Effi Briests Sozialisation (in Fontanes Roman)


Effi Briests Sozialisation


- Aufsatz wird noch ergänzt -



A.St.R.: Fontane-Aufsatz I I I









~ Max Liebermanns berühmte Illustration
der wagemutig-frei, "unmädchenhaft" schaukelnden Effi
im paradiesischen Garten ihres elterlichen Herrenhauses.
In: "Effi Briest". Jubiläumsausgabe der Maximilian-Gesellschaft. Berlin 1928 ~




Effi Briests Sozialisation als Prototyp des gesellschaftlichen Rollenbildes des Mädchens und Frau in Preußen zur Zeit Fontanes


Anlass für diesen Beitrag ist die aktuelle Neuverfilmung der "Effi Briest":


TV-Bericht über die Premiere des Films bei der Berlinale 2009:

"Effi Briest" - der neue Film


Auskunft gibt die für die Rolle der Effi optimale Schauspielerin Julia Jentsch: über weibliche Opferrolle oder veränderte Sozialisation durch Emanzipationsfortschritte:

Aus einem Interview mit Julia Jentsch in: WELT ONLINE (15. Februar 2009)

[i]Hier nur eine Frage aus dem Zusammenhang:

Frage von WELT ONLINE: Das heißt: Kompromisse an die Leserschaft.

Antwort der Jentsch: Genau so ist das. Damals in der Literatur war es halt so, dass die Frauen oft die Opferfiguren waren und am Ende sterben. Das war gewünscht, das las man gern. Davon wollte sich Hermine (Huntgeburth) mit ihrem Film gern lösen.

Über Effi als Beispiel für eine weibliche Opferrolle
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Historisch:

Die in Preußen und dem ganzen Deutschen Reich üblichen und gesetzlich abgesicherten, sozialen und politischen Faktoren der Unterdrückung der Frau als eigenverantwortliches Sozialwesen (mit Jungen gleichberechtigter junger Mensch in Elternhaus, Schule, Ehe und Öffentlichkeit...) begründen insbesondere die passive Erziehung der Mädchen und verhindern die selbstverantwortliche Erziehung, den sozialen Fortschritt, die eheliche Gleichstellung, die sexuelle Befreiung und die Entwicklung der personalen Verantwortung, also auch die Möglichkeit eines persönlichen Schuldbekenntnisses.
Die Normalfrau, wenn sie nicht eigenständige, künstleriche Sonderentwicklung nehmen kann, bleibt eine Kindfrau und darf nur eine dekorative Nebenrolle ihres Mannes einnehmen, wenn sie körperlich und standesgemäß und materiell attraktiv ist, eine Man zu finden, der ihre Eltern "um die Hand der Tochter anhält" (eine eigenartige Redenart, die zeigt, wen und um was ein heiratswilliger, gutsituierter Kandidat "fragen" muss, um sich mit einer "Braut" und Mutter seiner Kinder zu schmücken.

Fontane hat diese normal-preußische, übrigens gesamt-abendländische, angeblich christliche Rollenverteilung gekannt
Auch er stellt diese Entwicklung als sozial, nicht schicksalhaft ungünstig bedingt in vielen Romanen dar.
In sechs siner Prosawerke vollzieht sich Untreue und Ehebruch; nur in einem Roman schaffen es beide Partner, die aneinader scheitern in ihren Fehlerwartungen und Rollenzwängen, durch Neuentwicklung eine neue, zweite und unbeschadete Ehe einzugehen.

Was setzt persönliche Schuld voraus...?

Doch ganz wesentlich eine eigene Verantwortung, das individuelle Wissen, die Einsicht in die eigenen Verhältnisse, eine aktuell persönliche moralische Entscheidung, eine persönliche Voraussetzung - in die (un-)sittlichen Ereignisse, in den unmoralischen Akt, die standesmäßig verurteilte "Sünde", hier den "Ehebruch" (oder den Versuch dazu...)!

Was fehlte bei Effi an diesen eigenen moralischen Voraussetzungen?

Anders gefragt:

Was konnte Effi gar nicht wissen, also auch nicht überblicken - als sie in die Ehe mit dem früheren Geliebten ihrer Mutter geschickt wurde - und sie das für ganz "normal" hielt, weil sie nicht anders erzogen war, als sich in ihrer Mädchen- und dann Frauenrolle passiv-untertänig, gehorsam, abhängig vom "Manne" (in jeder Form: Vater, Pastor, Ehemann als "Erzieher zur Angst"...) zu fühlen und zu versuchen, sich anzupassen, so lange es irgendwie geht....
Die Gesamtheit dieser unveränderlichen, wirksamen Anpassungsverhältnisse nennt man "Sozialisation", da viele Bedingungen (im Standesmäßigen, im Religiösen, im Materiellen, im Verständnis von Frau/Mann) ja nicht von den Eltern erzieherisch bewusst, sprachlich vermittelt und willentlich entschieden werden; sie werden als Rahmenbedingungen mitgegeben, aufgezwungen – das Kind (hier besonders „behütet“ als Mädchen) wird "hineingeboren" in diese Lebensverhältnisse, die man fortsetzen soll in der Rolle der Frau Mutter.
Durch diese Mechanismen wurde Effi in ihrer weiblichen Hilf- und Verantwortungslosigkeit geprägt. (Sie ließ sich von Crampas "verführen", wie von ihrer Mutter beeinflussen, ihrem Ehemann ... - wie später von der unterhaltsamen Berliner Gesellschaft, wo es ihr standesgemäß prima ging, ohne dass ihr was Persönliches fehlte...)

Wie hätte sie so eine persönliche Schuld empfinden, diese Schuld individuell bekennen können, um mit sich und dem Ehemann und den Eltern ins Reine zu kommen; Schuld zu empfinden, Reue zu entwickeln, um Verzeihung zu bitten, einen Neuanfang zu wagen...?



Die Neuverfilmung des Effi-Romans durch Hermine Huntgeburth im Jahre 2008 zeigt nicht nur die Strukturbedingungen eines elterlich-erzieherisch verpfuschten Frauenlebens, sondern gibt auch Ansätze, die sozialen, standesmäßigen Bedingungen zu durchdenken und zeigt, wie eine junge Frau, die sich sexuell befreit, aber in ihrem Liebeswunsch verschenkt hat an einen genusssüchtigen, sportlichen, jungen "Damenmann", der ihre unerfüllte Rolle als unbefriedigte Ehefrau ausgenutzt hat; gleichzeitig aber erlebt der Zuschauer, dass die geschiedene, verstoßene und ihres Kindes beraubte Ex-Ehefrau nicht scheitern muss an diesem Aschenputtel-Dasein, sondern sich neue orientieren kann in de großstädtischen Sozial- und Berufswelt im Berlin der Jahre vor 1900.


Zu diesem Film gibt es natürlich vielerlei, aber gleichartig männlich "gestrickte", abwertende Kritiken:

Männerkritik, ästhetisch getarnt


Nachlesbare Filmkritik im DLF:


Männer-Maschen

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Buch-Informationen und -Materialien:

http://www.klassenarbeiten.de/oberstufe/leistungskurs/deutsch/effibriest/lehrermaterial.htm

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Hier sind schöne Bildsequenzen des Films zu sehen:

Bildsequenzen




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