu behalten - das ist erstmal eine Herausforderung. Die Besten werden ja ausgelacht, oder gehasst, oder ignoriert. Da muss man schon echt stark sein, um damit nach und nach zurechtkommen zu können. Wie die Madonna-Sängerin zum Beispiel. Angenommen, man würde sie für die Beste halten.


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Kommentare (8)

Manfred36


Hinter so viel Insider-Wissen und so viel Prominenz, die auf dem Plan sind, muss ich mit meiner Stellungnahme natürlich zurücktreten. Mich deucht aber, dass du ein allgemeines Thema angetippt hast, das auch bei uns in de Bundesrepublik Deutschland zu jener Zeit hätte beleuchtet werden können. Eine "nicht genug gute" Person kann man - wenn auch mit echter Sympathie - herablassend behandeln. Die „Klassen“ in unterschiedlichster Erscheinungsform waren nirgendwo abgeschafft und es war immer der vorn, der sich einzubringen wusste, in die Gruppe, ins System, in die geistige Rangfolge ...Das ist eine allgemeine Charakterschwäche, auch dass die Gruppe den Überflieger ächtet und umgekehrt. Oder dass man den Narzissten vergöttert, der sich ganz absetzen konnte und zu dem man nur noch irreale Kontakte hat, und umgekehrt. Schlimm wird es, wenn der, welcher sich auf das Normale und s.E. Geistig-Gesunde beschränkt, von den Andern verketzert wird. Wen trifft schon Hohn, Aggression und Spott nicht?
Gruß
Manfred
 

Christine62laechel

Also, daran dachte ich neulich eben auch, Manfred. Wie tun es die narzistischen Leute eben, dass sie ein breites Publikum, sozusagen, begeistern können? Oft strahlen sie ein solches Charme aus, dass sie eben vergöttert werden, obwohl man Hunderte finden könnte, die es auch verdienen, die sogar viel besser sind. Können sich aber nicht durchsetzen. Es ist eine Kunst, oder ein Instinkt, das wohl kaum erlernt werden kann, nur angeboren. Neidisch braucht man trotzdem nicht zu werden; auch den nicht gehassten und verspotteten geht es nicht nur und ausschliesslich gut, glaube ich. Das muss man schon mögen.

Mit besten Grüßen
Christine

werderanerin

Liebe Christine,

habe deine Zeilen mehrmals gelesen und wenn ich da so an "den Sozialismus" in der untergegangenen DDR denke..., kann ich nur sagen, da musste niemand "Der Beste" sein, hier war eine Parteizugehörigkeit "ausreichend".
Hatte man dies nicht, war aber dennoch super gut..., es nützte nur bedingt etwas, weit ist man nicht gekommen !!!

Gute Bildung..., wissen wir alle,  ist Grundlage für die eigene Entwicklung, da muss man sicher nicht immer "der/die Beste sein" .
Hinzu kommt im Laufe des Lebens eine gehörige Portion Selbstbewußtsein, denn nur so kann ich auch kristische Phasen im Leben meistern und nicht gleich verzweifeln. 

Wenn man jung ist, packt einen oft genug der Ergeiz, im Laufe der Jahre wird man aber gelassener, weiß besser Situationen einzuschätzen , einzuordnen und das ist gut so.

Kristine
 

Christine62laechel

Ja, liebe Kristine, die Parteizugehörigkeit konnte manches leichter machen, nicht alle wollten sich aber dafür entscheiden. Und gut, wenn sie dafür nicht gezwungen waren, es gab ja verschiedene Situationen, wo man vieles verlieren konnte. Schlechte Zeiten; die Politik bringt schon immer welche Probleme mit sich, das war aber eine echt gemeine Zeit.

