Gääähn - Opa erzählt schon wieder aus dem "Krieg"...


Wegen bestimmter Ereignisse tummeln sich zurzeit in meinem Kopf eine Vielzahl von Erinnerungen, die zwar nie vergessen, mir aber die letzten Jahre nicht so bewusst waren wie augenblicklich. Solange ich meine Erinnerungen noch beherrsche, möchte ich euch gerne die eine oder andere Geschichte erzählen.

Mit wenigen Abstrichen genoss ich eine wunderbare Kindheit. Bei uns gab es in den 1960er-Jahren noch keine Computer. Der Fernseher sendete in schwarz-weiß und nur 3 Programme, zum telefonieren suchten wir die nahe gelegene Telefonzelle auf und das heiße Badewasser kam nicht aus der Leitung, sondern floss aus einem mit Holz und Kohle befeuerten Tank in die Wanne. Das kleine Kinderzimmer, dass ich mir mit meiner drei Jahre jüngeren Schwester teilte, wurde mit dem Ofen der daneben gelegenen Küche beheizt und in kalten Wintern wachten wir nicht selten mit dicken Eisblumen an dem einfach verglasten Holzfenster auf. Ich schnitzte mir als Grundschüler aus Ästen mit meinem Taschenmesser eine Zwille oder einen Bogen, baute Buden im „Wäldchen“ um die Ecke, sprang über Wassergräben, kletterte von Weidezäunen auf Pferderücken und kaute auf Sauerampfer, der besonders schön zwischen frischen Kuhfladen wuchs.

Öffentlicher Personennahverkehr fand so gut wie noch nicht statt. Wir wohnten am Ortsrand und meine (unsere) geliebte Omi etwa 2 Kilometer entfernt in der Mitte des Dorfes. Wollte ich sie besuchen, musste ich zu Fuß los. Mit dem Fahrrad ließ mich meine Mutter diese Strecke nicht fahren, so etwas wie Radwege gab es noch nicht. Zudem bestand sie immer darauf, meine kleine Schwester mitzunehmen. Damit sie mir unterwegs nicht abhanden kommt, wurden wir kurzerhand mit einem Bindfaden an den Handgelenken zusammen gebunden und mit unseren kurzen kindlichen Beinen war es immer ein beträchtlicher Fußmarsch, den wir zurück legten. Kamen wir dann unbeschadet bei unserer Omi an, löste diese den Knoten an den Unterarmen wieder.

Nachts kroch meine Schwester gern mal aus ihrem Kinderbett in meine warme Furzmolle, was ich oft gar nicht mitbekam. Eines Sonntagmorgen wurde ich früh wach und sah mal wieder meine Schwester schlafend neben mir liegen. Doch dann ein riesiger Schreck, da lag noch jemand zwischen uns. Es war tatsächlich der Weihnachtsmann. Oh Gott hatte ich eine Angst. Ich lag an der Wand und um das Bett zu verlassen, musste ich über Santa Claus und meine Schwester klettern. Ohne zu atmen und gaaaanz langsam stieg ich über die beiden – es dauerte gefühlte Stunden - und kaum hatten meine Füße den Boden berührt, rannte ich wie der Blitz Richtung Schlafzimmer, um meine Eltern zu wecken. Es stellte sich heraus, dass mein Vater, ein kleiner Spaßvogel, nächtlicherweise seine Weihnachtsmann-Maske zwischen uns platzierte. Er fand es sicher lustig, ich glaube mich zu erinnern, ich nicht so.
© Kobold60

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Kommentare (7)

Kobold60 ihr habt so etwas von Recht FranzFink und Roxanna. So sehr diese Geschichten früher auch "genervt" habe, die Jahre danach hätte ich viele Fragen gehabt und mir weitere Erlebnisse gerne angehört.

Kristine und "Franzl Fink", richtig, die Balance finden heißt das Zauberwort. Ich empfinde die Aussprache eigentlich als nicht so wichtig, solange der Inhalt stimmt und neugierig macht. Übrigens, die Floskel "Kleider machen Leute" kann man auch auf Erzählungen übertragen, die in einem "neuen zeitgemäßen Gewandt" dennoch alte Güte widerspiegeln können.

Besten Gruß vom Kobold
ehemaliges Mitglied es müssten Geschichten sein, wo sie sich wiederfinden. Wenn schon nicht in der Sprache, so doch in den Handlungen, denn da hat sich wenig geändert, glaube ich.

FranzFink
werderanerin mit den ewig gestrigen Geschichten der "älteren Generation" und wie es heute bei "uns"...auch ich erwische mich hin und wieder dabei "von früher" zu erzählen, dabei gehört das ja zu einem Leben dazu, nur sollte man die Jugend nicht volltexten damit, denn nur, wenn man es immer und immer wieder hört, geht es einem ja auf den Senkel. Die Balance dabei zu finden, ist wohl schwer...
Kristine
Roxanna in deiner Geschichte, lieber Kobold60, haben auch bei mir Erinnerungen wachgerufen an die Eisblumen an den Fenstern und auch manchmal an den Wänden im Kinderzimmer (die Winter, so kommt es mir heute vor, waren nämlich noch knackig kalt), das von der Küche aus mit Kohle- und Holz mitgeheizt wurde, das Badewasser, das ebenfalls mit Kohle und Holz angeheizt wurde, alles auch so erlebt.
Ja und bei mir war es nicht der Opa, der immer von seinen Kriegserinnerungen erzählt hat, sondern mehr mein Vater und dem Heimweh meiner Eltern nach Oberschlesien. Da sagte ich als Kind und auch später noch lange "gäääähn". Als ich angefangen habe mich dafür zu interessieren, gab es niemanden mehr, den ich hätte fragen können.Das hat mir sehr leid getan.

LG
Roxanna
ehemaliges Mitglied … ich kenne das. Das mit Opa´s nervenden Kriegsgeschichten, nur, bei mir waren es die Onkels.
Heute denke ich mir oft: "Hätte ich bloss besser zugehört", denn die Geschichten von damals sind die Geschichten von heute. Ich schreibe von damals und bin ständig am Recherchieren, speziell über die Sprache und die vielen vergessenen Ausdrücke.
Cool war damals "dufte" und "geil" sagte man nur hinter vorgehaltener Hand.
Weiterhin gutes Gelingen wünscht
FranzFink
Kobold60 Hallo FranzFink, Danke schön für die lobenden und kritischen Worte.

Du hast natürlich völlig Recht, der Titel ist miss- bzw. unverständlich. Aber mir ist irgendwie nicht die passende Überschrift eingefallen und dann erinnerte ich mich, wie wir als Kinder immer die Augen verdreht haben, wenn unser Opa zum tausendsten mal die immer gleichen Geschichten aus dem Krieg erzählte. Und da meine kleinen Kindheitsgeschichten denen vieler anderen ähneln, die nicht nur im www schon so oft erzählt wurden, verfiel ich eben auf diesen Titel.

Einen schönen Gruß ins wunderbare Austria
Der Kobold
ehemaliges Mitglied … und gut rübergebracht. Mit ein wenig Humor gemixt ist die Story angenehm zu lesen. Bravo! Ich schreibe ähnliche Sachen.

Nur eines ist mir nicht klar geworden, nämlich der Titel … passt irgendwie nicht ganz, oder?

LG aus Österreich
FranzFink

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