Einigkeit und --- wie weiter?


Einigkeit und --- wie weiter?

 

Wenn aus Mittelstürmern plötzlich Charts-erstürmer werden, wird es schon ein bisschen seltsam. Doch ob unsere Nationalmannschaft ausser Fussball auch noch singen kann - fragen wir uns nicht erst seit Beckenbauers Ausflug in die Musikbranche, sondern erkennen wir gleich, wenn die Kamera vor einem Spiel an den Fußballern und Fußballerinnen vorbeifährt.
       Es ist doch ein hehrer Moment, wenn die Kamera sich auf den Weg macht und die Gesichter der Spielenden aufzeigt. Von einem magischen Brummen bis zum vollen Brustgeschmetter ist dann alles vorhanden! Die Textsicherheit ist - anders als bei einem damaligen Schlagersternchen - vorhanden, keine Frage. Aber anders als die festen Waden haben die Stimmbänder selten ein Stress-Training genossen.
       Die Nationalhymnen sollen Ausdruck von Heimatstolz, Zusammenhalt - und auch politischem Statement sein. Italien zum Beispiel singt stets laut, mit glänzenden Augen und ohne Rücksicht auf tonangebende Verluste, die iranische Männer-Elf schwieg vergangenes Jahr mutig und unter Protest.
       Donnerstag ist nun das erste Spiel der Frauen-Fußball-WM in Australien zwischen Neuseeland und Norwegen. Am Sonnabend kann England gegen Haiti zum ersten Mal bei einem großen Turnier »God Save the King« anstimmen und ist wahrscheinlich froh, dass nur »Queen« mit »King« ausgetauscht werden muss – und nicht auch noch die Namen der auswechselbaren Premierminister und *innen.
       Am 24. Juli spielen auch die deutschen Damen gegen Marokko. Sie singen vorher die Kaiserhymne von Haydn. Es erklingen dann starke Worte des Dichters von Fallersleben mit noch stärkerem Inhalt und zeitloser Wichtigkeit: »Einigkeit und Recht und Freiheit.«
       Dann folgt mit »Vaterland« ein vielleicht historisch betrachtet verständlicher Begriff, doch stellen sich da schon meine Nackenhaare auf. Patriotismus betrachte ich immer mit gesundem Argwohn. Danach kommt noch »brüderlich«, aber da fühle ich mich schon sehr unbehaglich, (wo bleiben denn da die Schwestern?) Und das Wörtchen »Unterpfand« - wer um Himmels willen sagt denn heute noch so etwas? »blüh im Glanze«, ein bisschen zu erhaben, finde ich. Allzu viel Glanz ist da wohl nicht mehr zu sehen bei uns!
    Nationalhymnen sind im Grunde genommen immer schwierig. Wir haben nun mal eine. Warum dann aber nicht mit der Wiedervereinigung eine ganz neue kreieren? Da findet sich bestimmt ein Text, der uns auch vereint und nicht nur auch ein bisschen »mitmeint«!

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Kommentare (8)

Christine62laechel


Die meisten Nationalhymnen stammen wohl aus den Zeiten, wo es Kriege gab, wo man sehr patriotisch zu sein einfach brauchte, um das überhaupt durchhalten zu können. Die Soldaten brauchten die, um einen Sinn in ihrem Tod sehen zu können. Die Bevölkerung, um die schweren Verhältnisse zu vertragen. Möge so eine Zeit nie wieder kommen. Und mich nervt die Nationalhymne von meinem ehemaligen Heimatland ganz besonders: so anspruchsvoll und feindlich... Gar nicht meine Art. Und wenn so etwas dann auch noch auf einem olympischen Sportplatz ertönt - nichts als nur ein Quatsch.

Mit Grüßen
Christine

Rosi65

Liebe Christine,

habe mir gerade mal verschiedene Texthymnen von einigen Ländern übersetzen lassen.
Fazit: grässlich!
Eine erfreuliche Ausnahme ist aber das Lied des Nordens von Schweden. In diesem Volkslied wird, vielleicht etwas wehmütig, über die Schönheit der schwedischen Natur gesungen. Als Alternative könnte man den Text vielleicht auch ganz streichen, wie es bei vier europäischen Ländern ja der Fall ist.

