Glosse vom 23.02.2009 (etwas verändert gegenüber der Glosse auf der Titelseite)
Glosse vom 23.02.2009
(etwas verändert gegenüber der Glosse auf der Titelseite)
Was ich gerne mag:
... eigentlich weiter über das Thema Kunst schreiben (aber das greife ich dann im Fachforum „Kunst“ auf), aber die Diskussion um Tilman Jens und sein Buch läßt mich die Themenkreise Vater-Sohn, Kindheit, Familie-und-Kind noch einmal aufgreifen.
(Siehe dazu auch meine vorausgegangene Glosse vom 08.12.2008; meine Ausführungen hier beziehen sich nicht auf die aktuelle Diskussion um das Buch und die Person Tilman Jens, da ich bis das Buch nicht gelesen habe.)
Natürlich tangiert das Buch von Tilman Jens auch andere Themen und Probleme wie die Frage der individuellen und kollektiven Verdrängung der Nazi-Zeit, wobei man sagen muß, daß eine solche Verdrängung kein Spezifikum der deutschen Gesellschaft und Politik ist, sondern ein Phänomen, das offenbar zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften stattfand. Darüber vielleicht einmal in einer anderen Glosse.
Heute hier noch einmal der grundsätzliche Blick auf die Genesis eines Menschen, einer Persönlichkeit.
Fast erschreckend die Tatsache, daß Eltern, eine Familie, ein weiteres soziales Umfeld nicht nur eine Kindheit, sondern offenbar in vielen oder meisten Fällen ein ganzes Leben präformieren – und wohl auch oft deformieren. Denn diese Prägung scheint wohl die entscheidende Prägung zu sein.
Klar, im Falle einer „musikalischen“ Prägung durch das Elternhaus wird jeder – der/die Betroffene wohl hoffentlich auch? – das begrüßen. Wäre sonst z.B. die Geigerin Julia Fischer aus München sonst die weltberühmte Geigerin geworden? (Jetzt erschien ihre Einspielung der Bach’schen Violinkonzerte.) Am Anfang ihres musikalischen Lebens – die entsprechende Begabung vorausgesetzt – stehen Vorbild, Einfluß und Prägung durch die Eltern. Und nicht nur bei Musikern, Künstlern, Schriftstellern, sondern auch bei vielen Wissenschaftlern spielt der sehr frühe Einfluß (hier allerdings mehr in der Schule) einen entscheidenden Einfluß.
Was ich nicht mag:
... nun die Beobachtung, daß eine „negative Prägung“ leider auch einen entscheidenden, eben lebensentscheidenden Einfluß hat.
Am „Schwarzen Brett“ [hier im ST] wies ich gestern auf das Buch von Inge Kloepfer (Aufstand der Unterschicht. Was auf uns zukommt, Hamburg 2008) hin.
Eine sich aus diesem Buch noch ergebende These ist eben, daß ein Kind, in einem Unterschichtenmilieu geboren, kaum eine Chance hat, jemals aus diesem Milieu, aus Armut, Beengtheit und Beschränktheit herauszukommen. Daß sich diese Entwicklung gleichsam perpetuiert, liegt auf der Hand.
Nun wird der/die eine einwenden, daß dies ja nun keine neue Erkenntnis ist (für manche schon, denn diese behaupten ja penetrant, daß in dieser Gesellschaft jede/r alle Chancen hätte!).
Und manche stört auch diese offenbar fast schicksalsbedingte Schichtung nicht, denn ihre Privilegien (Prestige, Vermögen, meistens ererbt; Stellung etc.) basieren ja weniger oder kaum auf das so oft zitierte persönliche Können und entsprechende Tüchtigkeit (lassen wir einmal das Quentchen Glück beiseite, das ja doch nicht immer die entscheidende Rolle spielt), sondern vielmehr ja auf der Tatsache, daß es die „da unten gibt“.
Doch es gibt immerhin nicht wenige Menschen, die sich mit diesem Umstand nicht abfinden wollten und wollen. Denn es kann ja nicht sein, daß allein mit der Geburt in eine bestimmte Familie und in ein bestimmtes soziales Milieu die einen zu den „Glückskindern“ einer Gesellschaft gehören, die anderen – gleichsam "per natum", mit ihrer Geburt – aber mehr oder weniger zu den Verlierern.
Über mich:
Vor kurzem bei Nachbarns eine dieser Fernseh-Politik-Talkshows (ich weiß nicht welche), wo u.a. im Zusammenhang mit der These, daß der soziale Ausgleich zwischen reichen und armen Alten nicht über die junge Generation, sondern gleichsam ausgleichend zwischen den reichen und armen Alten erfolgen sollte ... also in diesem Zusammenhang eine Befragung durch das Fernsehen auf einer Nobelstraße (wohl in München), ob denn diese reichen „Rentner“ zu einem solchen Ausgleich bereit wären. Sicher, solche spontanen Interviews werden manipulativ, meinungsmachend präsentiert.
