Depression oder nur Selbstmitleid??

Jedes Quartal gibt es bei meiner Schmerztherapeutin einen Fragebogen zum Ausfüllen. Unter anderem mit der Frage: Haben Sie Selbstmordgedanken?

Ja, ja die hab ich. Aber nicht wegen der Schmerzen. Die sind nur ein Faktor in dem ganzen Elend. Viel schlimmer sind die "Nebenwirkungen" die sich daraus ergeben.

Vor 15 Jahren (ich bin jetzt 65) hat sich mein Leben von einem zum anderen Tag radikal verändert. In Kurzfassung: Innerhalb von 11 Monaten 3 Bandscheibenoperationen ->> verpfuscht ->> lebenslänglich Morphium ->> erwerbsunfähig ->> Minirente+Grundsicherung (heisst Sozialamt).

Das bedeutet, nach Abzug aller selbstzutragenden Kosten bleiben mit ca.€ 220,00 zum Leben. Das geht tatsächlich. Ich habe eine schöne Wohnung, ich verhungere nicht und ich kann mich kleiden. Das bedeutet aber auch kein Kino, Theater, Konzert, Essen gehen ........usw.

Das wiederum zieht nach sich, dass sich Freunde und Freunde sortieren. Früher war bei mir immer Tag der offenen Tür, ich war nie allein (trotz Singledasein), das Telefon klingelte ständig, die Freizeit war immer zu kurz. Jetzt ist Zeit das einzige was ich im Überfluss habe. Ich bin EINSAM.

Natürlich sind mir ein paar Getreue geblieben. Da ich auch an guten Tagen max. 500 m gehen kann, fahren sie mit mir einkaufen, zum Arzt, zur Apotheke usw. Es ist schrecklich immer wieder um Hilfe bitten zu müssen. Zumal alle noch arbeiten, Familie und Kinder haben. Ihre Freizeit ist so knapp wie meine früher auch. Ich weiss das nur zu gut.

Trotzdem, keiner muss denken, dass ich mich seit 15 Jahren in Selbstmitleid suhle. Ich bin der Typ, für den "das Glas immer halb voll" ist. Ich lese viel, höre gerne Musik (alles ausser Schlager und Volksmusik). Ich liebe und beschäftige mich mit meinen dicken Kater Paulchen. Und im Sommer sind die Blumen auf meiner Terrasse meine Leidenschaft. Und ich fotographiere gerne.

Aber seit ca. 1/2 Jahr habe ich das Gefühl in einem schwarzen Tunnel immer tiefer zu versinken. In meinem Alltag ist mir jede Struktur verlorengegangen. Ich schlafe tagelang, achte nicht auf mein Äusseres und trotz meiner Einsamkeit bekomme ich Panikattacken, wenn mich jemand besuchen oder etwas mit mir unternehmen will. Ich kann erst wieder atmen, wenn ich mit einer dummen Lüge abgesagt habe. Meine Wohnung verkommt und ich koche nicht mehr. Und ich frage mich, was soll das alles noch, ist das noch ein Leben???????

Vielleicht würde ein Tritt in den Hintern helfen. Aber wer soll ihn mir verpassen, ich kann mit niemanden über meinen Zustand reden.

ALISHA