Geschichten und Gedichte zur Weihnachtszeit (Teil 2)
Die besondere Gelegenheit
Mein Freund öffnete eine Schublade der Kommode seiner Frau und holte daraus ein kleines Paket hervor, das in Seide eingewickelt war:
« Dies ist nicht einfach ein Paket, darin ist feine Wäsche.»
Er betrachtete die Seide und die Spitze:
« Dies habe ich ihr vor 8 oder 9 Jahren in der Eifel gekauft, aber sie hat es nie getragen.
Sie wollte es aufbewahren, für eine besondere Gelegenheit.
Nun ja, ich glaube jetzt ist der Moment gekommen.“
Er ging zum Bett und legte das Päckchen zu den anderen Sachen, die der Bestatter mitnehmen würde.
Seine Frau war gestorben, gestern – zwei Tage vor „Heiligen Abend“.
Er drehte sich zu mir um und sagte: «Hebe niemals etwas für einen besonderen Anlass auf. Jeder Tag, den du erlebst, ist besonders! »
Ich denke immer an seine Worte, sie haben mein Leben verändert.
Heute lese ich viel mehr als früher und putze weniger.
Ich setze mich auf meine Terrasse und genieße den Blick in die Natur, ohne mich am Unkraut im Garten zu stören.
Ich verbringe mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden und arbeite weniger.
Ich habe begriffen, dass das Leben aus einer Sammlung an Erfahrungen besteht, die man zu schätzen wissen sollte.
Außerdem schone ich nichts.
Ich nehme die guten Kristall-Gläser jeden Tag, und ziehe meine neue Jacke zum Einkaufen im Supermarkt an, wenn mir danach ist.
Ich hebe mein bestes Parfum nicht mehr für Festtage auf sondern trage es, wenn ich Lust habe.
Sätze wie « irgendwann » und « eines Tages » werden aus meinem Vokabular verbannt.
Wann immer es sich lohnt, will ich, was mir in den Sinn kommt, gleich sehen, hören und machen.
Ich weiß nicht, was die Frau meines Freundes getan hätte, hätte sie gewusst, dass sie morgen nicht mehr da ist (ein Morgen, das uns viel zu sehr egal ist).
Ich denke, sie hätte ihre Familie und enge Freunde angerufen. Vielleicht hätte sie sich bei alten Freunden für einen Streit entschuldigt, der lange her war.
Ich stelle mir gern vor, dass sie chinesisch essen gegangen wäre (zu ihrem Lieblings-Chinesen).
Es sind die ganz kleinen nie getanen Dinge, die mich ärgern würden, wenn ich wüsste, dass meine Stunden gezählt sind.
Ich wäre traurig, gute Freunde nicht mehr getroffen zu haben, mit denen ich schon so lange Kontakt aufnehmen wollte (irgendwann, eben).
Traurig, dass ich die Briefe nicht mehr geschrieben habe, die ich schreiben wollte « irgendwann, eben».
Traurig, dass ich meinen Lieben nicht oft genug gesagt habe, dass ich sie liebe.
Inzwischen verschiebe ich nichts mehr, bewahre nichts für eine besondere Gelegenheit auf, was ein Lächeln in unser Leben bringen könnte. Ich sage mir, dass jeder Tag ein besonderer Tag ist.
Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute ist besonders.
Autor unbekannt
Anmerkung: Und ich danke meinem Schöpfer allabendlich im stillen Gebet, für jeden neuen Tag, den ich – im Alter - erleben darf! Auch wenn es manchmal – durch Krankheit, Schicksalsschläge oder andere Sorgen schwere Tage sind. Doch ich orientiere mich daran, wie vielen Menschen es viel schlechter oder schwerer haben als ich – und dann wird aus einem gebrauchten Tag, ein guter Tag.
Der Weihnachtstraum
Vier Engel die aus Porzellan
sie seh’n vom Weihnachtstisch mich an.
Und wenn die Kerzen abends brennen
kann man sie fast “lebendig” nennen.