Trotzdem ... ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich eher die armen Alten zu einem kollektiven Freitod entschließen könnten, bevor diese beklunkerten und begüterten Alten ihre Herzen und vor allem ihre Geldbörsen öffnen würden.
(Wohlbemerkt, mein sicher eher falscher Eindruck; oder?)
Dennoch – es gibt in dieser Gesellschaft Menschen, die sich speziell für diese Chancengleichheit der unterprivilegierten Kinder und Jugendlichen bemühen und engagieren. (Zum Beispiel engagiert sich der Pädagoge Bernhard Bueb, der ehemalige Schulleiter von Salem, dieser „Elite-Schule“ und diesem „Elite-Internat“, für Berliner Hauptschüler).
Warum empöre ich mich – im diesem Jahr 75 Jahre werdend und für den Rest des Lebens als Pensionärin mehr oder weniger brauchbar versorgt – ob dieses Umstandes, daß immer noch und wieder vermehrt einem beträchtlichen Anteil der Kinder und Jugendlichen in dieser Gesellschaft (von der weltweiten Situation gar nicht zu reden!) diese Chancengleichheit verwehrt wird? Es darf nicht sein, daß eine immer größeren Zahl von Kindern und Jugendlichen mehr oder weniger jede Zukunftschance genommen wird!
Komme mir jemand nicht mit dem Hinweis auf die Konsum- und Medienverwahrlosung dieser Kinder und Jugendlichen – diese Angebote im Bereich Medien, Konsum etc. werden im Rahmen der sogenannten freien Marktwirtschaft von der Wirtschaft gemacht, in der Erwartung, daß der Medienpöbel (so einmal der Kabarettist Georg Schramm) diesen unendlichen Schwachsinn wie etwa Klingeltöne etc. konsumiert, was wiederum auf den Wirtschaftsseiten renommierter Zeitungen als wirtschaftliches Hoffnungszeichen verkündet wird. Oder, um die Quotenerwartungen vor allem des Unterschichtenfernsehens zu erfüllen.
Wäre es nicht die vornehme Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft, allen Menschen eine wirkliche Chancengleicheit zu ermöglichen und zu bieten?
Verantwortlich
Die Bertha
vom Niederrhein
(etwas verändert gegenüber der Glosse auf der Titelseite)
Was ich gerne mag:
... eigentlich weiter über das Thema Kunst schreiben (aber das greife ich dann im Fachforum „Kunst“ auf), aber die Diskussion um Tilman Jens und sein Buch läßt mich die Themenkreise Vater-Sohn, Kindheit, Familie-und-Kind noch einmal aufgreifen.
(Siehe dazu auch meine vorausgegangene Glosse vom 08.12.2008; meine Ausführungen hier beziehen sich nicht auf die aktuelle Diskussion um das Buch und die Person Tilman Jens, da ich bis das Buch nicht gelesen habe.)
Natürlich tangiert das Buch von Tilman Jens auch andere Themen und Probleme wie die Frage der individuellen und kollektiven Verdrängung der Nazi-Zeit, wobei man sagen muß, daß eine solche Verdrängung kein Spezifikum der deutschen Gesellschaft und Politik ist, sondern ein Phänomen, das offenbar zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften stattfand. Darüber vielleicht einmal in einer anderen Glosse.
Heute hier noch einmal der grundsätzliche Blick auf die Genesis eines Menschen, einer Persönlichkeit.
Fast erschreckend die Tatsache, daß Eltern, eine Familie, ein weiteres soziales Umfeld nicht nur eine Kindheit, sondern offenbar in vielen oder meisten Fällen ein ganzes Leben präformieren – und wohl auch oft deformieren. Denn diese Prägung scheint wohl die entscheidende Prägung zu sein.
Klar, im Falle einer „musikalischen“ Prägung durch das Elternhaus wird jeder – der/die Betroffene wohl hoffentlich auch? – das begrüßen. Wäre sonst z.B. die Geigerin Julia Fischer aus München sonst die weltberühmte Geigerin geworden? (Jetzt erschien ihre Einspielung der Bach’schen Violinkonzerte.) Am Anfang ihres musikalischen Lebens – die entsprechende Begabung vorausgesetzt – stehen Vorbild, Einfluß und Prägung durch die Eltern. Und nicht nur bei Musikern, Künstlern, Schriftstellern, sondern auch bei vielen Wissenschaftlern spielt der sehr frühe Einfluß (hier allerdings mehr in der Schule) einen entscheidenden Einfluß.
