" Geschadet hat es uns nicht"
Meine beste Freundin und ich (Jahrgang 1952) schwelgten anlässlich unserer Geburtstage in Erinnerungen und kamen zwangsläufig auf unsere gemeinsame Schulzeit zu sprechen. Ein unerschöpfliches Thema wie sich herausstellte. Längst vergessene Situationen waren wieder präsent und das .....weißt Du noch ......nahm kein Ende. Als wir dann auch noch entsprechende Fotos rauskramten, haben wir nicht mehr aufhören können zu lachen.
Wir konnten uns an unsere Klassenlehrer/-innen als ältere Herrschaften (Herren in Anzug mit Krawatte,
Damen in langen dunklen Kleidern mit Spitzenkrägelchen, allesamt "Fräuleins") erinnern.
Wir lernten noch Sütterlin-Schrift, hatten ab Klasse 8 Haushaltskunde (Kochen, Nähen usw.) von uns Mädels nicht gerne angenommen. Noch Heute erinnern wir uns, wenn wir aus dem Haus gehen, an die Worte von Fräulein Sch. unserer Hauswirtschaftslehrerin: Verlässt man die Wohnung, muss das Betten gemacht, das Geschirr gespült und der Mantel zugeknöpft sein. Wir haben festgestellt, wir Mädels praktizieren es Heute noch. Wir erinnern uns gegenseitig daran. Ein großes Hallo bei jedem Klassentreffen.
Unsere katholische Grundschule hatte getrennte Klassen für Jungen und Mädchen. Nichts besonderes, wir kamen ja alle aus einem streng katholischen Elternhaus.
Bei Trauergottesdiensten mussten wir ab Klasse 7 morgens um 6 Uhr in der Kirche das lateinische Requiem singen, anschließend begann der Unterricht.
Der Lehrkörper war sehr streng, sparte nicht mit Schlägen, mal an den Kopf, mal auf die Finger. Strafarbeiten waren an der Tagesordnung. Beschwerden bei den Eltern zwecklos, Lehrer, Apotheker und Pastöre waren absolute Respektspersonen. Zuhause hörte man höchstens noch, dann hast du es wohl verdient .
Je mehr wir - in unserer Wahrnehmung - drangsaliert wurden, umsomehr schlossen wir Schüler uns zusammen waren unzertrennlich und absolut verschwiegen. Die vielen ungerechten Behandlungen und teilweise willkürlichen Benotungen sowie die offene Kritik an einem von uns - vor versammelter Mannschaft - haben wir hingenommen und in den Pausen unser Selbstvertrauen gegenseitig wieder aufgebaut.
Am Schlimmsten war für uns der "schlagende Lehrkörper".
Heute sind wir sicher, dass all der Nachkriegsfrust der Herren und Fräuleins an uns Kindern ausgelassen wurde und die überaus strenge katholische Erziehung ein Übriges getan hat.
Meine beste Freundin und ich kennen uns genau 60 Jahre, was ist geblieben aus dieser Zeit?
Das gemeinsam Erlebte hat uns mit einem ganz starken Band versehen. Wenn wir uns zwischendurch auch mal - beruflich bedingt - nicht so oft sehen konnten, so kann beim nächsten Treffen sofort wieder angeknüpft werden. Die Klassentreffen sind herrlich, es gibt auch nach so langer Zeit kein "fremdeln" und es kommen immer noch Erinnerungen dazu. Wir mussten alle hart daran arbeiten, unser Selbstbewußtsein zu stärken bzw. neu aufzubauen. Alles prägende Erinnerungen.
Trotz aller "Züchtigungen" ist aus allen etwas geworden - wie man so schön sagt -.
Mittlerweile sind auch schon die Klassentreffen schöne Erinnerungen.
Wenn wir die heutigen Lehrmethoden in den Schulen unserer Kinder und Enkelkinder vergleichen, sind wir unisono froh, dass die alten Zeiten endgültig vorbei sind. Über mangelndes Selbstbewußtsein bei den Kids kann man nicht klagen. Es wäre jedoch auch in der heutigen Zeit sinnvoll den Kindern/Jugendlichen gewisse Werte beizubringen. Natürlich sollte dies im Elternhaus geschehen. Zu Zeiten der Ganztagsschulen liegt jedoch die Hauptverantwortung bei den Pädagogen.
Freundschaften über die Schulzeit hinaus gibt es nur selten oder garnicht. Heute gibt es Mobbing und Ausgrenzungen. Kontakte nach der Schulzeit sind sehr selten. Schade eigentlich.
Beim letzten Klassentreffen haben wir unsere überaus strenge Schulzeit erneut Revue passieren lassen und waren uns einig: Geschadet hat es uns nicht!
Unsere schulische Erziehung hat uns hart gemacht für das wirkliche Leben mit allen Ungerechtigkeiten, Unzulänglichkeiten und uns etwas kostbares geschenkt, Freunde fürs ganze Leben!
Gemeinsam erlebtes ist ein starkes Band, das unsere Generation Schüler nicht lösen kann oder will.
