Der große Künstler
Der kleine Junge steht allein auf dem großen Hof, in dessen Mitte eine alte Linde seit Jahrhunderten ihren angestammten Platz hat, es ist ein Baum, dessen weit ausladendes Geäst alle Kinder der Nachbarschaft zum Klettern animiert. Alle lieben diesen Baum, er ist tolerant, lässt alles geschehen, wenn die Kinder auf ihm herumturnen. Auch der Kleine erprobt im Alter von viereinhalb Jahren erstmals seine Kletterkünste. Manch älterer Junge hilft ihm vorsorglich, wenn es mal mit den Griffen nicht so ganz funktioniert. Er nimmt die Hilfestellung auch dankbar an, beweist er doch damit, dass er auch im zarten Alter schon teamfähig sein kann.
Heute aber steht er mutterseelenallein unter der alten Linde. In seinen kleinen Händen hält er einen ›Fleischklopfer‹ aus Holz, dessen geriffelte Unterseite ihm als Mikrofon dient. (Zu jener Zeit hatten die Mikrofone der Medien die Größe von Sektflaschen!) Ja - und dann singt der Kleine, der immer noch das kleine »Bübchen« ist, aus voller Brust ein Lied, das er oft schon von einer Schellack-Schallplatte von Omas »Grammophon« gehört hat.
Die Interpretin war Zarah Leander, eine Diva der 30ger Jahre. Der ›kleine Junge‹, so wurde mir berichtet, muss wohl voll bei der Sache gewesen sein, er sang mit Hingabe jenen Schlager, der damals in aller Munde war. Rund um den Platz öffneten sich alle Fenster, die Hausfrauen der ganzen Nachbarschaft hören atemlos und mit Tränen in den Augen zu, wie der kleine Möchtegern-Sänger seinen Song schmetterte.
Völlig fehlerfrei die nicht so einfache Melodie intonierend, sang dieses »Bübchen« in kurzen Spielhosen, einem karierten Hemdchen und weißen Kniestrümpfen sein Lied:
Der Wind hat mir ein Lied erzählt,
von einem Glück, unsagbar schön.
Er weiß, was meinem Herzen fehlt,
für wen es schlägt und glüht,
er weiß für wen!
Komm - komm, ach ...
Ach du Schreck, dann ist plötzlich Schluss mit der Vorstellung. Mitten in diese Herz-Schmerz-Tirade kommt die Großmutter, bei der der Junge manche Tage verbringt, plötzlich hinzu, schaut entschuldigend in die Runde, blickt ihn strafend an - und löst einen gewaltigen Beifall aus! Die Zuschauerinnen in den Fenstern klatschen voll Enthusiasmus! Dann ist der Auftritt des kleinen Möchtegern-Künstlers vorbei. An der Hand seiner Oma verlässt der »große Star« die Arena, immer noch in die Runde winkend!
Heute aber steht er mutterseelenallein unter der alten Linde. In seinen kleinen Händen hält er einen ›Fleischklopfer‹ aus Holz, dessen geriffelte Unterseite ihm als Mikrofon dient. (Zu jener Zeit hatten die Mikrofone der Medien die Größe von Sektflaschen!) Ja - und dann singt der Kleine, der immer noch das kleine »Bübchen« ist, aus voller Brust ein Lied, das er oft schon von einer Schellack-Schallplatte von Omas »Grammophon« gehört hat.
Die Interpretin war Zarah Leander, eine Diva der 30ger Jahre. Der ›kleine Junge‹, so wurde mir berichtet, muss wohl voll bei der Sache gewesen sein, er sang mit Hingabe jenen Schlager, der damals in aller Munde war. Rund um den Platz öffneten sich alle Fenster, die Hausfrauen der ganzen Nachbarschaft hören atemlos und mit Tränen in den Augen zu, wie der kleine Möchtegern-Sänger seinen Song schmetterte.
Völlig fehlerfrei die nicht so einfache Melodie intonierend, sang dieses »Bübchen« in kurzen Spielhosen, einem karierten Hemdchen und weißen Kniestrümpfen sein Lied:
Der Wind hat mir ein Lied erzählt,
von einem Glück, unsagbar schön.
Er weiß, was meinem Herzen fehlt,
für wen es schlägt und glüht,
er weiß für wen!
Komm - komm, ach ...
Ach du Schreck, dann ist plötzlich Schluss mit der Vorstellung. Mitten in diese Herz-Schmerz-Tirade kommt die Großmutter, bei der der Junge manche Tage verbringt, plötzlich hinzu, schaut entschuldigend in die Runde, blickt ihn strafend an - und löst einen gewaltigen Beifall aus! Die Zuschauerinnen in den Fenstern klatschen voll Enthusiasmus! Dann ist der Auftritt des kleinen Möchtegern-Künstlers vorbei. An der Hand seiner Oma verlässt der »große Star« die Arena, immer noch in die Runde winkend!
Das war mein erster Auftritt vor einem großen Auditorium. Es sollte lange dauern, bis ich als Erwachsener wieder so etwas erlebte ...
Kommentare (2)
Pan
Meister? Meister? Irgendwo schwebte mir auch mal so ein Gedanke durch mein Universum. Dann jedoch erschien ein anderes Wort vor meinen Augen:
Es irrt der Mensch, solang er lebt.
(Goethe, Faust)
Kommt mir bei Deiner hübschen Erinnerungsgeschichte doch Schillers „Tell“ in den Sinn, in dem es u.a. (wenn auch in ganz anderem Zusammenhang) heißt:
Früh übt sich,
was ein Meister werden will!
...damit grüßt hier
Syrdal