Der Jacarandabaum

Es ist schon viele Jahre her. Wir wohnten noch in Deutschland, als meine Freundin zu mir kam und sagte:“Ich habe mich in das Land Australien verliebt. Hier, lies den Roman, dann kannst Du mich verstehen“.

Der Titel des Buches war – Unter’m Jacarandabaum - . Heute erinnere ich mich nur noch daran, dass ein Junge von 10 Jahren im Fruehling oft mit seinem Fahrrad ueber einen langen Feldweg fuhr, bis hin zu dem Jacarandabaum. Dort lehnte er sein Fahrrad an den Stamm und kletterte in den Baum, um die Bienen zu beobachten, wie sie von Bluete zu Bluete flogen und in die grossen Kelche hineinkrochen, um Bluetenstaub und Honig zu sammeln. Er sah Bienen, so gross wie die aus dem Bienenstock auf der Farm seiner Eltern und andere die kaum so gross wie eine Stubenfliege waren.

Eines Nachmittags kam aus der anderen Richtung ein 7 jaehriges Maedchen barfuss singend und pfeifend angelaufen, sah das Fahrrad, stoppte und wollte schnell umkehren. Doch der Junge rief leise:“ Hallo, warte ich komme runter und erzaehle Dir, was ich hier oben alles sehen kann“, und kletterte schnell vom Baum.
Das war der Beginn einer langen Freundschaft und der Titel fuer den Roman.

Viele Jahre spaeter machten wir zweimal Urlaub in Australien. Jedesmal ueber Winter. In dieser Zeit hatte Australien Sommer. Oft hoerten wir dann den Satz:“Schade, dass ihr nicht im Fruehling gekommen seid. Denn dann blueht der Jacaranda“. Das erinnerte mich an den bewussten Roman und als wir spaeter nach hier auswanderten, sind wir gleich im ersten Fruehling ins Hinterland gefahren, um die Jacarandabaeume in voller Bluete zu bewundern. Denn hier in der Kuestenregion gedeihen sie nicht so recht.

Was wir nun sahen, kann man sich nur vorstellen, wenn man es selbst gesehen hat. Eine Einkaufsstrasse gesaeumt mit bluehenden Jacarandabaeumen, alle in zarter blaeulich-blasslila Bluetenpracht. Sah man die Strasse entlang, schien die Luft blaugefaerbt. Es schien als erstrahlten die Baumwipfel in einem blaeulich-cremigen Glorienschein. Die Bluetenpracht wirkte filigran, nicht ueppig und praechtig wie die Kirschbluete, sondern eher feenhaft. Die abgefallenen Blueten bildeten einen blauen Teppich. Man versuchte, so wenig wie moeglich auf die Blueten zu treten. Ploetzlich kam ein Windstoss und Bluetenblaetter rieselten auf uns herab. Wir schauten uns an und lachten, weil unsere Haare voll Bluetenblaetter waren.

Die Bluete selbst ist kelchfoermig und gross, hat aber keinen Duft. Sie meint sicher sie haette keinen betoerenden Duft noetig, denn wenn man so schoen ist, kommen die Bienen auch so zu Besuch.

Meine Freundin kam uns zweimal besuchen. Aber auch sie kam im deutschen Winter, nicht in der Zeit, wo der Jacaranda blueht. Sie sah ihn immer nur in seinem gruenen fedrigen Blaetterkleid. Deshalb habe ich ihr zu ihrem Geburtstag ein Bild malen lassen, ein Queenslaender Haus und rechts und links ein bluehender Jacarandabaum.
Nun ‚stehen’ auch zwei Jacarandabaeume in Deutschland.

koala/Australien