Was ich nicht mag:
... nun die Beobachtung, daß eine „negative Prägung“ leider auch einen entscheidenden, eben lebensentscheidenden Einfluß hat.
Am „Schwarzen Brett“ [hier im ST] wies ich gestern auf das Buch von Inge Kloepfer (Aufstand der Unterschicht. Was auf uns zukommt, Hamburg 2008) hin.
Eine sich aus diesem Buch noch ergebende These ist eben, daß ein Kind, in einem Unterschichtenmilieu geboren, kaum eine Chance hat, jemals aus diesem Milieu, aus Armut, Beengtheit und Beschränktheit herauszukommen. Daß sich diese Entwicklung gleichsam perpetuiert, liegt auf der Hand.
Nun wird der/die eine einwenden, daß dies ja nun keine neue Erkenntnis ist (für manche schon, denn diese behaupten ja penetrant, daß in dieser Gesellschaft jede/r alle Chancen hätte!).
Und manche stört auch diese offenbar fast schicksalsbedingte Schichtung nicht, denn ihre Privilegien (Prestige, Vermögen, meistens ererbt; Stellung etc.) basieren ja weniger oder kaum auf das so oft zitierte persönliche Können und entsprechende Tüchtigkeit (lassen wir einmal das Quentchen Glück beiseite, das ja doch nicht immer die entscheidende Rolle spielt), sondern vielmehr ja auf der Tatsache, daß es die „da unten gibt“.
Doch es gibt immerhin nicht wenige Menschen, die sich mit diesem Umstand nicht abfinden wollten und wollen. Denn es kann ja nicht sein, daß allein mit der Geburt in eine bestimmte Familie und in ein bestimmtes soziales Milieu die einen zu den „Glückskindern“ einer Gesellschaft gehören, die anderen – gleichsam "per natum", mit ihrer Geburt – aber mehr oder weniger zu den Verlierern.
Über mich:
Vor kurzem bei Nachbarns eine dieser Fernseh-Politik-Talkshows (ich weiß nicht welche), wo u.a. im Zusammenhang mit der These, daß der soziale Ausgleich zwischen reichen und armen Alten nicht über die junge Generation, sondern gleichsam ausgleichend zwischen den reichen und armen Alten erfolgen sollte ... also in diesem Zusammenhang eine Befragung durch das Fernsehen auf einer Nobelstraße (wohl in München), ob denn diese reichen „Rentner“ zu einem solchen Ausgleich bereit wären. Sicher, solche spontanen Interviews werden manipulativ, meinungsmachend präsentiert.
Trotzdem ... ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich eher die armen Alten zu einem kollektiven Freitod entschließen könnten, bevor diese beklunkerten und begüterten Alten ihre Herzen und vor allem ihre Geldbörsen öffnen würden.
(Wohlbemerkt, mein sicher eher falscher Eindruck; oder?)
Dennoch – es gibt in dieser Gesellschaft Menschen, die sich speziell für diese Chancengleichheit der unterprivilegierten Kinder und Jugendlichen bemühen und engagieren. (Zum Beispiel engagiert sich der Pädagoge Bernhard Bueb, der ehemalige Schulleiter von Salem, dieser „Elite-Schule“ und diesem „Elite-Internat“, für Berliner Hauptschüler).
Warum empöre ich mich – im diesem Jahr 75 Jahre werdend und für den Rest des Lebens als Pensionärin mehr oder weniger brauchbar versorgt – ob dieses Umstandes, daß immer noch und wieder vermehrt einem beträchtlichen Anteil der Kinder und Jugendlichen in dieser Gesellschaft (von der weltweiten Situation gar nicht zu reden!) diese Chancengleichheit verwehrt wird? Es darf nicht sein, daß eine immer größeren Zahl von Kindern und Jugendlichen mehr oder weniger jede Zukunftschance genommen wird!
Komme mir jemand nicht mit dem Hinweis auf die Konsum- und Medienverwahrlosung dieser Kinder und Jugendlichen – diese Angebote im Bereich Medien, Konsum etc. werden im Rahmen der sogenannten freien Marktwirtschaft von der Wirtschaft gemacht, in der Erwartung, daß der Medienpöbel (so einmal der Kabarettist Georg Schramm) diesen unendlichen Schwachsinn wie etwa Klingeltöne etc. konsumiert, was wiederum auf den Wirtschaftsseiten renommierter Zeitungen als wirtschaftliches Hoffnungszeichen verkündet wird. Oder, um die Quotenerwartungen vor allem des Unterschichtenfernsehens zu erfüllen.
Wäre es nicht die vornehme Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft, allen Menschen eine wirkliche Chancengleicheit zu ermöglichen und zu bieten?
Verantwortlich
Die Bertha
vom Niederrhein
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