E f f i B r i e s t (Eindrücke und Bilder - Abschluss)

















(Meine) Abschlussbetrachtungen und Informationen
zur Neuverfilmung 2008/09 der „Effi Briest“

von Hermine Huntgeburth, nach dem Drehbuch von Volker Einrauch:



Der Dichter stellt sein jungenhaftes Mädchen vor:

„Effi trug ein blau und weiß gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid, dem erst ein fest zusammengezogener, bronzefarbener Ledergürtel die Taille gab; der Hals war frei, und über Schulter und Nacken fiel ein breiter Matrosenkragen. In allem, was sie tat, paarte sich Übermut und Grazie, während ihre lachenden braunen Augen eine große, natürliche Klugheit und viel Lebenslust und Herzensgüte verrieten. Man nannte sie die ‚Kleine‘, was sie sich nur gefallen lassen musste, weil die schöne, schlanke Mama noch um eine Handbreite höher war.“

(Aus: Theodor Fontane: Effi Briest. Kapitel 1)




Impression: Der Filmbeginn in Hohen-Cremmen


Siehe Bildergalerie:


Bilder-Galerie

*


"EFFI BRIEST" als Film beginnt mit dem letzten unbeschwerten Tag des fröhlichen, jungen Mädchens.

Während Effi sich auf dem Fest vergnügen möchte, stellt ihre Mutter ihr den Landrat Geert von Innstetten vor.

Vom ersten Moment an spürt sie eine deutliche Distanz gegenüber dem älteren, kühlen Mann. Sie weiß, dass der inzwischen gesellschaftlich avancierte Baron seinerzeit vergebens um die Hand ihrer Mutter angehalten hatte, was der kurzen Begegnung einen zusätzlichen Beigeschmack gibt. Effi wirkt jugendlich ungestüm und latent widerspenstig. Sie gewährt Innstetten pflichtgemäß einen Tanz, den sie aber mit einem halb kalkulierten Affront, einer kühnen Assoziation abbricht: „Wenn Sie meine Mutter geheiratet hätten, gäbe es mich gar nicht. Also verdanke ich Ihrem Unglück mein Leben … Entschuldigung …“


Weitere Bilder der Handlung dieser Tages:


* Am folgenden Tag eröffnet Luise von Briest ihrer bestürzten Tochter, dass sie Innstetten heiraten soll. (Schwermütige Musik begleitet die Szene.)
Es folgt Innstettens förmlicher Antrag. Effi als „gut erzogene Tochter“ hat keine Wahl, sie muss sich in die Ehe fügen.

* Beim Abendessen bietet Herr von Briest seinem künftigen Schwiegersohn das Du an.

* Effi, morgens in ihrem Bett, starrt wie benommen vor sich hin.

* Als Nahaufname: zwei Vögelchen im Käfig kommentiert ihre Stimmung…

Vgl.: Material für Eigen- oder Schul-Lektüre:

www.effi.film.de

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Hohen-Cremmen?

* Das Schloss Hoppenrade als Drehort:

http://www.tagesspiegel.de/magazin/reise/Brandenburg;art294,2389692


* Das historische Vorbild der Frauenfigur:
Elisabeth von Plotho (oder: Baron von Ardenne):

http://www.merkur.de/2009_06_Elseken_musste_si.32476.0.html?&no_cache=1



Zwischenspiel:
Imagination zum Kunstwerk: „DIE INSEL DER SELIGEN“

Cousin Dagobert spricht auf dem Fest von einem Gemälde in Berlin, „Die Insel der Seligen“, auf dem nackte Frauen zu sehen seien.
Er schlägt Effi vor, das Bild dort in Nationalgalerie gemeinsam anzuschauen [vgl. Kap. 3].
Effi, noch jugendlich eigensinnig, ohne weitere, kunsttheoretische oder rollenspezifische Ambitionen oder künstlerisches Interesse - nach kurzem Zögern: „Danke, ich weiß, wie eine Frau aussieht.“

Gemeint ist von Böcklins damals skandalumwittertem Bild „Das Gefilde der Seligen“ (1878 gemalt).
Die auf dem Landschaftsbild dargestellten, nackten, jungen, attraktiven Nymphen als Darstellung natürlicher Schönheit haben bei den Zeitgenossen, also bei den Männern, die das Diktat über Sexualität und Nacktheit und das Wissen darüber als ihre Herrschaftsfunktion behalten wollten, Entrüstung ausgelöst.

