Der Esel, der Vater und der Sohn
Ein Vater zog mit seinem Sohn und einem Esel in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Der Sohn führte und der Vater saß auf dem Esel:
„Der arme kleine Junge“, sagte ein vorbeigehender Mann. „Seine kurzen Beine versuchen, mit dem Tempo des Esels Schritt zu halten. Wie kann man nur so faul auf dem Esel sitzen, wenn man sieht, dass das Kind sich müde läuft?”
Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen.
Es dauerte nicht lange, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine Stimme: „So eine Unverschämtheit! Sitzt doch der kleine Bengel wie ein König auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenherläuft.“ Dies tat nun dem Jungen leid und er bat seinen Vater, sich mit ihm auf den Esel zu setzen.
„Ja, gibt es sowas?“, sagte eine alte Frau. „So eine Tierquälerei! Dem armen Esel hängt der Rücken durch und der junge und der alte Nichtsnutz ruhen sich auf ihm aus. Der arme Esel!“
Vater und Sohn sahen sich an, stiegen beide vom Esel herunter und gingen neben dem Esel her. Dann begegnete ihnen ein Mann, der sich über sie lustig machte: „Wie kann man bloß so dumm sein? Wofür hat man einen Esel, wenn er einen nicht tragen kann?“
Der Vater gab dem Esel zu trinken und legte dann die Hand auf die Schulter seines Sohnes. „Egal, was wir machen“, sagte er, „es gibt immer jemanden, der damit nicht einverstanden ist. Ab jetzt tun wir das, was wir selber für richtig halten!“ Der Sohn nickte zustimmend.
(Frei nach Nasreddin Hodscha)
Kommentare (4)
@Pan
Das ist so im Leben, dass alles schon einmal da war, wenn man bereits länger auf der Welt ist. Es kann ja sein, dass die nachfolgende Generation dieses Gleichnis nicht mehr in ihrem Lesebuch hatte.
@Spatz 4
Ja, man sollte nicht die Erwartungen anderer zu erfüllen versuchen, sondern jene an sich selbst. Damit habe, zumindest ich, genug zu tun !! 😉
Ach du lieber Himmel: diese Gleichnis stand bereits 1940 in meinem Lesebuch für die 2.Klasse.
Geändert hat sich dennoch nix ...