Eine Hundefahrkarte für einen Hahn



Eine Hundefahrkarte für einen Hahn

Umfangreich dürften auch jene Begebenheiten sein, die sich im modernsten Gefährt der Zeit vor über einhundert Jahren ereigneten. Eine solche Sache mit weitreichenden Folgen spielte sich im März 1901 auf der Strecke zwischen Arnsdorf und Klotzsche ab. Kurz vor dem Einfahren in den Radeberger Bahnhof sah sich der Schaffner im Reisewagen 3.Klasse um. Dabei bemerkte er unter den Neueingestiegenen einen Mann um die fünfzig, der einen größeren Gockelhahn unterm Arm hatte. Erstaunt musterte der Schaffner den Reisenden und fragte ziemlich konsterniert „Was ist das denn?“ Ungläubig sah der Reisende den Schaffner an und wird sich wohl so seine Gedanken über den Bahnbeamten gemacht haben.

Nochmals wiederholte der Schaffner seine Frage. „Ja was ist das denn da?“ und zeigte auf den Hahn. „Das ist ein Hahn!“ antwortete der Reisende. „Er soll zur Geflügelausstellung in Klotzsche gezeigt werden“, beschied er dem Vertreter der Bahn. „“Dann müssen sie in Radeberg aussteigen! Ein Hahn kann maximal als Frachtgut transportiert werden!“
Der Zug hielt. „Das verstehe ich nicht“, lamentierte der Arnsdorfer. „Andere dürfen doch auch einen Hund mitnehmen! Und Tier ist Tier, ob Hund oder Hahn! Ich sehe das nicht ein“, so der Reisende, „Ich steige nicht aus. Ich bin bereit eine Fahrkarte für einen Hund zu erwerben!“ Darauf der Bahnbeamte, indem sich der Zug wieder in Bewegung setzte, „Ein Hahn ist kein Hund. Sie haben bis Langebrück Zeit es sich zu überlegen, ansonsten müssen sie aussteigen!“, gebot der Schaffner. „Es ist doch nicht mehr weit bis Klotzsche. Seien Sie nachsichtig und erklären Sie den Hahn für einen Hund“, riet nunmehr der Tierfreund. Im Abteil sahen nun alle zu, ob es der Beamte schaffen würde, den Besitzer des Hahnes aus dem Zug zu werfen.
„Nun, ja, ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Bezahlen Sie das Hundebillet für die Mitnahme im Waggon 3. Klasse“. Der Besitzer des Tieres legte die 25 Pfennig zurecht. Der Zug hielt in Langebrück, es gab keinen Verweis aus dem Wagen und die Tierfuhre ging friedlich bis Klotzsche.
Wenn nicht der Bahnsteigsbeamte gewesen wäre, hätte die Sache wahrscheinlich gar kein weiteres Aufsehen erregt. Doch dieser war baff erstaunt, dass der Arnsdorfer mit einem Hundebillet einen Hahn transportierte. „Ich muss Sie in das Dienstzimmer mitnehmen und ein Protokoll aufsetzen!“ Kernpunkt dessen war, dass dem Arnsdorfer eine Strafe drohte. Wer einen Hund im Personenabteil mitnahm, benötigte einen Beißkorb. Den hatte er natürlich nicht.

Die Anzeige wurde im Schöffengericht Radeberg zuständigkeitshalber bearbeitet. Wegen Nichtmitführens eines Maul- bzw. Beißkorbs erhielt der Arnsdorfer ein Bußgeld von 5 Mark. Ersatzweise 4 Tage Haft. Das Deklarieren eines Hahnes als Hund sei Angelegenheit der Bahnund nicht Angelegenheit des Gerichts.. Doch auch für den Schaffner hatte das Ganze ein Nachspiel. Er bekam seitens seiner vorgesetzten Bahnbehörde einen Verweis, da er nicht „gesetzeskonform“ gehandelt hatte.

hawegeer

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Kommentare (1)

omasigi Deine Geschichten wie es damals war zu lesen.

omasigi

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