1956. Es war ein Samstag, als mich mein Job in ein Kaufhaus in Baden-Baden beorderte, eine Krupp-Buchungsmaschine zu reparieren. Ausgerechnet eine Maschine, auf die ich keine Ausbildung hatte, deren Typ aber mit von der amerikanischen Firma einmal mit integriert worden war. Also los und ran.

Und prompt bekam ich da an dem Tag das Modell nicht wieder in Gang. Ganz gegen meinen Ehrgeiz. Ich packte meine Siebensachen erst einmal zusammen, um dann am Sonntag wieder in das Kaufhaus zurückzukehren und es weiter zu versuchen, ehe ich mich zur „Einweisung“ der Maschine in ins Büro in Karlsruhe zu entschließen.

Da ich noch nichts gegessen hatte, mich also „vernachlässigt“ hatte, schlenderte ich durch das schimmernde Licht der Bäderstadt. Ich ging in ein Cafe. Da saßen zwei Damen aus dem Kaufhaus, die anscheinend auch nicht nach Hause finden konnten. Man klönte, es wurde spät, bis ich mich endlich auf den Weg zurück zu meinem Hotel in Karlsruhe machte – ich hatte dort für die Arbeiten in dem Bezirk ein Hotelzimmer gemietet, weil es bis zu meinem möblierten Zimmer in Mannheim zu lange Fahrzeiten waren.

Am nächsten Morgen ging ich wieder zum Kaufhaus und wurschtelte weiter. Gegen Mittag kam der Pförtner zu mir und holte mich ans Telefon. Eine der Damen vom Vorabend lud mich zum Essen ein. Soll ich? Darf ich? Kann ich? Egal, ich sagte zu, erfuhr die Adresse und …

Die Maschine kapitulierte, ich hatte gesiegt, das Ding lief endlich fehlerlos, ich war der Stärkere. Ich packte Koffer und Tasche zusammen, schrieb den Reparaturbericht und ließ mich vom Pförtner aus dem Haus entlassen. Mit dem O-Bus fuhr ich zum Bahnhof Baden-Oos, durfte einige Stationen früher aussteigen, eben da zu der einladenden Adresse.

Die Dame aus dem Kaufhaus stellte mir ihre Mitmieterin vor. Man quatschte und quatschte, ich erfuhr so unterschiedliche Lebensläufe kennen. Der eine Lebenslauf begann im Oberbayerischen, der andere aus der Altmark. In dem einen Lebenslauf war gerade eine Scheidung passiert. Im anderen war gerade das unehelich geborene Mädchen mit den neuen Adoptiv-Eltern auf dem Weg von Deutschland in die Vereinigten Staaten. Das deutschamerikanische Ehepaar konnte selbst keine Kinder bekommen.

Die ehemalige Altmärkerin war nach dem Durchwaten des Grenzflusses Jetzel in Niedersachsen gelandet. Auch ihr Vater und seine Frau waren aus der SBZ geflüchtet, lebten nun in West_Berlin. Also von da war keine Hilfe zu erwarten. Darum das Abgeben des Kindes, aber nur mit der Bekanntgabe der Namen der neuen Eltern – was normalerweise nicht möglich war.

Mich hatte das Ganze erschüttert. Im Elternhaus mit uns sieben Kindern war alles ok. Ich konnte mir andere Lebensverhältnisse nicht vorstellen. Ein halbes Jahr später heirateten Greta und ich. Ich gab den Job mit den Buchungsmaschinen auf. Wir gingen zu einer Radio-Firma nach Villingen im Schwarzwald. Wir kauften uns Fahrräder und beradelten den Schwarzwald, die Baar und das Donautal. Ich wechselte, um endlich eine Wohnung zu bekommen noch einmal im Arbeitsverhältnis: unser Evchen war unterwegs.

Ich ging aus wirtschaftlichen Gründen zur Bundeswehr. Es war eng geworden so mit der Oma aus Berlin in eineinhalb Zimmer zu wohnen – der Salzwedeler Opa war bei seinem Besuch bei uns gestorben. Ich versprach mir (zu Recht) vom neuen Arbeitgeber Weiterkommen und Wohnung.

Noch ein Jahr, ausgefüllt mit Lehrgängen und Familienheimfahrten verging, bis der Möbelwagen uns ins Lechfeld brachte – die Oma blieb in Villingen zurück. Ich hatte einen dauerhaften Arbeitsplatz.

So nach und nach wechselte mein Dienstgrad. Tja, bis ich ins Rheinland versetzt wurde. Wieder Pendeleien. Inzwischen waren drei Kinder im Haushalt. Wir haben uns auseinander gelebt.

In Siegen wurden wir geschieden, obwohl jeder für sich den Anderen noch lieb hatte. Greta ging mit den Kindern zurück nach Bayern. Ich landete im Stab bei Köln und biss mich an der Arbeit fest. Dienstreisen reichlich. Auch Amerika war drin.

Unser Kinder sind groß geworden, eine Halbschwester haben sie aus meiner zweiten Ehe bekommen. Greta versorgte ihre leibliche Mutter und die Pflegemutter bis zu deren Ableben. Und nun ist Greta auch schon heimgegangen.

Wir hatten uns wirklich weit besser verstanden, seit wir nicht mehr zusammen wohnten. Zwei Dickköppe! Unsere Liebe zueinander hält noch heute. Dafür sorgen wohl auch unsere Kinder und die Enkel.
ortwin

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