Ein Morgen im April 1945


Ein Morgen im April 1945

 

Nach der langen Nacht im Bunker am Deich standen wir davor, schauten übernächtigt in den bleichen kalten Morgen. Auf dem Deich waren lange Stanniolstreifen ausgelegt worden. Es waren Hinweise für die alliierten Flugzeuge, dass bis hierher alles eingenommen war. Endlich sagte eine der anwesenden alten Frauen:
 »Lasst uns nun nach Haus gehen. Das Schießen hat ja aufgehört«. Und so geschah es denn auch. Auch wir suchten nun den Weg zurück in unser neues Heim.
 An der Straße stutzte ich! Dort am Straßenrand lag ein toter deutscher Soldat. Es schien, als ruhe er sich dort aus. Sein Stahlhelm lag neben ihm, an einem Loch mit gezackten Rändern erkannte ich, dass es ein direkter Durchschuss gewesen war, durch den dieser Soldat den Tod gefunden hatte! Betroffen schaute ich zu diesem Mann hinüber. Es war ein Unteroffizier in feldgrauer Uniform. Einige Orden auf seiner Brust zeigten an, dass er schon an vielen Fronten gekämpft hatte.
Kurz vor Ende dieses unseligen Krieges hatte sein Leben hier auch das Ende gefunden. Als ich nähertreten wollte, kamen drei kanadische Soldaten aus einem Jeep auf mich zu:
»Hey Boy, go away. Hurry up!«

 Ihre Befehle klangen nicht unbedingt freundlich. Ich blickte noch einmal den toten Soldaten an, zog mich dann mit einem Schulterzucken zurück. Die kanadischen Soldaten nahmen den Toten auf, legten ihn vorsichtig auf die Rückbank ihres Jeeps und fuhren davon.
 Dieser tote Soldat wurde später zusammen mit drei anderen gefallenen Kameraden auf dem Friedhof in Bingum, dem kleinen Ort in Ostfriesland, in dem wir unser neues Heim fanden, beigesetzt.
 Inzwischen umgebettet, werden diese Gräber auch heute noch in dankenswerter Weise von der Gemeinde gepflegt! Der durchlöcherte Stahlhelm des Unteroffiziers hing noch lange Zeit an einem Kreuz als Mahnzeichen.
 Ich war traurig bewegt, erinnerte es mich doch jedes Mal, wenn ich dort vorüberging, an das Grab meines Vaters in der fernen alten Heimat im Osten.


©by H.C.G.Lux

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Kommentare (4)

Syrdal


...und so viele von uns Alten tragen wundtief eingebrannte Bilder in uns, die wir nie vergessen können, die wir nie wieder sehen und erleben möchten, Bilder, die wir niemals jemanden zumuten möchten. Ob das gelingt…

...fragt sich bei all dem Geschehen in der Welt mit wachsenden Bedenken
Syrdal

Muscari


Lieber Horst,

auch wenn mir momentan eher heiter zumute ist, habe ich Deine Erinnerung an diese grausame Zeit gelesen - lesen müssen.
Und zwar auch deshalb, weil ich noch den letzten Brief meines Vaters von der Oderfront an meine Mutter vom 9. April 1945 besitze.
Es war sein letztes Lebenszeichen.
Später hatte Mutter erfahren, dass Vaters Kompanie auf der Flucht in den Westen sich in zwei Gruppen aufgeteilt hatte, von denen die eine Gruppe nach Hause zurückkehrte und die andere Gruppe ins Verderben lief. Hierzu gehörte auch mein Vater.

Der Anblick Deines Fotos mit den Grabsteinen erinnert mich daran, dass er verschollen irgendwo in der Erde liegt.

So viel zu Deinem bewegenden Beitrag, für den ich Dir herzlich danke.
Andrea


 

Manfred36

Auf dem Soldatenfriedhof hier sind  in ähnlicher Form die Gräber unterschiedlichster Nationalitäten zu finden. Kamen sie erst unter der Erde wieder zueinander ?

Pan

Ja, Manfred, scheinbar kommt ein freundschaftliches Zusammentreffen erst im Tod infrage. Bei uns nennt man das dann "christlich oder islamisch"?
Ich weiß es auch nicht ...

grüßt Horst


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