Viele Grüße
   Rosi65 

Christine62laechel

@Rosi65  

Also, liebe Rosi, die Nationalhymnen werden einfach nicht zu Klassik, die man sich schon immer mit Vergnügen anhören kann. :) Und mit der Heimatliebe da würde ich auch nicht übertreiben... Was dann? Ich würde, ähnlich wie Du, vorschlagen: weg mit den Texten. Bei verschiedenen Gelegenheiten nur die Melodie aufführen. Eine Zeit lang gäbe es ganz sicher noch eifrige Mitsinger, langsam aber vergessen. Hauptsache, nicht mehr eine Heiligkeit daraus machen. Ein wenig Respekt wäre genug. :)

Mit lieben Grüßen
Christine

Pan

@Christine62laechel  
»aus den Zeiten, wo es Kriege gab,«

Solche Zeiten sind illusorisch! Es gibt keine Zeiten, da es
k e i n e  Kriege gab.
Und diese Hymnen haben mit den jeweiligen Kriegen nichts zu tun. (- siehe die Marseillaise-) Nationalbewusstsein ist ein zwiespältiges Produkt. Heute mehr als gestern ...

Rosi65


Meine Güte, dieser Text ist fast 200 Jahre alt und stammt, wie es scheint, fast aus einer anderen Welt. Seine Entstehung hatte damals allerdings einen geschichtlichen Hintergrund.

Wer könnte sich heute davon schon angesprochen fühlen? Viele kennen ja kaum den vollständigen Text der dritten Strophe!
Mal ganz abgesehen von den vielen deutschen Mitmenschen mit Migrationshintergrund, die sich hier eine neue Heimat und Existenz aufgebaut haben. Sie gehören doch auch zu uns. Ja, man sollte endlichen den Wortlaut zum besseren Verständnis, auch für die jüngere Generation, klarer und zeitgerechter gestalten. Wenn es (siehe Kanada und Österreich) doch möglich ist die eigene Nationalhymne zu modernisieren, wäre das sehr begrüßenswert.

Rosi65

NS: Und für den gesanglichen Vortrag des nächsten „Schlagersternchens“ wird es dann auch etwas einfacher.😊

Pan

Ja Rosi - ich stelle mir vor, alle Refugees und indigene Völker bei uns singen gemeinsam:
       » Einigkeit vos Enfants, God save the King «...

Songeur

Die Engländer haben es wirklich besser, auch wenn sie zusätzlich zum Wechsel von Queen auf King noch den 3. Satz geringfügig verändern "Send him victorious", "her" geht ja bei King nicht.

Es gibt aber auch Spieler, die es schlimmer haben als die Deutschen. Die Belgier zum Beispiel, deren Hymne bestenfalls ein Hoch auf das Land, den König und das Gesetz ist. Weil aber die Spieler in der Regel nicht die gleiche Muttersprache sprechen singen sie meist gar nicht mit um - wie Marc Wilmots das vor gut 20 Jahren mal sagte - eine gräßliche Kakophonie zu vermeiden die entsteht, wenn die eine Hälfte der Spieler den niederländischen Text singt und die andere den französischen. Kenner der belgischen Verhältnisse wissen, daß es nicht möglich ist, sich auf eine Sprache zu einigen.

Persönlich bevorzuge ich die französische Hymne, die meine Lebensgefährtin bei uns zu Hause auf dem Sofa schon mal mitsingt. Obwohl sie ziemlich blutrünstig ist.

Pan

@Songeur  
Da hast Du Recht, sehr blutrünstig an manchen Stellen - aber eben auch sehr nationalistisch. 
Mir selbst - das muss ich zugeben - ist die Europa-Hymne am angenehmsten!
Allein Beethovens Musik imponiert mir sehr., dazu Schillers Text - So stelle ich mir einen Nationalsong vor - wenn es denn sein muss ...

Grüße von Horst
🎈


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