1907: Rabiates und Kurioses im Amtsgericht
Vielfältig sind die Fälle, die vor Gericht verhandelt werden und wurden. Im Folgenden gibt es eine Auswahl von fünf kuriosen bzw. rabiaten Ansichten, die Angeklagte einst äußerten.
Der Fleischergeselle Berthold erhielt 3 Wochen Haft wegen Bettelns und kleinerer Diebstähle. Auf die Frage des Richters, warum er dieses Leben führe, antwortete Berthold: „Auf der Suche nach Arbeit ist mir das Geld ausgegangen“,
Der Glasmachergehilfe Louis Petrick grüßt trotz mehrfacher Verwarnung den Wachtmeister Lohse generell mit „Guten Tag, Du Stadttrottel“. Gefordert wird seitens des Zeugen Lohse, ihn wegen Uneinsichtigkeit 30 Tage Gefängnis aufzubrummen. Dem gibt der Richter Alsmann nach. „Haben Sie noch etwas zu sagen?“, wurde nach Urteilsverkündigung Petrick gefragt. „Naja, es ist so wie mein seliger Vater sagt, wenn ein Stadttrottel Recht bekommt, ist der Gerichtsesel nicht weit“. Für die Beleidigung des Richters erhielt Petrick sofort 6 Tage Zuschlag.
Auf Anzeige des Schuldirektors Hamann steht die Tagelöhnersehefrau Mathilde Bergmann vor Gericht, da sie nach Angaben ihres Sohnes nie die entsprechenden Schulzeugnisse, Klassenarbeiten und Schulhinweise unterschrieb. Sie musste zunächst eine Schriftprobe abgeben, damit man auch sicher war, ob sie in der Lage war zu unterschreiben. Die fiel sogar ziemlich gefällig aus. Auf die Frage des Richters warum sie denn die schulischen Sachen nicht unterschreiben würde, antwortete Mathilde Bergmann: „Mein Sohn hat mir geraten die Tinte auszuschütten, da könne man nicht unterschreiben“. Die Mutter erhielt 3 Tage Haft und der schulpflichtige Sohn eine Schulstrafe. Dies wird wohl eine Tracht Prügel gewesen sein.
Eine kuriose Wendung nahm der Prozess um einen Diebstahl aus einer Radeberger Scheune. Nach Maßgabe der polizeilichen Untersuchung hatte Franz Hermann Bernhardt den Händler Gustav König beschuldigt, dass dieser den Diebstahl vollzogen habe. Vor Gericht bestätigte zunächst Bernhardt diese Angaben. Danach erhielt der Angeklagte das Wort. Der konnte sich kaum bremsen und brüllte in den Gerichtssaal „Na, warte Du meineidiger Hund! Wenn ich hier herauskomme, ersteche ich Dich!“ Für diese Drohung erhielt König zwar eine sofortige Verwarnung, wurde aber nach kurzer Beratung freigesprochen. Bernhardt hatte nach dieser Drohung sich erneut zu Wort gemeldet und sagte „Der macht das wirklich! Da gebe ich lieber zu, dass ich gestohlen habe“. Der Prozess fand vierzehn Tage später statt und Bernhardt erhielt 6 Tage Haft für den Diebstahl und 3 Wochen für den Meineid und die falsche Beschuldigung.
Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es noch im Gerichtssaal als der Langebrücker Maurer Hermann Rockstroh beschuldigt wurde, die 80 jährige, blinde Mutter der Schwägerin mit Schimpfworten belegte. „Du unnützes Stück Scheiße!“ war der Gipfel seiner ständigen rabiaten Äußerungen. Auch soll er mit den Worten „Du altes blindes Mistluder!“ ihr ein Stück des Treppengeländers hinterher geworfen haben. Vier Zeugen wurden gehört. Im Ergebnis der Verhandlungen erhielt Hermann Rockstroh 3 Monate und 8 Tage Gefängnis sowie 5 Wochen Haft. Letztere Strafe wurde verhängt, da er in der Untersuchungshaft ständig in der Untersuchungszelle „seine Geschäfte“ besorgte. Daraufhin im Gericht angesprochen, soll Rockstroh geäußert haben „Hier stinkt es doch sowieso!“
haweger
Immer interessant und zum Teil auch amüsant.
Liebe Grüße
Annemarie