Diesem Beispiel moderner Kunst von Frauen im Jugendstil haben universitäre Kunstrichter, Kirche, Kaiser- und Beamtentum und bürgerliche Aufgeregtheitskommandos in Zeitungen und öffentlichem Geschwätz widersprechen müssen, da sie ihre Auffassungen über Aussehen, Leiblichkeit, Psyche und Ästhetik und damit dem Kunstbild national-konservativ Einhalt und Schranken setzend bieten zu müssen meinten. Ihre standesgemäße und moralisch verhüllte Männer-Rolle, über Frauen rechten, richten und verfügen zu können, geriet vor Jahrhunderte um 1900 zwar noch nicht ins Wanken, aber den "Anfängen von Veränderungen" muss man als MANN eben immer "wehren", im wirtschaftlichen und militärischen, politiischen und religiösen Patriarchat.

Fontane hat nur einen Satz noch dazu aufgezeichnet, der noch heute überzeugen vermag - den Leser oder Zuschauer, der über Frau und Mann und ihre Kommunikation nachdenken mag: "Die Tante gab ihm [dem Cousin Dagobert] einen Schlag mit dem Fächer..."(3. Kap.).

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Hinweise für Interessen des Romans, des Films und/oder für Schulfächer-Kandidaten


Deutsch:

EFFI BRIEST als Literaturverfilmung: Vergleich von ausgewählten Szenen in Roman und Film

Stoffgeschichte: Mittel der Modernisierung

* Vergleich mit anderen Verfilmungen (z. B. Fassbinder: „ Fontanes Effi Briest“)
und mit Hochhuths Monolog „Effis Nacht“

* Analyse der Filmsprache: Einstellungen, Ausschnitte, Sequenzen, Perspektiven, Bewegung(en), Montage(n)


Geschichte / Sozialkunde

* Die Geschlechterrollen im 19. Jahrhundert: Rechte, Pflichten, Ehrbegriff und Zwänge

* Geschichte der Frauenrechte von Theodor Fontane bis heute


Religion / Ethik / Psychologie

* Befreiungs- und Zerstörungspotential der Liebe

* Persönlichkeitsentwicklung bei Effi, Innstetten und Crampas

* Angst als Mittel der Macht als Liebes-Ersatz

* Frau als Figur des Mannes: Selbstbestimmung oder Rollenzwang. - Worin besteht ein erfülltes Leben?

* Eigenbestimmung und Identität vs. gesellschaftliche Erwartungen

Kunstunterricht - Gesellschaftlicher Umbruch im Spiegel von Milieustudien und Portraits
gegen Ende des 19. Jahrhunderts

* Farbgestaltung und Komposition im Film

* Gestalterische Mittel: Perspektiven, Bewegung, Montage

* Interpretation zu Böcklins „Toteninsel“ und „Gefilde der Seligen“
Böcklin

* Vergleichbar auch mit „Mädchen und Jüngling beim Blumenpflücken (1866)

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:B%C3%B6cklin_M%C3%A4dchen_und_J%C3%BCngling_beim_Blumenpfl%C3%BCcken_1866.jpg
*

Oder mit dem Bild „Idyll“:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arnold_B%C3%B6cklin_005.jpg


Werke von Böcklin bei zeno.org:

http://www.zeno.org/Kunstwerke/A/B%C3%B6cklin,+Arnold

**

Materialien für Eigen- oder Schul-Lektüre:

Materialien zum Film
*

Ergiebige Diskussion von Schülern und Lesefreaks:


http://www.literaturschock.de/literaturforum/index.php?topic=8382.msg215505

*

Filmfragen, dem Filmmaterial-Dokument (S. 21) entnommen:

