Fastnachtsbrief
Liebe Elfriede,
ich muss Dir heute mal wieder schreiben, weil ich gestern mit meinem Hans bei der Narrensitzung war. Das war sehr urkomisch. Wir haben gebrüllt vor Lachen. Das muss ich Dir schreiben.
Ich ging als Brillenschlange mit einer Netzstrumpfhose, dem schwarzen Korsett, wo Du kennst, der durchbrochenen Bluse und einer ganz großen Brille, rot mit vielen Pailletten. Hans meinte, mein Kostüm sei originell ausgefallen, sonst macht er das ganze Jahr über dumme Sprüch über meine Oberschenkel. Du kennst doch meinen Hans. Deswegen war ich schon auf dem Weg zu unserer Mehrzweckhalle ausnahmsweise gut gelaunt.
Als wir da waren und Hans eine Flasche Sekt bestellt hatte, das macht mein Hans immer einmal im Jahr bei der öffentlichen Lustbarkeit, ging es schon los und hörte den ganzen Abend nicht mehr auf, es kam nämlich eine Stimmungskanone nach der anderen, wie es im Programm angekündigt war.
Gleich zu Anfang trat der Herbert, der ältere Bruder von meinem Hans, als schwäbische Haufrau auf. Herbert entpuppte sich auf der Bühne als Stimmungsrakete am Narrenhimmel. Er löste mit seinem Pointenfeuerwerk eine donnernde Lachsalve nach der anderen aus. Es Rita, die uneheliche Tochter von unserem Bäcker, wo neben mir saß, hat sich ständig auf die Schenkel geklopft, obwohl der Herbert doch verheiratet ist. Die Unehelichen haben halt ein schlechtes Erbgut, man sieht das am Rita. Ich glaub, es hat heute ganz viele blaue Flecken. Zum Schluss erzielte Herbert einen donnernden Applaus. Er bekam noch einen Orden, bevor er abging, wobei er von der Ehrengarde begleitet wurde.
Dann trat der Hannes, wo bei der Post schafft und bei der Feuerwehr ist – Du kennst ihn wahrscheinlich noch, letztes Jahr hat er geheiratet, hat aber noch keine Kinder -, in die Bütt. Dort riss er das närrische Volk zu orkanartigen Beifallsstürmen hin. Das steht heute in unserer Zeitung. Er ließ am laufenden Band eine Batterie ziemlich versauter Witze los, wie es an Fastnacht unser Brauchtum ist. Von den Witzen steht heute nichts in der Zeitung, das gehört sich auch nicht, sie schrieb nur von launigen Sprüchen. Auch der Hannes ging dann mit der Ehrengarde.
Einen starken Höhepunkt erlebte das närrische Volk in der Mehrzweckhalle, als unser Bürgermeister dran war. Er startete einen Generalangriff auf unsere Lachmuskeln, der uns lange im Gedächtnis bleiben wird, so urkomisch war der. Die ausgelassene Stimmung brachte er zum Sieden, als er in seinem Vortrag darauf zu sprechen kam, dass es im Rathaus zu viele Beamte und zu wenig Geld gibt. Liebe Elfriede, Du hättest Dich bestimmt auch zu Tode gelacht und kannst Dir gar nicht vorstellen, wie an dieser Stelle die Halle getobt hat. Ich glaube, die meisten haben die Pointe verstanden, wo in dem Wortspiel von zu viel und zu wenig versteckt war. Das war doch leicht zu finden. Aber so muss es an Fastnacht sein, auch das einfache Volk muss die lustigen Sachen verstehen, wir wollen doch ein paar heitere und unbeschwerte Stunden mit unserem Brauchtum haben.
Nach dem Schunkeln sind wir aufgestanden, weil der Sitzungspräsident laut in den Saal gerufen hat: „Und jetzt, meine lieben Närrinnen und Narren, geraten wir außer Rand und Band.“ Die Trachtenkapelle hat sofort angestimmt, sodass der Saal einfallen konnte. Wir haben ganz laut „Humbahumbatätärä“ gesungen. Ja, liebe Elfriede, Du kannst Dich sicher noch erinnern, zu unserer Zeit gab es noch richtig gute Lieder, nicht alles so auf Englisch wie heute, wo kein Mensch verstehen tut. Nach dem Singen haben wir uns wieder hingesetzt. Es kamen dann noch ein paar Stimmungskanonen, wo sich alle viel Mühe gaben und unsere Gemüter erheiterten. Teilweise habe ich sogar Tränen gelacht, ein solches Brauchtum breiteten sie aus.
Als wir zu hause ankamen, war mein Korsett ganz nass geschwitzt, das darf ja einmal im Jahr sein. Mein Hans hatte einen hängen. Nun hoffe ich, dass er bis Mittwoch wieder kann. Weißt Du, liebe Elfriede, jeder zweite Mittwoch im Monat ist nämlich unser Abend. Wir sind halt rüstig gebliebene Senioren.
Ganz liebe Grüße mit Helau und Alaaf
Deine Martha
Liebe Elbstromerin und Willy,
toll, so über Quatsch lachen können.
Das ist kein Auslachen von Personen, wir sollten Lachhaftes von lächerlich machen unterscheiden.
Helau und Alaaf
Sam 2