Ein wenig gelassen - das dürfen wir uns jetzt wohl wirklich leisten! :)

Mit besten Grüßen
Christine

ehemaliges Mitglied

Die allgemeine Zielrichtung Deiner kleinen Erzählung kann ich nicht erkennen, und gar nicht passend finde ich dieses Einflechten des Sozialismus:
.           1962, der Sozialismus sollte zwar alle Menschen gleich gemacht haben, doch...
Wenn ich Dich mal im Schnellgang über diesen Punkt aufklären darf - zwei hauptsächliche Maximen hatte jenes Gesellschaftsprojekt, das damals gerade erst an die 7 Jahren lief und auch 25 Jahre später keinesfalls die Abschlussrunde erreicht hatte:
.           (1) Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!
.           (2) Jedem nach seiner Leistung!
Wo Du da erkennen willst, dass das alle Menschen "gleich macht" - ich weiß es nicht!
Du wirst doch aber auch nicht annehmen, dass die beiden Punkte, beispielsweise, in der Bundesrepublik gang und gäbe wären: wer isst nicht alles, ohne zu arbeiten; wer kriegt nichts trotz Leistung oder zuviel (denken wir an die Manager-Boni).
Ich zitiere Dir mal einen Spruch über das Allzu-Menschliche, übrigens von JWvG:

.           Keinen Reimer wird man finden,
.           Der sich nicht den Besten hielte, *)
.           Keinen Fiedler, der nicht lieber
.           Eigne Melodien spielte.
Ja der Alte aus Weimar, der wusste es: das meiste ist  - menschliche Selbstüberschätzung!
elbwolf
PS: Ich sehe gerade, dass @Syrdal eher da war: da kannst Du mal gleich noch einen Spruch studieren: Wat dem einen sin Uhl, ist dem annern sin Nachtigall!

Christine62laechel

Also, die allgemeine Zielrichtung meiner Erklärung ist eben so allgemein, dass man sie unterschiedlich sehen kann, Wolfgang. Eine jede Leserin, ein Leser, da kann man einfach auf eigene Erinnerungen kommen, oder nur den Kopf schütteln, oder was auch immer...
   Der Sozialismus, der war alles andere als konsequent; nicht klüger, sozusagen, als es seine Schöpfer waren. Einerseits: "Es gibt nun keine Herren mehr!", und andererseits: "Die führende Rolle der Arbeiterklasse". Sagte da jemand "die Putzfrau", wurde er oder sie sofort korrigiert: "Frau Putzfrau!" (also, auf Deutsch klingt es noch viel besser, als auf Polnisch). Wobei die Vertreter der führenden Klasse, sowie die Frauen Putzfrauen, komisches Geld verdienten, besonders wenn mit dem Einkommen der Herren Genossen vergliechen.
Eule oder Nachtigall, da hat Syrdal Recht: Gut, dass es vorbei ist. (Obwohl wir hier in P. schon wieder eine komische Situation haben).

Mit besten Grüßen
Christine

Syrdal


Woran ich bei Deiner Geschichte denken musste:
In dem Staat, in dem ich lange Zeit gelebt habe, musste man, um sich im Beruf zu behaupten, fachlich immer ein wenig besser sein als die Mitarbeiter rundherum, wenn man nicht zur Schicht der „Nomenklatura“ gehörte, die allein aufgrund ihres Parteibuches
automatisch den Vorrang besetzte. Allerdings hatte es auf der anderen Seite den großen Vorteil, dass man an keiner der vielen Parteiversammlungen teilnehmen musste und auch nicht an mehreren Wochenenden im Jahr zu den betrieblichen Kampfgruppenübungen „eingezogen“ wurde. 

 
Gut, dass das vorbei ist...
sagt frei aufatmend

Syrdal

Christine62laechel

Ach ja, über die Parteiversammlungen gab es sogar Witze... Zum Beispiel:

Während einer Parteiversummlung hat jemand aus dem Publikum geniest. Der Vorsitzende fragt:
- Wer war das?
Nur Stille antwortet ihm, alle sizten blass vor Angst da.
- Ich frage, wer war das?
Ganz schüchtern erhebt sich ein Mann in der vorletzten Reihe.
- Ich war's...
- Also... Gesundheit!

Ja, Syrdal, gut, dass das vorbei ist.
Mit besten Grüßen
Christine


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