Filmfragen – zum Durchlesen vor dem Kinobesuch, zum Mitnehmen ins Kino


* Welche Musik, Klänge, Geräusche setzt EFFI BRIEST ein, an welchen Stellen? Welche Wirkung hat das? (Z.B.: Schwungvoller Walzer / Polka beim Fest; romantische und sehnsuchtsvolle Untermalung von Effis Stimmungen; Wind- und Schleifgeräusche, schrille Musik in den Gruselszenen …)

* Welche grundlegenden künstlerischen Absichten sind in der aktuellen Verfilmung erkennbar? (z. B.
empathische Beziehung zur Hauptfigur aufbauen, das Rollenverständnis und moralische Vorstellungen im Zusammenleben von Mann und Frau bis in die heutige Gesellschaft hinterfragen) Ist das für Sie nachzuempfinden, spricht Sie diese Sichtweise an? Hat diese Interpretation des Romans nach Ihrer Meinung damit zu tun, dass eine Frau Regie geführt hat?

* Wo artikulieren oder verhalten sich Figuren im Film anders als in Fontanes Roman? (z. B. Johanna / Effi spricht aus, dass Innstetten sie nach ihrer Meinung bewusst in einem „Käfig aus Angst“ einschließen will / Effi malt nicht, sie arbeitet in einer Bibliothek, das Filmende)

* Welche filmischen Signale auf der Bild- und Tonebene begleiten Effis Alpträume? (z. B. Einleitung der subjektiven Sichtweise durch Nahaufnahme von Effis Gesicht; in Grau getauchte Großaufnahmen der Vorhänge und Tänzerbeine, Fenster und Böden aus ungewöhnlichen Kameraperspektiven, traumartig verlangsamte Bewegungen, besonderer Sound der Geräuschkulisse … / vgl. „Es war über mir ein ganz sonderbarer Ton …“, Kap. 7)

* Welche Bildzeichen für Effis Entwicklung entdecken Sie? (z. B. Boot – sich treiben lassen / Finken im Vogelkäfig – eingesperrt sein / rot gewirkter Schal – Unabhängigkeit, Moderne / Zigarette – sich nichts mehr sagen lassen / die Veränderung der Frisur von offen bis hochgesteckt, je nach Effis Befindlichkeit)

* Wie bewerten Sie den, verglichen mit dem Roman, offenen Schluss von EFFI BRIEST?

***

Letzter Hinweis:

Gewinnspiel vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern: Hotelaufenthalt im Hotel „Das Ahlbeck“ auf der Insel Usedom.
Von dort aus kann man die Originaldrehorte des Films besuchen.

Frage:
Wer spielt in der Neuverfilmung die Rolle der Effi Briest?

Antwort bis zum 30.04.09
an
E-Brief an:



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Rezension:

„Effi Briest“ - Rezension der SZ-Kinoexpertin Susanne Hermanski:


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Kommentare (1)

oessilady Na wie schön ich habe das Buch schon in der Schule gelesen in den 60er Jahren.
Es zeigt die Moral-Anschauung dieser Zeit und die Rolle der jungen frauen,die
von ihren Eltern an irgendwelche honorigen gutbetuchten Herrn verhökert wurden,damit die Familie der so gut versorgten Braut ihr Schulden los geworden sind oder einen Adelstitel in der Familie hatten.den Mädchen blieb nur das höhere Pensionat das
mit sehr strenger Erziehung darauf achtete ,daß die Mädels nur ja keinen Kontakt zum anderen Geschlecht bekamen. Meistens wurden diese Pensionate von Nonnen geführt die besonders streng auf Sitte und Anstand geachtet haben. Nach dieser Zeit waren sie gut genug um verkuppelt zu werden.Selbstbestimmung war nur wenigen möglich.wie gut daß diese zeit vorbei ist.Obwohl das heute auch noch in verschiedenen Kreisen so passiert
und blutjunge Mädchen an alte Männer verkauft werden,damit die Familie größere Ehre und Reichtum hat. das Mittelalter läßt grüßen.

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