Nun sitzen wir Freundinnen bei Kaffee und Kuchen, können kaum glauben wie alt wir schon sind und diskutieren darüber, dass angeblich mit 66 Jahren das Leben ja erst anfängt. Na denn!
Kommentare (5)
Liebe Margret,
mit großem Interesse habe ich Deinen Bericht aus alter Zeit gelesen.
Aber auch ich stutzte beim Jahrgang 1952, denn, obwohl ich zum Jahrgang 1937 gehöre und in den fünfziger Jahren bereits ein junges Mädchen war, kann ich von ähnlichen Erfahrungen berichten. Vor allem von der streng katholischen Erziehung.
Endlos gäbe es auch Einzelheiten zu erzählen, wie z.B. von einzelnen Lehrpersonen, die mich bestraften, nicht beachteten und gering schätzten, weil ich eine schlechte Schülerin war sowie das Kind einer armen Kriegerwitwe mit Freund und und und.
Leider ist meine Schulfreundin vor 6 Jahren gestorben, und ein Klassentreffen fand nur ein einziges Mal statt, sodass sämtliche Kontakte schon früh abgebrochen sind.
Aber wie gesagt, ich habe gerne Deine Erinnerungen gelesen und freue mich, dass Ihr alle noch Kontakt habt.
Mit bestem Gruß
Andrea
Als Lehrerin, die zwar nicht streng ist, nicht gerne aber Kindern und Jugendlichen alles erlaubt, habe ich mit echtem Vergnügen Deine Worte, Margret, gelesen, die als meine eigenen auch gelten könnten: Geschadet hat es uns nicht, sondern es hat uns hart gemacht, und auf das nicht unbedingt nur gerechte Leben vorbereitet. Noch vor etwa 20 Jahren hieß es hier: die Schule macht bei der Erziehung mit, und wird die jungen Leute auf das Leben, also auch auf den Stress usw., vorbereiten. Jetzt sollte es nur süß sein. ;) Meine Schüler sind aber ein Beweis dafür, dass ein wenig Abstand nur gut tun kann: Sie mögen mich und haben Respekt, weil sie es deutlich zu verstehen bekommen: Ich bin keine Kumpelin für euch. Dafür in Not ist auf mich Verlaß.
Mit besten Grüßen
Christine
Liebe Margret
beim Lesen habe ich etwas gestutzt, ich zwar Jahrgang 1945 aber Deine Erinnerungen der Schulzeit könnten auch meine sein...
Also hatte ich Gänsehaut und große Freude, als sich auch meine Erinnerungen wieder auftaten.
Dann wirst Du auch noch wissen, dass wir Mädchen nicht in einer langen Hose in der Schule erscheinen durften, oder einen Rock darüber tragen mußten....
Leibesübung hatten wir in einer Ruine, weil die Turnhalle 1952 noch nicht wieder aufgebaut war. Als Turnbekleidung hatten wir schwarze Hemdchen mit eine Röckchen dran...
Wir mußten zur Strafe noch in der Ecke stehen, einen Knicks machen vor eigentlich allen Erwachsenen und vor den "absoluten Respektpersonen", wie Du so richtig schreibst, mußte der Knicks tiefer sein.
Die Frau des Apothekers, oder Arztes war ebenfalls als Frau Doktor anzusprechen..
Auch ich erfreue mich einer Schulfreundin seit 64 Jahren und es geht genauso zu wie bei Euch, wenn wir uns treffen..
Und jetzt suche ich meine alten Fotos um die Erinnerungen noch zu vertiefen, die Du hier bei mir geweckt hast
mit Dank und Freude
herzlichst ladybird
Liebe Magret,
ja, so hat man seine Erinnerungen an längst vergangene Schulzeiten und sicherlich ist an deiner Äußerung "das hat uns nicht geschadet" auch etwas dran....vergleichen jedoch kann man die Schulsysteme, denke ich, nicht..., viel zu unterschiedliche, politische Systeme gab es.
Ich habe z.B. meine Schulzeit in der DDR gehabt, kenne Rohrstöcke o.ä. Gegenstände der Machtausübung so garnicht. Auch waren unsere LehrerInnen keinesfalls aus dem vorigen Jahrhundert..., im Gegenteil, man kam ziemlich flott und jung daher.
Freundschaften aus der Schulzeit habe ich leider nicht mehr, zuviel ist einfach passiert , die Wendezeit hat alles auseinander gebracht und leider hatte man zu der Zeit "damals" noch keine sozialen Medien...naja, alles nicht so schlimm, andere Freundschaften halten dafür heute noch !
Kristine
Ich bin in Bayern zur Schule gegangen, wo die meisten Jungs Lederhosen trugen. Einmal, als ein lebhafter Schulbub besonders unruhig war, mußte er seine Lederhose ausziehen und sich über einen Stuhl legen, damit ihm die verabreichten Hiebe auch wirklich weh taten.
Der Junge fühlte sich in seiner Ehre schwer gekränkt und beklagte sich bei seinem Opa.
Der erzürnte Opa drohte daraufhin dem Lehrer und kein Junge mußte mehr die Lederhose herunter lassen.