Die Parabel vom Schmetterling


Eines Tages erschien eine kleine Öffnung in einem Kokon; ein Mann beobachtete den zukünftigen Schmetterling für mehrere Stunden, wie dieser kämpfte, um seinen Körper durch jenes winzige Loch zu zwängen. Dann plötzlich schien er nicht mehr weiter zu kommen. Es schien als ob er so weit gekommen war wie es ging, aber jetzt aus eigener Kraft nicht mehr weitermachen konnte.

So beschloss der Mann, ihm zu helfen: Er nahm eine Schere und machte den Kokon auf. Der Schmetterling kam dadurch sehr leicht heraus.Aber er hatte einen verkrüppelten Körper, er war winzig und hatte verschrumpelte Flügel. Der Mann beobachtete das Geschehen weiter, weil er erwartete, dass die Flügel sich jeden Moment öffnen und sich ausdehnen würden, um den Körper des Schmetterlings zu stützen und ihm Spannkraft zu verleihen. Aber nichts davon geschah.

Stattdessen verbrachte der Schmetterling den Rest seines Lebens krabbelnd mit einem verkrüppelten Körper und verschrumpelten Flügeln. Niemals war er fähig zu fliegen.

Was der Mann in seiner Güte und seinem Wohlwollen nicht verstand, dass der begrenzende Kokon und das Ringen, das erforderlich ist damit der Schmetterling durch die kleine Öffnung kam, der Weg der Natur ist, um Flüssigkeit vom Körper des Schmetterlings in seine Flügel zu fördern. Dadurch wird er auf den Flug vorbereitet sobald er seine Freiheit aus dem Kokon erreicht.

Manchmal ist das Ringen genau das, was wir in unserem Leben benötigen. Wenn wir durch unser Leben ohne Hindernisse gehen dürfen, würde es uns lahm legen. Wir wären nicht so stark, wie wir sein könnten, und niemals fähig zu fliegen.
 
(Verfasser unbekannt)


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Kommentare (2)

Syrdal


Diese Geschichte habe ich vor vier Jahren
in einem
Gedicht „verarbeitet“ und hier eingestellt.

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Falsches Mitleid

Seit Stunden regt sich im Kokon
ein neues junges Leben,
müht sich, aus enger Position
zur Freiheit hin zu streben,
um dort als bunter Schmetterling
ins Sonnenlicht zu fliegen –
wenn endlich nur der Spalt aufging,
um leicht hinaus zu kriechen.
Ein Mann schaut dieser Mühe zu
und ihn ergreift Erbarmen,
wenn er mithilft, könnte im Nu
der Schmetterling frei starten.
Sehr sachte mit einer Schere
weitet er den engen Spalt
und erleichtert so das schwere
Ausschlüpfen zur freien Welt.
Der Schmetterling erblickt das Licht,
will sich sogleich aufschwingen,
aber – oh weh – ihm gelingt’s nicht,
er kann es nicht erzwingen,
kein Strecken hilft bei dem Versuch,
die Flügel auszubreiten,
es ist, als würde ihm ein Fluch
das Ausspreizen bestreiten.
Der Mann, der dieses Ringen sah,
bemerkte mit Erschrecken,
es waren keine Flügel da,
die sich könnten ausstrecken,
da war ein Fehler wohl geschehn
beim frisch gebor’nen Winzling,
es war kein Flügelchen zu seh’n
an dem gar so kleinen Ding.
Ein Kundiger dem Mann sogleich
deutlich erklären musste,
sein Eingreifen war nicht hilfreich,
weil sicher er nicht wusste,
dass beim schweren Hinauszwängen
durch den engen Kokonspalt
sich feine Häutchen auspressen
zu hauchdünner Flügelgestalt.
Der Mann hat dieses nicht bedacht –
mit seiner Hilfeleistung
hat er einen Krüppel gemacht:
Schmetterling ohne Hoffnung.
Dem Falter wird’s nie möglich sein,
ins hohe Blau zu fliegen.
.....................

Greif ins Naturgesetz nicht ein,
es lässt sich nicht verbiegen!


© Syrdal, 2018


 

Moai

@Syrdal  

Gefällt mir sehr, was du daraus gemacht hast.
Ich kenne diese Geschichte auch schon zig Jahre und hinterfrage seither eigentlich immer, ob meine angedachte Hilfe dem Empfänger auch wirklich dienlich ist oder ich ihm womöglich die Chance nehme zu wachsen. 

Sonnengruß ☀️
Christina

 


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