der kleine Zettel.......


... auf Zeitungsrandpapier,
der durch die Schulbankreihen weitergegeben wurde und mich erreichte.
Aufgeklappt - ich liebe Dir - stand darauf.
Die Augen flogen nach überall, wer war das, der mir diese Nachricht schickte - und unsere Blicke trafen sich und blieben hängen.
Ja, er war's, was ich schon so lange hoffte und endlich hat er meine Gesten und Blicke erkannt. Unsterblich war ich ihn verliebt, auch noch der Sohn unserer Lehrerin. Und seine Mutter war bei mir auch sehr beliebt, ich war auch ihre Lieblingsschülerin. Ich lernte wie verrückt, konnte sehr gut schreiben, meine Schönschrift war immer eines Lobes wert und sie hielt mich immer im Gleichgewicht. Sie wußte, daß meine Mutter ständig im Krankenhaus lag und bot mir ihre Hilfe an, wenn ich überfordert war.
Überfordert war ich ständig - mit allem, was den Haushalt betraf - ständig unterwegs um Erledigungen für die Bäckerei zu machen und Muti zu besuchen. Meine Schularbeiten machte ich in den frühen Morgenstunden, wenn mein Stiefvater in die Backstube ging - ich ließ mich wecken!
Besonders im Sommer genoß ich es - Fenster auf und frische Luft - und die Gardinen flatterten ganz leicht im Morgenhauch.
Die Hühner machten sich auch schon im Stall bemerkbar - also raus - Wasser ins Gesicht und Hühner füttern.
Ich liebte diese Sommer - und das Sonnenwetter.........und den Zettel, den ich bei mir trug.
Traurig und fröhlich gackerte ich mit den Hühnern mit, um den langen Tag wieder neu anzufangen.
Ich stellte mein Zimmer um ... es muß etwas geschehen ... so kann es nicht weitergehen... ich brauche ein anderes Ritual. Der Winter kommt.
Ich fing an, heimlich Kohle zu sammeln, für den Bullerofen in meinem Zimmer. Das gelang auch und niemand merkte es - verstaute alles in der Dachschräge mit kleinem Türchen meines Zimmers und zog mich zurück.
Dort oben war meine Welt - ich las und schrieb und hing meinen Gedanken nach. Und wenn Mutti mal wieder zu Hause war, dann rannte ich ins Nebenzimmer oder treppauf - treppab.
Und zur Schule pünktlich kommen..... abgehetzt kam ich an, doch pünktlich.
Meine Klassenlehrerin nahm mich sofort in Empfang: "und?"
Alles in Ordnung, Mutti ist daheim.......
"Hast Du geschlafen und Deine Schularbeiten gemacht?"
Ja natürlich, was fragt die eigentlich so?
Doch sie nahm mich in den Arm und drückte mich ganz fest.
Und nun zum Russisch-Unterricht....den Lehrer konnte ich überhaupt nicht leiden und die Sprache quälte sich durch meine Kehle.
Er redete während der ganzen Stunde nur in russisch - ich stand auf und lief davon.....
Ich bin einfach weggelaufen und fuhr zu meiner Mutti ins Krankenhaus.
Mit erstaunten Augen sah sie mich an - ich bin weggelaufen - ich will kein russisch lernen - der Lehrer ist ein Komißkopf, ich kann ihn nicht ertragen.
Ganz vorsichtig nahm sie meine Hand - Moni, sagte sie, denke an die Bäckerei - füge dich und sei lieb, ich komme bald wieder nach Hause.
Und wie aus heiterem Himmel stand meine große Liebe neben mir und nahm mich in den Arm - komm, wir fahren nach Hause, meine Mutter hat mich hinterher geschickt. Total verwirbelte Gefühle - Mutter im Krankenhaus und mein Traumprinz als Wegbegleitung......wie soll man dieses verkraften?
Es war ein schöner Heimweg.....ganz viel geredet......und am nächsten Tag ein Augenstrahlen als wir uns sahen. Es fiel allen auf, doch wir waren ganz intensiv in unseren Gesprächen vertieft.
Die Lehrerin nahm mich zur Seite - na, geht es Dir besser?
Ich konnte mit "ja" antworten - ich hatte einen guten Freund an meiner Seite, der mir sehr viel über meinen Kummer hinweg geholfen hat.
Und im Winter gingen wir Schlittschuhlaufen.......
und waren uns immer verbunden.
Auch heute noch......
mit treuen Freundesgrüßen
Euer Moni-Finchen

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Kommentare (2)

finchen dessen kannst Du sicher sein, daß wir in den Himmel kommen........denn die Hölle hatten wir doch schon auf Erden.
Unser Buckel ist doch breit geworden, paßt eigentlich noch was drauf?
Neee - ich gehe in den Streik...Du auch?
amüsante Grüße
Dein Moni-Finchen
Traute Ja so trifft es uns und wir kommen aus der Hölle in den Himmel. (und später wieder zurück?)
Es ist erstaunlich wie wir diese Momente unser Leben-lang speichern und noch im Alter nachfühlen.
Die Lehrerinnen waren für uns noch "Hoheiten", selbst die Verkäuferinnen hatten in der Zeit meine Bewunderung. Sie standen so selbstverständlich in all der Warenpracht, die ich so gerne gehabt hätte.
Und die Lehrer, sie wussten einfach alles was ich erst lernen musste.
Schön ist es Finchen, mit solchen Erinnerungen alt zu werden. Wenn es das nicht schon gebe, müsste es dringend erfunden werden, zum Trost all der Plagen die uns im Leben auf den Buckel springen.
Mit ganz freundlichen Leidensgefährtinnen Grüße,
Traute
Traute 2(Traute)

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