Ich hab’ mir darum oft gedacht,
dass jedes Mal zur heil’gen Nacht,
sie aus der Starre sich erheben
und wie wir Menschen wirklich leben.
Drum hat ich einen Plan ersonnen
und mit der Tat auch bald begonnen…
Das letzte Weihnachtsfest war nett
ich ging danach sehr früh zu Bett.
Die Lichter waren alle aus.
Die Stille war zu Gast im Haus.
Ganz leise aus dem Bett ich kroch
und lugte dann durchs Schlüsselloch.
Es wollt’ mir fast die Sinne rauben!
Ich konnt’ zunächst es gar nicht glauben.
Die Englein tanzten auf dem Tisch
so quicklebendig, munter, frisch.
Dann sangen sie so schön und leise
so manche weihnachtliche Weise.
Kein Mensch kann jemals schöner singen.
Es war mir als ob Glöcklein klingen.
Ganz leise zog ich mich zurück.
Was war das für ein Weihnachtsglück!
Mein schönster Traum wurd’ endlich wahr.
Dies’ Weihnachten war wunderbar…
@ Verfasser unbekannt
Kommentare (4)
Danke, lieber Syrdal,
für Deine Gedanken zum Sinn dieser Erzählung!
Tatsächlich scheue ich mich nicht, was ich habe, oft zu nutzen und was ich nicht nutze verwerfe oder verschenke ich, mit jedem Tag ein bisschen mehr: Das schafft Platz und Übersicht - und befreit.
Und auch ich erlebe jeden Tag im Alter, so wie er ist, als was Kostbares, was Besonderes und danke dafür!
Ich freue mich auf den "Heiligen Abend" und die Weihnachtsfeiertage und wünschen allen, dass es ihnen auch so ergeht
Ferdinand
Lieber Ferdinand,
zu Deiner Geschichte erinnere ich mich an unserer Kindheit in der es immer einen "Sonntags-Staat" gab der nur für - wie der Name schon sagt- für Sonntag oder Feiertage getragen wurde. Den durfte man dann auch nicht schmutzig machen...
Das hat mich noch als erwachsene Frau geprägt... aber mittlerweile im fortgeschrittenen Alter bin ich schon eine ganze Weile im dem Stadium in dem Du jetzt bist.....lach..
Ich mache es mir jeden Tag so schön wie möglich, ziehe mich hübsch an (wenn ich nicht gerade putze) pflege mich und meine Kontakte (im Moment etwas eingeschränkt)und versuche so zu leben als wären es meine "letzten" Tage....
Ich habe mich sehr über Deinen Beitrag gefreut...und mich darin wiedererkannt.
Das Gedicht zeugt von kindlicher Fantasie, die den meisten heutzutage schon (leider) abhanden gekommen ist....
Ich habe Dir schon im 1. Beitrag Weihnachten gewünscht..deshalb
fühle Dích (nur) umarmt
mit liebem Gruß
Angelika
Danke, liebe Anelika,
für alle Deine Gedanken zu dieser Erzählung und das sie Dir gefallen hat! Tatsächlich hatten wir früher nur das Allernotwendigste und haben es oft genug für besondere Tage schonen müssen, im Gegensatz zu jetzt, wo wir uns fast alles leisten können und oft genug im Übermaß leben. Und so brauchen wir nichts für besondere Anlässe aufheben und können es täglich nutzen.
Doch sollten wir darüber nicht vergessen, wie viele und gerade ältere Menschen - auch in unsrem Lande - am Existenzminimum leben und in vielen Ländern gar mit Tod durch Verhungern bedroht sind.
Mit diesen meinen Gedanken wünsche ich Dir ein gesegnetes Werihnachtsfest und anhaltende Gesundheit
Ferdinand
Lieber Ferdinand, in deiner die Lebensgestaltung betrachtenden Geschichte habe ich ganz spontan diesen Satz rot angestrichen:
Dass es gelingen möge, rechtzeitig „die richtigen Wege“ zu gehen, wünscht sich und dir und allen Menschen heute und zu jeder Zeit
Syrdal