Da standen sie plötzlich vor der Haustür


In unserem Familienkreis berichteten Freunde:


"Unser Haus würden wir in der Form, wie es jetzt dasteht, nicht mehr bauen. Damals hatten wir noch andere Wertvorstellungen. Wir fragten uns deshalb, ob wir das Haus nicht verkaufen sollten, um etwas bescheidener zu leben. Da meinte ein guter Freund: "Das ist nicht nötig. Warum öffnet ihr euer Haus nicht auch für andere?"

Als die verschiedensten Boatpeople auch nach Deutschland kamen, beschloss unsere Pfarrgemeinde, sich um diese Leute zu kümmern.

An uns wurde die Bitte herangetragen, ob wir eine fünfköpfige Familie für eine gewisse Zeit aufnehmen könnten, bis Wohnung und Arbeit gefunden seien.

Eines Tages standen sie plötzlich vor unserer Haustür: Die Eltern und drei quicklebendige Kinder (5, 6 und 12 J). Unsere großen Kinder stellten ihre Zimmer zur Verfügung. Wir lebten mit den Vietnamesen als Großfamilie zusammen und kochten auch miteinander.

Schließlich stellte sich heraus, dass wir uns selber um Wohnung und Arbeit der Gastfamilie kümmern mussten. Bei der Wohnungssuche erhielten wir zunächst viele Absagen. Schließlich hatten wir Erfolg. Es dauerte aber nochmals fast acht Wochen, bis wir die Wohnung hergerichtet und einzugsfertig möbeliert. Auch das war in unserer ursprünglichen Planung nicht vorgesehen gewesen.

Bereut haben wir keinen Moment, dass wir unser Haus geöffnet haben. Dafür haben wir selbst zuviel Freude bekommen." G+E.R

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Kommentare (2)

ortwin Als ich Eure Geschichte las, wurde ich an unsere Wanderung weg vom Bisher hin zum Unbekannten erinnert.

Wir strandeten in einem Lager in Berlin. Unser "Boat" war ein Britischer Militär-Lkw, der uns aus (West-)Berlin durch das "Rote Meer" (SBZ) in die Britische Zone tranportierte.
Die Reise ging über zwei Tage weiter an den Niederrhein, wo wir unseren Vater wieder bekamen, bei seiner Cousin-Familie, er Bäckermeister, sie Kolonialwaren. Danach ging es nach Niedersachsen in ein Dorf. Dort waren wir die ersten Flüchtlinge, die Tracks aus Ostpreussen und die Vertriebenen aus Schlesien waren die nächsten.

Wir kamen nur mit dem an, was wir tragen konnten. Ein Zimmer für sieben Personen. Man gab uns das Nötigste, vielleicht gerne, weil manches davon aus dem Haus des Reichsarbeitsdienstes stammte.

Unsere Mutter war schnell bei allen beliebt, sie fand auch Kontakt zu den Herrschaften im Schloß. Sie hat sich nicht gescheut, die Jauchekuhle zu leeren, sie hat das Meterholz aus dem Wald geschleppt, sie schneiderte, verhandelte mit allen "regierenden" Leuten, wurde Flüchtlingswart, sie saß nach aller harter Arbeit mit den Schlesiern im Haus beim Romme und sie genierte sich nicht, Rübenschnaps zu brennen und zu Likör zu veredeln, sie brachte unserm Vater, der in Köln und Bonn geblieben war, bei, unsere gebastelten Teddybären zu verkaufen (man brauchte schließlich Fahrgeld).

Obwohl wir doch mit Nichts wieder angefangen haben (so wie Eure Boatpeople), empfanden wir das nicht als Leid und Schmach, wir durften mit positivem Denken "in die Hände spucken".

Und was ist aus Eurer Familie geworden?

ortwin
tilli Es ist sehr schön deinen Beitrag zu lesen.Wenn es noch solche Menschen gibt, die helfen, die Verständnis aufbringen, für Menschen in Not.Da hat man noch Hoffnung und Freude am unseren Dasein in dieser Welt.
Vielen Dank für diese Zeilen.
Grüße Tilli

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