Sehr viel von dem, was früher war,
ahnt mancher Zeitgenosse zwar,
doch ist sein Wissen ziemlich schmal,
um nicht zu sagen, minimal.
Adam und Eva beispielsweise
gehören auch zu diesem Kreise.
   Nun ist das ganze lange her,
sechstausend Jahre oder mehr,
kein Mensch hat´s damals aufgeschrieben,
so dass nur noch Fragmente blieben.
Kein Foto gab es, keine Zeitung,
es fehlte jegliche Verbreitung
der Meldungen in Windeseile
noch in die fernsten Weltenteile,
so wie wir heut ausführlich lesen
von dem, was alles so gewesen.
Man ist in Fällen wie bei diesen
meist auf Vermutung angewiesen,
und mancherlei erweist am Ende
sich dann als Mythos und Legende.
   Eins weiß man allerdings genau:
Adam war Mann und Eva Frau.
Damit gab´s auch zu jener Zeit
schon jene Unterschiedlichkeit -
genau, den kleinen Unterschied,
woraus man konsequent ersieht,
ob jemand, und vor allem, wer
sie ist, beziehungsweise er.
   Bekannt ist wohl auch überall
Eva durch ihren Sündenfall,
wobei sie ja im Fallen glatt
den Adam mitgerissen hat,
der damals noch nicht überschaute,
was sich für sie zusammenbraute.
Um seine Frau nicht zu ergrimmen,
blieb ihm ja nichts als zuzustimmen.
Er hatte nämlich nie vergessen,
mit ihr war nicht gut Kirschen essen,
wenn sie ihm irgendetwas sagte
und er zu widersprechen wagte.
Von Eva überrumpelt, nahm
er brav, was er von ihr bekam,
den Apfel der Erkenntnis nämlich.
Das war insofern ziemlich dämlich,
weil die Bestrafung dafür hieß:
Vertreibung aus dem Paradies.
   Zum Schluss sei noch ein Tatbestand,
der unbestritten ist, genannt:
Frau Eva war zu Adams Leid
ein Opfer ihrer Eitelkeit.
Des langweiligen Nacktseins satt
erkor sie sich ein Feigenblatt
von kleinster, minimalster Größe,
um zu bedecken ihre Blöße,
den Vorgänger des Minirocks,
vertrauend jenem Paradox:
Nicht das, was alle sehen, reizt,
nein, nur wer mit den Reizen geizt,
weckt Forschertriebe einserseits
und steigert den Entdeckungsreiz.
    So weit, so unbestreitbar klar
und ohne jeden Kommentar.
Was allerdings nun folgt zu lesen,
liegt im Bereich der Hypothesen,
was keineswegs bedeuten muss,
es sei bloß Phantasieerguss:
Für Eva klang es wie Schalmei,
vernahm sie eine Schmeichelei.
Ein Kompliment, noch so verschwommen,
war stets erwünscht und hochwillkommen.
Zum Beispiel: Deine Käsetorte
gibt´s so an keinem andern Orte
und: Deine lockige Frisur,
wie machst du dieses Kunstwerk nur!
   Das steht zwar so nicht in der Bibel,
ist aber relativ plausibel,
weil so sich jener Zug erklärt,
der schließlich noch bis heute währt.
Woher ich dies Geheimnis weiß,
verrate ich um keinen Preis.
Der Kavalier schweigt und genießt,
was hier der Leser staunend liest.
              Christoph Hartlieb
Wissbegierige Leser sollten zum Vergleich lesen, was 1. Mose Kapitel 3 steht.


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Kommentare (2)

silesio

   Der arme Adam schwankte wahrscheinlich ständig zwischen Entzuecken und Entsetzen
       Sillesio

pippa

Mose war so viel ich weiß
wohl ein Mann, drum sag ich leis,
hätte dies ‚ne Frau geschrieben,
wäre Adam sehr durchtrieben,
und die Eva lieb und nett,
machte jeden Tag sein Bett.

Wie immer, wunderbar flüssig geschrieben. Es ist eine Freude, Deine Gedichte zu lesen.
Ich habe das Gedicht mehrfach mit einem breiten Grinsen gelesen.
Danke!
Pippa


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